„US-Zölle können ein sehr ungleiches Spielfeld schaffen“

31.01.2025

Mark Dowding - Foto: © RBC BlueBay AM

Die US-Staatsanleiherenditen sind in der vergangenen Woche gesunken, nachdem die Veröffentlichung des neuesten Modells für Künstliche Intelligenz (KI) des chinesischen Unternehmens DeepSeek zu Turbulenzen im gesamten Technologiesektor geführt hatte. Es war eine Überraschung, dass dieses Modell eine mit den Programmen der Marktführer Meta und Open AI vergleichbare Leistung erzielt.

Dieses Ergebnis hat es mit weitaus geringeren Kosten und Forschungsausgaben erzielt. Die US-Beschränkungen für chinesische Importe der neuesten Chips werden aber wahrscheinlich verhindern, dass ein Wettbewerber wie DeepSeek die etablierten Marktführer im Bereich KI überholt.

Dennoch waren die Fortschritte von DeepSeek ein Schock. Einige Vertreter der Tech-Branche vermuten sogar einen ähnlichen Moment wie den Start des russischen Sputniks im Rennen um die Vormachtstellung im Weltall, der die Selbstsicherheit der USA erschütterte.

Die US-Technologiewerte wurden auf der Grundlage aggressiver Wachstumsprognosen in Verbindung mit erwarteten boomenden Investitionen in KI-Technologien in den kommenden Jahren auf hohem Niveau gehandelt. Erst vergangene Woche wurde seitens der US-Regierung das KI-Projekt Stargate mit einem Volumen von 500 Milliarden US-Dollar bekannt gegeben. Außerdem wurden die Gewinnprognosen durch Annahmen über hohe Eintrittsbarrieren gestützt.

Wenn jedoch im KI-Bereich Resultate viel günstiger als bisher angenommen von einem bislang wenig bekannten Akteur erzielt werden können, dann könnte dies einige dieser Investitionsannahmen in Frage stellen.

Zeitweise lief der Markt Gefahr, zu sehr an seinen eigenen Hype zu glauben und zuzulassen, dass sich die Bewertungen von der Realität entkoppeln. Die jüngsten Entwicklungen könnten ihn wieder ein Stück weit in die Realität zurückholen. Bislang haben die Gewinne im Technologiesektor jedoch eine starke Dynamik gezeigt.

Eine alternative Interpretation der DeepSeek-Neuigkeiten könnte lauten, dass die USA nun kurzfristig stärker investieren, um ihre Führungsrolle im KI-Sektor unter Beweis zu stellen. So war es beim Apollo-Weltraumprogramm, das in den 1960er-Jahren auf den frühen russischen Erfolg im All folgte.

So oder so: Die Entwicklungen im Technologiebereich und speziell bei KI werden in den kommenden Jahren für die Weltwirtschaft von großer Bedeutung sein und eine Quelle potenzieller Marktvolatilität darstellen.

Ebenfalls interessant zu beobachten war es in der vergangenen Woche, wie die Androhung von Zöllen in Höhe von 25 Prozent seitens der USA gegenüber Kolumbien wirkte: Sie reichte aus, um das Land zur Akzeptanz von Rückführungsflügen mit Migranten zu bewegen, die die Vereinigten Staaten abschieben wollen. Dies zeigt, wie die Handelspolitik zur Unterstützung der breiteren Trump-Agenda eingesetzt werden kann.

Außerdem macht das kolumbianische Beispiel deutlich, wie die US-Zölle ein sehr ungleiches Spielfeld schaffen können. Kolumbien wird immer auf den Zugang zu den USA angewiesen sein, während die Vereinigten Staaten nicht ansatzweise in gleicher Weise von Kolumbien abhängig sind. Hier zeigt sich, wie die bedeutendste und in den Bereichen Nahrungsmittel, Energie und Sicherheit unabhängige Supermacht der Welt bilaterale Handelsstreitigkeiten zu ihrem Vorteil nutzen kann.

Wenn uns die vergangene Woche etwas gelehrt hat, dann das: Manchmal sind es die unbekannten Ereignisse, die den größten Einfluss auf die Märkte haben können. Es scheint, als hätten bis vor ein paar Wochen nur wenige Anleger von DeepSeek gehört – und das zeigt, wie neue Katalysatoren auftauchen und die Märkte auf globaler Ebene beeinflussen können.

Marktkommentar von Mark Dowding, Fixed Income CIO bei RBC BlueBay Asset Management.