Warum sich Versicherer jetzt wappnen müssen
10.07.2023
Dr. Frank Grund. Foto: Bernd Roselieb / BaFin
Die aktuelle Lage der Versicherer und künftige Herausforderungen der Branche standen im Zentrum eines Vortrags, den Dr. Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht der BaFin, am 4. Juli bei einer Veranstaltung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) hielt.
Bisher zeige sich die Branche trotz der aktuellen geopolitischen und ökonomischen Herausforderungen robust. Insbesondere die Lebensversicherer und Pensionskassen hätten von dem Zinsanstieg profitieren können. „Ihre Ertragschancen in der Neu- und Wiederanlage sind gestiegen, was auch für die Kundinnen und Kunden eine gute Nachricht ist, denn ihnen kommen die höheren Kapitalerträge zugute“, erläuterte Dr. Grund vor Vertreterinnen und Vertretern der Branche.
Zugleich brächten die gestiegenen Zinsen und die Inflation aber auch Risiken mit sich: Die Kehrseite der Medaille seien die stillen Lasten in den Handelsbilanzen. Die Quartalsanalysen der BaFin zeigten, dass die Versicherungsunternehmen bislang noch keine stillen Lasten realisieren mussten, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Bei Lebensversicherern, die ihre Liquidität nicht gut im Griff haben, könne es aber aufgrund des rückläufigen Neugeschäfts und des teils erhöhten Stornos zu ungeplantem Liquiditätsbedarf kommen. Sie müssten dann gegebenenfalls Wertpapiere verkaufen, deren Kurse durch die Zinswende unter Druck stehen. „Ein gutes Liquiditätsmanagement ist deshalb für die Versicherungsunternehmen und im Besonderen für die Lebensversicherer so wichtig!“, betonte Grund. Die BaFin lässt sich in ihren Liquiditätsanalysen auch über die aktuelle Geschäftsentwicklung und –planung der Unternehmen informieren.
Mit Resilienz und Transparenz an zukünftige Herausforderungen herangehen
Neben den allgemeinen ökonomischen und geopolitischen Risiken brächten auch viele gesellschaftliche und technologische Umbrüche Unwägbarkeiten mit sich. So fänden immer mehr Prozesse digital statt. Versicherungsunternehmen müssten sich überlegen, wie sie den technologischen Fortschritt für sich nutzen wollen. „Uns interessiert, ob die Unternehmen die notwendigen Mittel haben, die für den Umbau der Geschäftsmodelle notwendig sind. Und auch: ob Sie die Chancen und Risiken, die sich durch den Einsatz von KI ergeben, richtig adressieren“, machte Dr. Grund in seiner Rede deutlich. Im besonderen Fokus der BaFin stünden daher auch die IT- und Cyberrisiken. So habe die BaFin in ihren Prüfungen teilweise sehr große Mängel bei der IT- und Cybersicherheit der Versicherer festgestellt. Grund verdeutlichte dies in seiner Rede anhand mehrerer Beispiele. „Bei Versicherungsunternehmen, die hochsensible personenbezogene Daten verwalten, können wir solche Risiken nicht hinnehmen. Hier ist also noch einiges zu tun, um Versicherungsunternehmen grundsätzlich resilienter gegen IT-Risiken zu machen“, sagte der Exekutivdirektor.
Neben den IT- und Cyberrisiken müssten Versicherer aber auch die Nachhaltigkeitsrisiken im Blick haben. Sie müssten sich intensiv damit auseinandersetzen, was ein Temperaturanstieg für sie und ihr Geschäftsmodell bedeutet. Ein wichtiger Punkt hierbei sei die Transparenz, dazu dienen die Offenlegungsvorschriften. Um den Besonderheiten der in Deutschland verbreiteten klassischen Lebens- und Rentenversicherungen Rechnung zu tragen, habe die BaFin den Zuordnungsansatz entwickelt und ein entsprechendes Merkblatt konsultiert. Versicherer könnten über den Zuordnungsansatz auch klassische Lebensversicherungsprodukte mit Nachhaltigkeitsfokus anbieten.
Für die BaFin habe das Thema Nachhaltigkeit eine große Bedeutung. Mit Blick auf die von ihr beaufsichtigten Unternehmen, aber auch auf Verbraucherinnen und Verbraucher. Welche Herausforderungen die Aufsicht bei der Transformation zu einer CO2-armen Wirtschaft sieht und welche Rolle sie dabei einnimmt, hat die BaFin in ihrer Sustainable-Finance-Strategie festgehalten. (fw)