Traue keiner Statistik, die Du…
06.02.2018
Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH / Foto: © I.C.M.
Werden Presseartikel, die eine Meinung beinhalten, mit „passenden“ Statistiken unterlegt, erscheinen sie sehr glaubhaft. Es häufen sich derzeit (vielleicht habe ich vorher weniger darauf geachtet) Artikel, die nur einen Teil der „Wahrheit“ darstellen oder die sogar als „seltsame Deutung“ empfunden werden. Man könnte diese Art „Presse“ ebenso als bösartig betiteln, denn auch irreführende Artikel bilden beim Leser Meinung. Es wird also bewusst eine „falsche Meinung“ in Kauf genommen oder sogar provoziert.
So besagt die Arbeitslosenstatistik, dass der Anteil der Arbeitslosen auf ca. 2,4 Mio. gesunken ist, was einer Quote von 5,3 Prozent entspricht. Hört sich gut an. Allerdings werden weitere ca. 3,4 Mio. Personen in der Statistik „Unterbeschäftigung“ geführt, die schwerpunktmäßig Krankheitsfälle und Personen in Arbeitsmassnahmen beinhaltet. In welcher Statistik sie auch auftauchen, arbeitslos sind sie eigentlich alle. Und alle werden aus dem staatlichen Ausgabentopf „Soziales“ (größter Posten im Haushalt) gespeist.
Die gegenseitige Statistik besagt, dass Ende 2017 ca. 44 Mio. Personen gearbeitet haben, verbunden mit dem Lob, dass dies sei die höchste Zahl der in Arbeit stehenden Personen seit zig Jahren - toll. Eine weitere Statistik stellt allerdings auch klar, dass mittlerweile etwa 25 Prozent der Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich beschäftigt sind. Oft muss ein Teil aus diesem Personenkreis mit Zuschüssen unterstützt werden (zum Beispiel Wohngeld). Ebenso oft verbunden mit niederen Einzahlungen in die Rentenkasse, womit die Gefahr der Altersarmut gravierend wächst, zumal die Regierung die Abgaben auf Renteneinkünfte permanent erhöht. Es ist somit scheinheilig, wenn die Politiker vor Altersarmut warnen. Im Prinzip warnen sie vor sich selbst.
Nun kämpfen die Notenbanken seit der letzten Finanzkrise (inzwischen 18 Bill. gedrucktes Geld) gegen die Gefahr der Depression, die bei einer offiziellen Inflationsrate 0,x Prozent auch nicht weit entfernt liegt. Inflation von zwei Prozent in das „Ziel“. Allerdings wird nicht klar zu den Lebenshaltungskosten getrennt. Während der Korb, aus dem die Inflationsrate berechnet wird, willkürlich verändert wird, technische Fortschritte herausgerechnet werden und Gewichtungen dem „gewünschten“ Ergebnis angepasst werden können, muss der Einkäufer der Familie feststellen, dass der Einkaufswagen immer weniger gefüllt ist, wenn er/sie für den gleichen Betrag einkauft, wie vor Jahren.
Der „Berliner Brotpreis-Index“ belegt, dass beim gleichen Bäcker sich das Brot seit Einführung des Euro nahezu verdoppelt hat. Daraus errechnet sich eine Inflationsrate von über sechs Prozent im Jahr. Ähnliches gilt für Kaffee, Butter, Mieten, Wohnungsnebenkosten und anderem. Besonders betroffen sind daher Personen mit einem niederen Einkommen. Deren Ängste und Unzufriedenheit wächst. Eine Statistik, die dies deutlich belegt, ist der steigende Anteil der Stimmen für die AfD.
Am Kapitalmarkt werden die Zinsen auf ein Niedrigstzins Niveau „gepflegt“. Alles wegen der Depression! Bei höchsten Steuereinnahmen und niedrigen Arbeitslosenzahlen eigentlich „unlogisch“. Oder ist es gelogen und die Zinsmanipulation dient doch der Staatsfinanzierungen? Die Verlierer sind die Sparer, die bei Nullzins und einer Inflationsrate von mittlerweile 1,8 Prozent jährlich Kaufkraft verlieren.
Aber jetzt wird uns ja die Zinswende suggeriert. Aber eine Zinswende, die das Wort auch verdient, würde zu Kreditzinsen führen, die zwei bis drei Prozent höher liegen. Wie sollen Italien, Portugal, die USA unter anderen dieses verkraften?
Das ZDF berichtete, dass Russland, das eigentlich pleite sei, die Fußball-WM im Sommer austragen wird. Wikipedia führt allerdings in der Statistik „Schulden im Verhältnis zum BIP“ Russland mit 17,35 Prozent auf Platz 173. Davor liegen die BRD (65 Prozent/Platz 52), USA (108 Prozent/Platz 14), Italien (132 Prozent/Platz 5), das „auf die Beine kommende“ Griechenland (181 Prozent/Platz 2) und Japan (239 Prozent/Platz 1). Während die Politiker von „erfolgreichen Sanktionen“ sprechen, berichtet die „Zeit“ vom russischen 1,8-Prozent-Wachstum. Und die „Welt“ berichtet im Sommer 2016 „Die Reserven der Russen schrumpfen in dramatischem Tempo“, obwohl diese seit 2015 wieder steigen, auf mittlerweile 431,6 Mrd., davon 76,1 Mrd. in Gold.
Wir freuen uns über rekordhohe Exporte, lassen allerdings unerwähnt, dass wir über die Target 2-Salden (aktuell ca. 900 Mrd.) diese teilweise selbst finanziert haben. Auf Nachrichten und Statistiken schnell zu reagieren, kann also für den Kapitalanleger mit einer hohen Fehlerquote verbunden sein. Bei zu großer Leichtgläubigkeit allemal. Wir versuchen Meldungen zu einem Thema auf beiden Seiten abzugleichen. Schließlich hat nicht nur der Käufer Argumente, sondern auch der Verkäufer.
Kolumne von Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH