„Vorsicht an der Bahnsteigkante“

09.08.2024

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Mitte Juli ist Badesaison. Eine erfrischende Abkühlung bei Außentemperaturen um die 30 Grad ist gerade das Richtige. Rein ins Wasser und genießen. Auch die internationalen Börsen sind in den vergangenen Monaten heiß gelaufen. Kommt es auch dort in den kommenden Wochen zu einem kühlen Nass? Abschwünge kündigen sich bekanntlich nie so richtig an. Eitel Sonnenschein auf dem Frankfurter Parkett. Von Sommerloch oder bedrückender Stimmung ist (noch) nichts zu spüren. Im Gegenteil: Mitte Juli schob sich der DAX auf nahezu 18.800 Punkte hoch. Irre, oder?

Auseinanderdriften der Märkte

Die deutsche Wirtschaft kommt nur sehr langsam in Schwung. Der ifo-Geschäftsklimaindex sank im Juni auf 88,6 Punkte nach 89,3 Punkten im Mai. Auch der Sentix- Index für die Eurozone ist zuletzt deutlich gesunken. Hinzu kommt, dass positive Impulse aus Fernost ausbleiben. Bleiben wir für einen Moment noch bei Deutschland. Das „Fußball-Sommermärchen“ ist vorbei und die Augen sind auf die Olympiade in Paris gerichtet. Ablenkung. Denn fundamental sieht es wirklich nicht rosarot aus. Laut Handelsblatt ist die Zahl der Insolvenzen hierzulande in diesem Jahr stärker gestiegen als erwartet. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres gerieten mehr als 160 Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 10 Mio. Euro in finanzielle Schieflage – ein Plus von 40 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Ob Bauträger oder gar die viel gepriesenen mittelständischen „Hidden Champions“, wirtschaftlich ist eher Selters- statt Sektzeit. Dennoch gehen die Kurse vieler Unternehmen nach oben. Ist das die Ruhe vor dem Sturm?

Der Fairness halber muss man sagen, dass politische Börsen meist kurze Beine haben und das Geschehen in Frankfurt, London oder Washington der eigenen Logik folgt. Mit Blick nach vorne ist trotzdem zu Vorsicht geraten. Kursrücksetzer oder gar Abschwünge kommen ohne Vorwarnung. Und viele Fantasien sind in den jetzigen Börsenkursen bereits eingepreist. Das gilt übrigens auch für die USA. Seit Jahresbeginn hat der technologielastige Nasdaq 100 in der Spitze bis zu 4.000 Punkte auf ca. 20.500 Zähler hinzugewonnen. Atemberaubend. „Nvidia lässt Apple hinter sich – ist ein Ende des Hypes in Sicht?“, titelte das Wirtschaftsmagazin Capital im Juni. Ja, die Künstliche Intelligenz (KI) ist keine Zukunftsmusik, sondern Realität. Doch ob sich alle Probleme mit dieser Technik lösen lassen, bleibt vorerst unbeantwortet. Und aus diesem Grund dürfte wiederum Vorsicht bei manchen exorbitanten Highflyern der jüngeren Vergangenheit angebracht sein. Nicht alle Bäume wachsen sprichwörtlich in den Himmel.

Apropos USA: Der 13.07. ist mit Blick auf die bevorstehende Präsidentschaftswahl Anfang November sicherlich eine Zäsur. Die bedeutsamste Auswirkung des Anschlags auf die Märkte dürfte darin bestehen, dass die US-Wahlen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit internationaler Anleger rücken. Aktuell geht nahezu jeder Kommentar davon aus, dass Trump die Wahl gewinnt. Auch auf Währungsseite ist etwas Bedacht angebracht. Die Erfahrung zeigt, dass der US-Dollar bei innenpolitischen Problemen häufig nachgibt. „Seine typische Funktion als globaler ‚Safe Haven‘ (sicherer Hafen) kann er üblicherweise dann nicht gut wahrnehmen, wenn Probleme aus politischen Unwägbarkeiten im eigenen Land resultieren“, ist einem Marktkommentar der Allianz- GI zu entnehmen.

Umschichten, eher defensiv positionieren

Welche Lehren oder Ratschläge können Sie nun Ihren Kunden mit auf den Weg geben? Nervosität, hektisches Hinund Herschieben der einzelnen Positionen ist sicherlich nicht die Lösung. Auch gibt es keinen Masterplan, das wäre zu einfach. In der Ruhe liegt die Kraft, die für eine gründliche Analyse notwendig ist. Heißt, Gewinne mitzunehmen und an der einen oder anderen Stelle auf ein anderes Pferd zu setzen, kann durchaus in Betracht gezogen werden. Es ist vorstellbar, dass die Schwankungsbreite (Volatilität) an den Börsen im Sommer/Frühherbst an Fahrt gewinnt. Der Euro könnte zum US-amerikanischen Greenback an Wert gewinnen, falls es in den USA unruhiger zugeht. Tech-/KI-Aktien sind teilweise fantastisch gelaufen. Hier könnte ein Umschichten auf defensive Sektoren (Gesundheit, Versorger etc.) attraktiv sein.

Und sollte die Wirtschaft wieder ins Laufen kommen, sind die teilweise chronisch unterbewerteten Nebenwerte mehr als einen Blick wert. Einige Unternehmen wurden in der Vergangenheit derart abgestraft, dass sie aktuell sehr günstig zu haben sind. Doch Augen auf: Günstig ist nicht immer das Kriterium für einen Kauf, wenn das Unternehmen im Markt schlecht positioniert ist. Zu guter Letzt können solide Staatsund Unternehmensanleihen in etwas turbulenteren Zeiten ihre Trümpfe ausspielen. Insofern ist die Sommerzeit 2024 unter Umständen keine Ruhezeit, sondern dafür geeignet, die richtigen Weichen zu stellen, um Enttäuschungen vorzubeugen. (ah)