Vertrag des freien Handelsvertreters: Darauf muss man achten

14.12.2022

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Für eine erfolgreiche Tätigkeit als freier Handelsvertreter kommt es auf eine professionelle Vertragsgestaltung mit den jeweiligen Gesellschaften an. Dabei gilt es, einige Fallstricke zu umgehen.

Freie Handelsvertreter schließen bekanntlich als selbständige Gewerbetreibende für Unternehmen Geschäfte ab. Dafür benötigen sie einen Vertrag mit der auftraggebenden Gesellschaft beziehungsweise Verträge mit mehreren Gesellschaften. Bei der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern heißt es: Verträge mit Handelsvertretern müssen nicht schriftlich abgeschlossen werden. Ein Vertrag kann auch mündlich oder still-schweigend geschlossen werden. Ein Vertrag wird stillschweigend geschlossen, wenn der Handelsvertreter mit Wissen des Unternehmens seine Tätigkeit aufnimmt. Allerdings ist ein schriftlicher Vertrag dennoch zu empfehlen. Er bringt Klarheit über den Vertragsinhalt und hilft getroffene Absprachen zu beweisen.

Das betont auch Tim Banerjee, Rechtsanwalt bei Banerjee & Kollegen in Mönchengladbach und Experte für Vertriebs- und Handelsvertreterrecht an der Schnittstelle zum Arbeitsrecht. „Freie Handelsvertreter sollten keinesfalls auf einen schriftlichen Vertrag verzichten. Der Vertrag gibt beiden Seiten Rechtssicherheit und ist die Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit, der die wesentlichen Sachverhalte regelt. Ein wichtiger Punkt ist die Unabhängigkeit. Freie Handelsvertreter sollten darauf achten, wirklich frei zu bleiben, und das auch vertraglich zu fixieren.“

Achtung bei geschäftlichen Verbindungen

Immerhin gilt: Freie Handelsvertreter im Finanzbereich sind Unternehmer im Sinne des Handelsgesetzbuches. Damit sind sie weisungsunabhängig und für ihre eigenen Strukturen verantwortlich, was Betriebsausstattung etc. angeht. Aber in der Praxis sieht das oftmals anders aus. Handelsvertreter gehen regelmäßig weitreichende geschäftliche Verbindungen mit ihren auftraggebenden Gesellschaften ein. Oft wickeln sie auch Firmenfahrzeug, Vorauszahlungen auf künftige Provisionen, die Finanzierung von Büroausstattung sowie anderen Investitionen oder auch den Abschluss eigener Lebens- und anderen Versicherungen über die Gesellschaft(en) ab, mit der/denen sie zusammenarbeiten.

Das erscheint zwar komfortabel, ist aber nicht unproblematisch. Denn geschäftliche Beziehungen zum Auftraggeber schaffen für freie Handelsvertreter möglicherweise gefährliche Abhängigkeiten. „Diese Risiken liegen auf der Hand. Wer bei seiner Gesellschaft in der Schuld steht, kann nur so lange selbstbestimmt arbeiten, wie es nicht zu Problemen kommt. Das zeigt die Praxis immer wieder. Sobald Schwierigkeiten in der Arbeit des Handelsvertreters auftauchen – die sich ja in der Regel auf mangelnde Vertriebserfolge und in der Folge zurückgehende Umsätze niederschlagen –, werden Gesellschaften die wirtschaftliche/vertragliche Abhängigkeit des Handelsvertreters ausnutzen und zunächst ihre eigenen Forderungen ausgleichen“, warnt Banerjee.

Klare Regelungen entscheidend

Auch Freistellungsvereinbarungen sollten vertraglich sauber geregelt werden. Eine Freistellung bezeichnet im Arbeitsrecht die einseitige Anordnung des Arbeitgebers oder eine einvernehmliche Vereinbarung zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages, einen Arbeitnehmer von der Pflicht zur Erbringung seiner Arbeitsleistung dauerhaft oder zeitweise zu entbinden. Das Instrument wird gerne nach dem Aussprechen einer Kündigung genutzt, falls ein Unternehmen nicht mehr möchte, dass der Mitarbeiter noch weiter tätig wird. „Auch bei freien Handelsvertretern kommt dies regelmäßig vor. Diese sollen nach dem Aussprechen der Kündigung nicht mehr im Namen der Gesellschaft tätig werden. Das kann aber zu rechtlichen Problemen zwischen den Parteien führen, insbesondere hinsichtlich der Vergütung während der Freistellung. Denn der Handelsvertreter kann und wird ja kein Geschäft mehr für die Gesellschaft abschließen und wird daher in seinen Verdienstmöglichkeiten beschnitten“, erläutert Banerjee.

Der Rechtsanwalt warnt davor, dass Handelsvertreter Verträge unterzeichnen, in denen das Thema der Freistellung nicht explizit oder für sie ungünstig geregelt ist. So werden etwa Regelungen verwendet, nach denen der Handelsvertreter im Kündigungsfalle von sämtlichen Boni und Zielerreichungsprämien ausgeschlossen wird, obwohl er diese erreicht hätte. Beliebt sind auch Klauseln, mit denen die Unternehmen die Vergütung kürzen, da der Handelsvertreter angeblich durch die Freistellung Aufwendungen spart. Dies ist gerade in der Finanzdienstleistung aber oft nicht der Fall. Daher sollten Vereinbarungen zur Freistellung für beide Seiten verträglich gestaltet werden, sodass es nicht zu Streitigkeiten kommen kann.

„Diese Klarheit gilt für sämtliche Vertragsbestandteile. Handelsvertreter sollten sich nicht mit gesellschaftsfreundlichen Verträgen abfinden, sondern auf ihren individuellen Rechten bestehen“, meint Banerjee abschließend. (lb)