Versicherer kalkulieren mit 142 Jahren Lebenszeit
04.05.2020
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Am 4. August 1997 starb die Französin Jeanne Calmet im Alter von 122 Jahren, dem bislang höchsten Alter, das ein Mensch erwiesenermaßen erreicht hat. Wie eine Berechnung des BdV zeigt, gibt es Versicherer, die in ihrer Renten-Kalkulation von einer noch deutlich längeren Lebenszeit ausgehen.
Die FDP-Fraktion im Bundestag wollte im Rahmen einer Kleinen Anfrage ermittelt, welche Kenntnisse die Bundesregierung über die Rentenfaktoren hat, mit denen die Lebensversicherer die Renten bei Riester- und Rürup-Verträgen kalkulieren und welche Lebenserwartung dabei zugrunde gelegt wird. Wie die Antwort zeigt hat die Bundesregierung zu diesem Thema keine Übersicht. Auch der Bund der Versicherten (BdV) übt seit Jahren Kritik an der Verrentung bei den staatlich geförderten Produkten und empfindet diese als sehr verbraucherunfreundlich. Aus diesem Grund hat der Verbrauchschutzverband die garantierten Rentenfaktoren für eine Rente ab 67 Jahren zwischen 15,21 Euro und 30,20 Euro bei einem Garantiezins von 0,9 % errechnet. Die Ergebnisse zeigen ein Bild, das nur wenig mit der Realität zu tun hat. „Die von den Lebensversicherern unterstellten Rentenfaktoren entsprechen einer Lebenserwartung von 95 bis 142 Jahren“, erklärt BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein. Damit liegen die den Rentenkalkulationen zugrunde liegenden Lebenserwartungen deutlich über den 87 bis 91 Jahren, die das Statistische Bundesamt in seinen Prognosen angibt. Am auffälligsten weicht der Marktführer von den Werten der staatlichen Behörde ab. „Die Allianz kalkuliert sehr intransparent, indem sie in einem einzigen Vertrag mit unterschiedlichen Faktoren kalkuliert und dabei zum Teil eine Lebenserwartung von über 140 unterstellt“, so Kleinlein. Weil die garantierten Renten damit extrem niedrig ausfallen würden, ist laut BdV eine rentable Altersvorsorge unmöglich.
„Wir sehen eine immense Spreizung zwischen 15 und 29 Euro garantierter Monatsrente pro 10.000 Euro angespartem Kapital“, erklärt Versicherungsmathematiker Kleinlein. „Damit haben die Rentenfaktoren deutlich mehr Einfluss auf den Erfolg oder Misserfolg einer Riester-Rente als die Kapitalanlage. Auch wer erfolgreich und viel spart, bekommt trotzdem nur eine niedrige Riester-Rente, weil die Versicherungsunternehmen mit massiv überzogenen Lebenserwartungen kalkulieren“, erklärt Axel Kleinlein.
„Es ist Zeit zu handeln“
Nach Ansicht des BdV sollte die Regierung endlich handeln. So gelte es entweder, die Verrentung der staatlich geförderten Produkte klar zu regulieren oder auf den Verrentungszwang zu verzichten. „Es ist nicht einzusehen, warum Menschen, die ein Arbeitsleben lang gespart haben, ab 67 bevormundet werden und gezwungen sind, das Angesparte bei einem Versicherer zu verrenten“, erklärt Kleinlein. Mit der Basisdepot-Vorsorge hat der BdV vor kurzem eine eigene Weiterentwicklung der geförderten Altersvorsorge vorgestellt (finanzwelt berichtete). Diese basiert darauf, dass alle Sparprodukte grundsätzlich förderfähig sind und nur bestimmten Rahmenbedingungen genügen müssen. Ein Verrentungszwang ist ausdrücklich nicht vorgesehen, eine Verrentungsoption jedoch auch möglich. „Finanzielle Freiheit darf nicht im Alter 67 enden. Wer verantwortungsbewusst gespart hat, soll auch im Alter über das eigene Geld frei entscheiden können“, unterstreicht Kleinlein die Position. (ahu)