„Was macht die BoJ in Zukunft?“
27.02.2023
Für deutsche Investoren ist Japan oftmals ein weißer Fleck auf der Landkarte. Zu Recht? finanzwelt sprach zu den Anlagechancen mit Dan Carter, Investment Manager, Japan Equities, bei Jupiter Asset Management.
finanzwelt: Auf den ersten Blick ist Japan nicht die „erste Wahl“ für Investoren. Wie stellt sich das Land gegenwärtig dar? Dan Carter» Der japanische Markt wird von drei Schlüsselthemen bestimmt: Konsum, Währung und dem globalen Wirtschaftszyklus. Nach fast drei Jahren der Beschränkungen für ausländische Besucher hat die Regierung vor kurzem wieder die visafreie Einreise eingeführt. Dies dürfte den Konsum ankurbeln, auch Dank des schwachen Yen. Als Investoren freuen wir uns über Engagement in Bereichen, die direkt von mehr Besuchern profitieren. Ansonsten sind wir aber eher vorsichtig. Die immer älter werdende Bevölkerung Japans bremst die inländischen Ausgaben.
finanzwelt: Das Thema Inflation scheint nach Jahrzehnten auch auf der Insel angekommen zu sein. Wie interpretieren Sie die Politik der Bank von Japan (BoJ)? Carter» Die Beweggründe der BoJ-Politik scheinen eher politischer als rein wirtschaftlicher Natur zu sein. Premierminister Kishida hat in der Wählergunst nachgelassen – zum Teil auch, weil der sinkende Yen die Kaufkraft der Haushalte geschmälert hat. Die japanische Regierung und vermutlich auch die Zentralbank scheinen auch eine gegenteilige Einstellung zu ‚Zweitrundeneffekten‘ zu haben als andere Industrieländer. Während die meisten Zentralbanker befürchten, dass die Inflation von den Preisen auf die Löhne übergreift, befürchten sie in Japan, dass die Löhne hinterherhinken, der Konsum einbricht und die Inflation im Keim erstickt. Bislang scheint diese Befürchtung begründet – die Reallöhne haben den stärksten Rückgang seit 2014 erlitten. Der Spielraum der BoJ ist also sehr klein.
finanzwelt: In welchen Sektoren sehen Sie derzeit ein überdurchschnittliches Potenzial zur Alpha-Generierung? Carter» Der Markt hat sich zuletzt große Sorgen über einen zyklischen Abschwung gemacht. Dies hat auch zu einem Einbruch der Bewertungen einiger sehr interessanter, wenn auch sehr zyklischer japanischer Unternehmen geführt – Unternehmen, die typischerweise von der japanischen Kultur der Forschung und Entwicklung und der technologischen Leistungsfähigkeit profitieren. Diese können eine großartige Quelle für künftige Alpha-Generierung sein.
finanzwelt: Was ist bei Investitionen in japanische Aktien zu beachten, insbesondere im Hinblick auf die Währungsseite? Carter» Hohe Inflation, die Reaktion der Zentralbanken darauf sowie der Krieg in der Ukraine haben die weltweiten Aktienmärkte im Jahr 2022 beeinflusst. Diese Sorgen werden Anleger auch in 2023 begleiten. Seit Oktober hat sich der Yen zwar gefestigt. Investoren werden aber zweifellos abwarten, ob die BoJ ihre Geldpolitik weiter strafft, was den Yen stützen könnte, oder ob sie einen zaghafteren Ansatz wählt.
finanzwelt: Die ganze Welt spricht über ESG. Wie ist Japan in Bezug auf Nachhaltigkeit aufgestellt? Carter» Japanische Unternehmen haben eine lange Tradition in der ganzheitlichen Betrachtung ihrer Geschäfte – sie kümmern sich nicht nur um die Gewinnmaximierung, sondern auch um andere Faktoren. Viele japanische Unternehmen sind führend bei grünen Technologien. Japan hat aber auch einen starken industriellen Sektor, der auf Kohlenstoff basiert. Beide Bereiche zu trennen ist schwer, da viele der besten japanischen Unternehmen für Umweltlösungen in alte Industrieunternehmen eingebettet sind. Reine ESG-Titel sind daher kaum zu finden. (ah)