Übernahmen im Cybersecurity-Sektor: Fast nichts geht ohne Thoma Bravo

11.07.2024

Acht von zehn Unternehmen in Deutschland waren im vergangenen Jahr das Ziel von Cyberkriminellen. Durch sogenannte Cyberangriffe, die Datendiebstahl, Spionage oder Sabotage zum Ziel hatten, entstand der Wirtschaft ein Schaden von 148 Milliarden Euro, erklärt der Internet-Branchenverband Bitkom. Kaum verwunderlich, dass der Markt für digitale Sicherheit (Cybersecurity) boomt und auch im vergangenen Jahr erneut von zahlreichen Übernahmen geprägt war.

Ein Grund für die vielen Akquisitionen in dem Sektor sei die schnelllebige Natur der Branche, meint Sébastien Cano, Manager beim Rüstungskonzern Thales, der im Bereich Cybersecurity sehr aktiv ist, in einem Interview mit dem Tagesspiegel. In den vergangenen Jahren sind viele Start-ups entstanden, die sich auf Nischenprodukte spezialisiert haben. Das erhöht jedoch den Aufwand für die Kunden. Sie müssen Software von mehreren Anbietern kaufen und aufeinander abstimmen, um umfassend geschützt zu sein. Vor allem die großen Softwareunternehmen kaufen daher diese kleineren Firmen, um ihre Produktpalette zu erweitern und ihre Kunden aus einer Hand bedienen zu können.

Laut dem Branchenportal SecurityWeek gab es 2023 weltweit insgesamt 413 Fusionen oderÜbernahmen im IT-Sicherheitssektor. Es gibt zudem einen Käufer, an dem man bei einem Blick auf die Branche kaum vorbeikommt: Thoma Bravo. Das US-Unternehmen ist keine der größeren Firmen im Sektor, sondern eine Private-Equity-Gesellschaft, die sich auf Technologie- und Softwareunternehmen spezialisiert hat.

Thoma Bravo verwaltet laut eigenen Angaben rund 140 Milliarden US-Dollar. Der Wert der Cybersecurity-Unternehmen, an denen Thoma Bravo beteiligt ist, beläuft sich auf etwa 47 Milliarden US-Dollar. Zwölf dieser Unternehmen hat der Finanzinvestor im Portfolio. In naher Zukunft dürfte sich die Anzahl weiter erhöhen. Derzeit hat Thoma Bravo ein Übernahmeangebot für den US-Anbieter Everbridge in Höhe von etwa 1,8 Milliarden US-Dollar und für die britischeDarktrace in Höhe von rund 5 Milliarden US-Dollar vorgelegt. Ziel von Thoma Bravo ist es, durch Wachstum und strategische Übernahmen eine langfristige Wertsteigerung bei den Unternehmenzu erzielen.

Ein Weg sind Fusionen innerhalb des Portfolios. So wurden beispielsweise die US-Unternehmen Ping Identity und Forgerock nur wenige Monate nach der Übernahme zusammengeführt, um im Bereich Identitätssicherheit einen größeren Marktanteil zu erreichen.

Im Markt wird deshalb spekuliert, dass Thoma Bravo durch Fusionen innerhalb des Portfolios einen globalen Top-Player im Cybersecurity-Sektor schaffen will. Wir halten das für eher unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist, dass Thoma Bravo seine Expertise nutzt, um aus guten Unternehmen noch bessere Firmen zu machen und sie dann gewinnbringend wieder zu veräußern. Zwei Verkäufe hat Thoma Bravo in diesem Jahr bereits getätigt. Die Sicherheitssoftwarefirma Imperva wurde nach fünf Jahren mit einem Gewinn von gut 70 Prozent an den französischen Rüstungskonzern Thales verkauft. Der US-Anbieter Venafi ging nach einer Haltedauer von 3,5 Jahren mit einem Gewinn von etwas mehr als 30 Prozent an Cyberark.

Unser Fazit: Die vielen Übernahmen im Bereich der Cybersecurity unterstreichen das enorme Wachstumspotenzial der Branche. Aus diesem Grund sollten die M&A-Aktivitäten in dem Sektor hoch bleiben. Thoma Bravo wird dabei eine zentrale Rolle spielen.

Für investierte Anleger sind Übernahmen Fluch und Segen zugleich. Einerseits herrscht Freude, da mit dem Angebot meist der Aktienkurs um einen zweistelligen Prozentwert nach oben geht. Andererseits können sie am künftigen Wachstum des Unternehmens nicht mehr partizipieren. Da es aber schwierig ist, am Gewinn von Beteiligungsgesellschaften wie Thoma Bravo teilzuhaben, sollten Anleger in Einzelaktien, ETFs oder Vermögensverwaltungen im Bereich Cybersecurity investieren. Auf diese Weise können sie vom Wachstum dieser Branche ebenfalls profitieren.

Marktkommentar von Simon Seeser, Junior Analyst, P&S Vermögensberatungs AG in Bayreuth