Wachgeküsst?

30.10.2023

Blick auf die Skyline von Tokyo bei Nacht, Foto: © 拓也 神崎 - stock.adobe.com

Im Land der aufgehenden Sonne war über Jahre nichts beziehungsweise wenig zu holen. Die Deflation geriet zum Dauerthema; der Aktienmarkt fristete ein trauriges Dasein. Kaum positive Aspekte. Seit 2022 ist Japan vermehrt auf dem Schirm der Investoren. Rückenwind kommt von inflationären Tendenzen, der Notenbankpolitik und einer verbesserten Unternehmensführung.

Wir feiern ein Comeback. Japan ist auf dem Finanzradar zurück. Kaum zu glauben, aber wahr. Wenn erfahrene Investoren wie Warren Buffett wieder auf japanische Aktien setzen, dann hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. Tatsächlich hat der MSCI Japan Index im bisherigen Jahresverlauf knapp 17 % zugelegt, und der Nikkei 225 befindet sich seit dem Frühsommer deutlich über der Marke von 30.000 Punkten. „Das vergangene Jahrzehnt hat eine neue Ära für japanische Aktien eingeläutet“, sagt Shuntaro Takeuchi, Portfoliomanager beim Asienexperten Matthews Asia. „Konstante Verbesserungen in der Unternehmensführung, wachsende Profitabilität und steigende Anlagepreise haben Japan zu einem langfristigen Wachstumsmarkt gemacht.“

Inflation is back – Geldpolitik bleibt (aber) locker

Erinnern wir uns: Japan hatte nahezu zwei Jahrzehnte lang unter Deflation gelitten. Die Menschen rechneten nicht mit Preiserhöhungen. In den vergangenen zehn Jahren gab es in Japans Wirtschaft wieder eine Inflation, allerdings sehr mild. Lohnsteigerungen gab es nahezu nicht. Seit kurzem steigen die Löhne wieder (deutlich) an. Ein Wandel bei den Unternehmensführungen hat stattgefunden. Dr. Christoph Siepmann, Senior Economist bei Generali Investments, sagte jüngst in einem Marktkommentar, dass befragte Unternehmen bei der Aufstellung längerfristiger Geschäftspläne nun davon ausgingen, dass die Löhne in Japan zum ersten Mal seit einer Generation steigen würden. Viele Manager akzeptierten den Lohnanstieg und fürchteten nicht, dass darunter ihre Wettbewerbsfähigkeit leide. Wirtschaftlich steht das Land auch 2023 vergleichsweise sehr gut da. Während Deutschland in einer (milden) Rezession steckt, ist Japans Wirtschaft auf Wachstumskurs. Die Wirtschaft ist im 2. Quartal deutlich gewachsen, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) kletterte zwischen April und Juni auf das Jahr hochgerechnet um 6,0 %. Davon können viele andere Industrienationen nur träumen. Auch die Aussichten bleiben positiv. „Dabei wirkt sich sicher aus, dass Japans Wirtschaft wegen der späten Öffnung nach der COVID-Zeit noch Nachholbedarf hat. Zudem ist die japanische Notenbank die einzige, die an Negativzinsen festhält, während andere Zentralbanken im Kampf gegen die Inflation die Zinsen massiv angehoben haben“, merkt Yuichi Murao, Chief Investment Officer, Active Japan Equity, bei Nomura Asset Management, an. Insbesondere die aufgeschobene geldpolitische Straffung der Bank of Japan als auch die Abwertung des Yen haben dem Land Flügel verliehen. Bereits seit geraumer Zeit hat die japanische Währung gegenüber dem US-Dollar deutlich an Wert verloren. Das wiederum macht Exporte auf dem Weltmarkt günstiger.

Bessere Unternehmensführung

Die Unternehmensführung (Corporate Governance) war jahrelang einer der Schwachpunkte, wenn es um die Beurteilung Japans ging. Diese verbessert sich (wenn auch von einem niedrigen Ausgangsniveau), und der Trend macht zunehmend einen strukturellen Eindruck. Japanische Unternehmen haben Fortschritte bei der Verbesserung der Unternehmensführung und der Aktionärsrenditen (von einem niedrigen Ausgangsniveau aus) gemacht und werden dafür vom Markt belohnt. J.P. Morgan Asset Management kommt in einer Studie zum Ergebnis, dass zum Zeitpunkt, als viele Unternehmen zu Beginn der Pandemie weltweit ihre Dividenden kürzten oder aussetzten, japanische Unternehmen Bargeld an die Aktionäre zurückgaben. „Im Jahr 2014 hatten lediglich rund 1,3 % der Unternehmen im Tokioter ‚Prime‘-Segment mindestens ein Drittel unabhängige Mitglieder im Board of Directors. Inzwischen gilt dies für mehr als 92 % der Unternehmen“, ergänzt Nomura-Experte Murao an dieser Stelle.

Problem: alternde, schrumpfende Bevölkerung

Die japanische Bevölkerung schrumpft weiter. Und zwar rasant. Die Zahl der Japanerinnen und Japaner sank im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 800.000 auf nur noch 122,4 Millionen, wie das Innenministerium bekanntgab. Weniger Arbeitnehmer/Innen könnten im Umkehrschluss natürlich ein Anziehen der Preisspirale bewirken. Das wiederum könnte dann die Notenbank auf den Plan rufen. Aktuell ist die Inflation wieder leicht im Rückwärtsgang; insofern „grünes“ Licht für die lockere Geldpolitik der BoJ. Japans Sonne lacht wieder. Nach Jahren der Tristesse. Und die Zeichen sind weiter auf Wachstum ausgelegt. Speziell im internationalen Vergleich. Wenn Starinvestoren Warren Buffett das Kaiserreich auf dem Schirm hat, sollten Sie es Ihren Kunden auch ans Herz legen: als Beimischung. (ah)

Shuntaro Takeuchi              Yuichi Murao 
Portfoliomanager                  Chief Investment Officer
Matthews Asia                       Nomura Asset Management