Umfang des Tätigkeitsbildes bei Berufsunfähigkeit (BGH)

09.10.2024

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke. Foto: Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Der BGH hatte sich mit der Frage zu befassen, welche Anforderungen an den Umfang des Tätigkeitsbildes in der Berufsunfähigkeitsversicherung zu stellen sind, wenn versicherte Leistungen wegen Berufsunfähigkeit beantragen (BGH, Urt. v. 29.05.2024 – IV ZR 189/23). Der Versicherungsnehmer unterhielt bei dem Versicherer zugunsten seiner Ehefrau als Versicherte eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Versicherte war als selbständige Kommunikationsdesignerin tätig.

Im Juli 2019 machte sie Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung geltend. Grund für die Berufsunfähigkeit war nach ihren Angaben eine seit August 2017 bestehende psychische Erkrankung. Der Versicherer holte daraufhin zwei medizinische Sachverständigengutachten zur Beurteilung der Berufsunfähigkeit ein und lehnte daraufhin die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Der Versicherer gab an, die Versicherte habe den bedingungsgemäßen Beweis der Berufsunfähigkeit nicht erbracht.

Der Versicherungsnehmer erhob daraufhin Klage vor dem Landgericht Neuruppin. Nachdem das Landgericht Neuruppin die Klage abwies (LG Neuruppin, Urt. v. 09.08.2023 – 11 U 278/22), ging der Versicherungsnehmer vor dem Oberlandegericht Brandenburg in Berufung. Nach Zurückweisung der Berufung (OLG Brandenburg, Beschluss v. 09.08.2023 – 11 U 278/22) verfolgte der Versicherungsnehmer sein Klagebegehren mit einer Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) weiter.

Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör des Versicherungsnehmers

Die Revision des Versicherungsnehmers vor dem BGH hatte Erfolg. Der BGH hob den angefochtenen Beschluss des OLG Brandenburg auf und verwies die Sache zurück an das Berufungsgericht. Kernfrage der Entscheidung des BGH waren die zu stellenden Anforderungen an den Umfang des Tätigkeitsbildes der Versicherten (siehe auch: Der ausgeübte Beruf des Versicherten bei Berufsunfähigkeit (BGH)).

Hinwegsetzung über den Antrag des Versicherungsnehmers

Das OLG Brandenburg habe, wie in der Beschwerde des Versicherungsnehmers aufgeführt, den Anspruch auf rechtliches Gehör des Versicherten verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG). Das OLG Brandenburg habe fehlerhaft überspannte Anforderungen an den Nachweis und damit den Umfang des Tätigkeitsbildes der Versicherten gestellt und sich über den Antrag des Versicherungsnehmers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens hinweggesetzt (siehe auch: Darlegung des Berufsbildes bei Berufsunfähigkeit (OLG Dresden)). Art. 103 Abs. 1 GG gebiete in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Eine Nichtberücksichtigung verstoße demnach gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Diese würde auch gelten, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisantrags auf verfahrensfehlerhaften, überspitzten Anforderungen an den Vortrag einer Partei beruhe.