„Turnaround-Management ist, sich die Hände schmutzig machen.“

19.09.2013

Turnaround-Management ist nichts, nach dem sich Manager reißen. Es ist das Gegenteil von Segeln bei schönem Wetter, von täglich neuen Erfolgsmeldungen und davon, von Geschäftspartnern, Mitarbeitern und Kunden bejubelt zu werden.

Gesellschaften geraten manchmal eben in Schieflagen, auch ohne dass das Geschäftsmodell fehlerhaft war. Das unternehmerische Umfeld kann sich schleichend oder unvorhersehbar radikal verändern. Ob es die Lehman-Krise war, veränderte Doppelbesteuerungs-Abkommen oder fernöstliche Billig-Solarpaneele, die deutschen Arbeitnehmern die Jobs gekostet haben – wir lesen jeden Tag ähnliche Nachrichten. Auch in der Finanzbranche sind Schieflagen derzeit weit häufiger als noch vor einem Jahrzehnt. Unsere Branche ist von der globalen Wirtschaftsentwicklung nicht abgekoppelt, wir spüren sie genauso wie die großen Banken und Versicherungen.

Wenn die Schieflage einmal da ist, dann ist Kärrnerarbeit zu leisten: Zunächst muss die Gesellschaft stabilisiert werden, damit nicht verunsicherte Anleger, vielfach aufgestachelt durch selbsternannte Anlegerschutzanwälte, das ganze Unternehmen zum Schaden aller auseinanderreißen. Kommunizieren, informieren, ehrlich die schlechten Nachrichten auf einen Schlag übermitteln ist wichtig. Eine Salami-Kommunikation, die scheibchenweise eingesteht, was gar nicht mehr zu verbergen ist, ist tödlich.

Gegenüber den Vertriebspartnern gilt es, Sicherheit zu schaffen. Durch koordinierte Kommunikation können Vertrieb und Anleger in ein gemeinsames Boot gebracht werden. Wenn selbsternannte Anlegerschützer Anleger zu Klagen überredet haben, dann ist dem Vertriebspartner Hilfestellung zu geben. Dies kann darin bestehen, die vollständige Vertriebsdokumentation zur Verteidigung bereitzustellen, aber auch darin, Vertriebsschutzanwälte nachzuweisen. Ja, die gibt es – man muss sich nur frühzeitig an sie wenden. Viele Vertriebspartner wissen nicht, dass die Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung nicht erst dann den eigenen Anwalt zahlt, wenn die Klage schon im Briefkasten liegt, sondern schon lange davor.

Ein Turnaround ist kleinteilige Arbeit: Es gilt, Kostenstrukturen zu verschlanken, dass Zeit für eine Sanierung gewonnen wird. Das bedeutet, selber zeitweise ohne Vergütung zu arbeiten, mit Geschäftspartnern um jeden Cent zu feilschen, Verpflichtungen zu reduzieren, Verträge nachzuverhandeln, Zahlungsziele zu verlängern, Forderungen einzutreiben, den Cashflow positiv zu bekommen – und wenn es noch so wehtut.

Einen Turnaround durchzuführen heißt, Demut lernen zu müssen: runter vom hohen Ross, Ärmel aufkrempeln, anpacken. Nicht jeder kommt mit dieser Rolle zurecht. Aber es geht nicht um das Ego, sondern um alle anderen: die Anleger, die Vertriebspartner und das Investitionsobjekt.

Ist es das wert? Monate, Jahre, Problemberge abzutragen und währenddessen Häme und Vorwürfe zu ertragen? Ja, das ist es. Denn nur dem, der ein Schiff durch den Sturm steuern kann, wird langfristig Vertrauen entgegengebracht. Einfach kann jeder.

(Rafael Saorin Hita, CSO und Vorstand Vertrieb bei SHEDLIN CAPITAL AG)

Meinung - Printausgabe 05/2013