Versicherungswirtschaft in der Technologie-Klemme

07.09.2015

Die deutsche Versicherungswirtschaft steckt in der Technologie-Klemme. Zu diesem Ergebnis kommt der Versicherungsmakler Aon Risk Solutions in seinem aktuellen Marktreport.

(fw) „Einerseits wird die Versicherungswirtschaft von ihren Unternehmenskunden gefordert: Sie soll die passenden Versicherungslösungen zur Umgestaltung der deutschen Wirtschaft auf dem Weg zur Industrie 4.0 liefern. Andererseits befindet sich die Versicherungswirtschaft selber unter Modernisierungsdruck – ausgelöst durch die Digitalisierung, die andere Branchen bereits radikal verändert hat“, sagt Hartmuth Kremer-Jensen, Mitglied der Geschäftsführung bei Aon in Deutschland.

Laut Kremer-Jensen ist Industrie 4.0 das zentrale Thema für deutsche Unternehmen und ihren Versicherungsschutz. „Industrie 4.0 verändert Produktions- und Lieferabläufe, indem diese vernetzt und automatisiert werden. Nahezu alle bestehenden Arbeits-, Beschaffungs- und Verkaufsprozesse werden durch Industrie 4.0 verändert“, so der Aon-Experte, der die große Herausforderung, die Industrie 4.0 für die Versicherungswirtschaftet bedeutet, betont: „Die Nutzung der neuen Technologien wird stark veränderte Haftungsszenarien zwischen allen Marktteilnehmern zur Folge haben. Bei Ansprüchen aus Schadenfällen wird im Zuge von Industrie 4.0 häufig die Schwierigkeit darin bestehen, festzustellen, wer für den Schaden haftbar gemacht werden kann. Dies wird auch neue Herausforderungen an den Haftpflichtversicherungsschutz stellen.“

Besonders die Überprüfung einer angemessenen Deckung für Schäden aus IT-Nutzung werde für Unternehmen zwingend. Das gelte auch vor dem Hintergrund der zu erwartenden Schnittstellen zur Versicherung von Cyber-Risiken. Denn auch hier sei der Handlungsbedarf der Unternehmen groß. „Die Bedrohung durch Cyber-Kriminalität wächst“, so Kremer-Jensen.

Grundsätzlich sei die Versicherungswirtschaft zwar gut gerüstet, um die Unternehmen bei den Herausforderungen zu unterstützen, die ihnen durch Industrie 4.0 und Cyber-Risiken begegneten. Sie habe aber ihre eigenen Sorgen mit neuen Technologien: Die Digitalisierung habe die Versicherungsbranche erreicht. Längst hätten die Marktteilnehmer zwar verstanden, dass eine Unternehmens-Website nicht ausreiche, um die Kundenbedürfnisse nach zeitgemäßer Kommunikation und Transparenz zu erfüllen. Bei der Umsetzung guter Digitalisierungsstrategien hapere es aber. „Die meisten Anbieter, die vorwiegend im Endkundengeschäft zuhause sind, suchen noch nach dem richtigen Auftritt in den sozialen Medien. Marktteilnehmer, die ihren Schwerpunkt in der Versicherung und Beratung von Unternehmenskunden haben, hoffen unterdessen auf eine gute elektronische Abwicklungsplattform, auf der die vielfältigen Bedürfnisse von Versicherern, Maklern und Kunden gleichermaßen erfüllt werden“, sagt Kremer-Jensen.

Während der Aon-Experte die Versicherungswirtschaft herausgefordert sieht, hat er für deren Unternehmenskunden gute Nachrichten: „Die Kunden werden attraktive Versicherungsangebote erhalten. In den meisten Versicherungssparten sind die Preise stabil oder sogar leicht sinkend.“ Mit einem leichten Preisanstieg rechnet Kremer-Jensen lediglich bei Sachversicherungsrisiken. Obwohl hier bereits die Preise angehoben worden seien, habe sich der Ertrag der Versicherer in der Sachversicherungssparte nicht relevant verbessert, weil hohe Schäden die höheren Einnahmen aus den Preissteigerungen aufgezehrt hätten. Schlechte Nachrichten hat Kremer-Jensen hingegen für das Heilwesen und die Recycling-Branche. „Sie gehören zu den wenigen Bereichen, die nur ein begrenztes Angebot vom Versicherungsmarkt erhalten werden“, so der Aon-Experte.

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