Vorsicht bei Greenwashing: Wie sich Fondsgesellschaften und Vertriebe absichern
12.06.2023
Florian Schildge, Kanzlei 4L Legal / Foto: © 4L Legal
Immer häufiger werden Greenwashing-Vorwürfe in der Finanzindustrie laut. Der Betrug mit vermeintlich nachhaltigen und grünen Kapitalanlagen kann weitreichende Schadenersatzansprüche nach sich ziehen. Dagegen gilt es, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Greenwashing hat sich mittlerweile zu einer echten Gefahr für die Finanzindustrie und die Anleger entwickelt. Bekanntlich ist Greenwashing eine Marketingtaktik, die von Unternehmen eingesetzt wird, um ihre Produkte oder Dienstleistungen umweltfreundlicher erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich sind. Dies wird durch irreführende oder übertriebene Behauptungen über die Umweltvorteile eines Produkts, einer Dienstleistung oder des Unternehmens selbst erreicht. Das passiert gerade bei Geldanlagen immer wieder, Beispiele dafür existieren hinreichend. Das ist nicht nur ein Reputationsproblem. Auch rechtlich können Greenwashing-Vorwürfe übel ausgehen. So hat die US-Börsenaufsicht SEC einen Investmentfondsmanager in einem angeblichen Greenwashing-Fall mit Sanktionen belegt und ihm vorgeworfen, dass die Firma die Umweltfreundlichkeit bestimmter Investmentfonds falsch dargestellt hat. Das betroffene Unternehmen stimmte zu, eine Strafe in Höhe von 1,5 Millionen US-Dollar zu zahlen sowie eine Unterlassungsverfügung und eine Rüge hinzunehmen, die aus angeblich unzutreffenden Behauptungen über die ESG-Prüfung der Fonds resultieren.
Kapitalanlagebetrug auch im Strafgesetzbuch geregelt
Auch in Deutschland kann Greenwashing böse ausgehen. Denn Greenwashing wird unter anderem auch im Zusammenhang mit dem Straftatbestand Kapitalanlagebetrug nach Paragraf 264a Strafgesetzbuch relevant. Darin heißt es: „Wer im Zusammenhang mit 1. dem Vertrieb von Wertpapieren, Bezugsrechten oder von Anteilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen, oder 2. dem Angebot, die Einlage auf solche Anteile zu erhöhen, in Prospekten oder in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand hinsichtlich der für die Entscheidung über den Erwerb oder die Erhöhung erheblichen Umstände gegenüber einem größeren Kreis von Personen unrichtige vorteilhafte Angaben macht oder nachteilige Tatsachen verschweigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Kapitalanlagebetrug kann Schadenersatzforderungen nach sich ziehen
Strafbar sind demnach insbesondere Falschangaben gegenüber einem größeren Personenkreis in Prospekten im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Wertpapieren, Bezugsrechten oder dem Erwerb oder der Erhöhung von Unternehmensanteilen. Diese Angaben müssen auf die Anlageentscheidung des Anlegers einen erheblichen Einfluss haben. Der Hintergrund: Die Angabe, ein Investment ist besonders nachhaltig, ist für Anleger inzwischen sehr wichtig. Entsprechend wird gravierendes Greenwashing in Prospekten im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Kapitalanlagen von Paragraf 264a Strafgesetzbuch erfasst. Das dürfte für alle Angaben zu Nachhaltigkeitsthemen gelten, sofern diese für die Anlegerentscheidung erheblich sind. Und der Kapitalanlagebetrug kann auch zivilrechtliche Folgen haben, nämlich in Form von Schadenersatz, vor allem gegen Finanzdienstleister und Vertriebsunternehmen. Schäden, die den Anlegern durch den Anlagebetrug entstanden sind, können vollständig in einer zivilrechtlichen Schadensersatzklage (oder gegebenenfalls auch außergerichtlich) geltend gemacht werden. Grundsätzlich ist Greenwashing auch ein Thema des Wettbewerbsrechts. Nämlich dann, wenn Unternehmen im Rechtsverkehr irreführende, unvollständige, zu positive oder falsche Aussagen über die Umweltfreundlichkeit ihrer Unternehmenstätigkeit, der angebotenen Dienstleistung oder eines hergestellten Produkts einschließlich Herstellung, Verwendung und Entsorgung machen. Dies können Wettbewerber oder Verbraucherschützer dann abmahnen.
Viele erstinstanzliche Urteile gegen fragwürdige Nachhaltigkeitswerbung
Ein konkretes Beispiel für Greenwashing-Vorwürfe ist die Verwendung der Aussage „klimaneutral“ in der Werbung. Gegen diesen Begriff in einer Müllbeutelwerbung hatte eine Wettbewerbszentrale geklagt, die die Bewerbung eines solchen Claims per se für irreführend erachtet hatte. In erster Instanz hatten die Verbraucherschützer noch gewonnen, aber das Oberlandesgericht Schleswig (Urteil vom 30.06.2022 – Az.: 6 U 46/21) hob in zweiter Instanz das Urteil des Landgerichts Kiel auf und wies die Klage der Wettbewerbszentrale ab. Allerdings machte der Senat in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf aufmerksam, dass – ähnlich wie bei der Gesundheitswerbung – auch bei der Werbung mit Umweltschutzbegriffen und -zeichen ein strenger Maßstab gelte. Wollen sich Unternehmen gegen solche Schwierigkeiten absichern, sollte ins Detail gehende Erläuterungen zu Aussagen wie Klimaneutralität bereitstellen.
Denn selbst wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu bislang noch dünn ist: Diverse Entscheidungen unterer Instanzen (unter anderem auch gegen eine Fondsgesellschaft!) zeigen, dass Unternehmen höchste Sorgfalt und Vorsicht bei der Bewerbung umweltbezogener Aussagen wie „klimaneutral“, „CO2-reduziert“, „umweltfreundlich“ oder „nachhaltig“ anwenden müssen, um nicht auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden.
Bewerbung umweltfreundlicher und nachhaltiger Aussagen sorgfältig bewerten
Die Entwicklungen zeigen, wie sorgsam Unternehmen bei der Bewerbung umweltfreundlicher und nachhaltiger Aussagen sein sollten, zumal das Greenwashing auch auf europäischer Ebene vermehrt in den Fokus von Politik und Regulierung rückt. So soll es künftig untersagt sein, irreführende Angaben über ökologische und soziale Auswirkungen von Produkten oder deren Haltbarkeit abzugeben, beispielsweise Aussagen zur Recycelbarkeit. Nicht nachweisbare pauschale Aussagen über Umwelteigenschaften, zum Beispiel „umweltfreundlich“ oder „grün“, sollen außerdem ebenso verboten werden wie umweltbezogene Aussagen über das gesamte Produkt, sofern diese tatsächlich nur auf einen Teil zutreffen.
Das sollten Investmentgesellschaften und Vertriebe dringend beachten, um sich keinen straf- und zivilrechtlichen Schwierigkeiten auszusetzen. Sowohl die Produkte selbst als auch die Werbung müssen aus nachhaltiger Sicht einwandfrei strukturiert sein. Das schützt nicht nur die Anbieter und Dienstleister, sondern ist vor allem gut für die Entwicklung des nachhaltigen, verantwortungsvollen Investierens.
Gastbeitrag von Florian Schildge,
auf Erbrecht spezialisierter Rechtsanwalt,
Kanzlei 4L Legal Karlsruhe