Tiefe Sorgenfalten
22.10.2014
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Die Idee, mittelständischen Unternehmen den Weg an den Kapitalmarkt zu erleichtern, ist allein als positiv zu werten. Schließlich müssen sich viele Firmen aufgrund strengerer Eigenkapitalvorschriften (Basel III) und einer strikteren Kreditvergabepraxis bei den Banken, nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten umsehen.
Auch auf der Anlegerseite gab es durchaus Bedarf an Anlagealternativen. Das Niedrigzinsumfeld, Börsen mit hohem Rückschlagspotenzial und die Tatsache, dass Anleihen sicherer Schuldner nur noch eine Rendite nahe Null abwerfen, stellten das attraktive Umfeld dar. Ein Name war ebenfalls schnell gefunden: „Mittelstandsanleihe" sollten die Unternehmensanleihen heißen. Das klingt nach Rückgrat der deutschen Wirtschaft und soliden Finanzen. Und der Start war auch durchaus verheißungsvoll. Innerhalb kürzester Zeit entstanden spezielle Marktsegmente. Unter den mittlerweile über 100 Emittenten tauchten zunehmend bekannte Namen auf.
Von der anfänglichen Begeisterung ist heute leider nicht mehr viel zu spüren. Ganz im Gegenteil: Die Zahl der Unternehmen, die das geliehene Geld nicht mehr zurückzahlen können, wächst stetig. Anfangs konnte man noch glauben, dass es nur ein Branchenproblem sei. Schließlich mussten vor allem Firmen aus dem Bereich der regenerativen Energien die Segel streichen und Insolvenz anmelden. Doch das erwies sich recht schnell als Irrtum. Mittlerweile reicht die Liste der Pleiteunternehmen vom Solarmodulhersteller Solar Millennium AG, über den Personaldienstleister hkw GmbH, bis zum Brühwürfelproduzenten Zamek GmbH.
Die Ausfallquote liegt insgesamt bei rund 13 %. Ein beachtlicher Wert, der so gar nicht zu dem etablierten Mittelstand passt, und der deutlich macht, dass bei manchen Anleihen selbst die hohen Zinsen für das dahinterstehende Risiko wohl noch zu niedrig waren. Schließlich sind die Aussichten der Anleihegläubiger, im Fall einer Insolvenz ihr Geld vollständig zurückzubekommen, fast gleich Null. Oft müssen sie sich mit Rückzahlungsquoten von 30 % und weniger begnügen. Besonders schlimm endet die Pleite eines Emittenten für betroffene Anleger häufig dann, wenn ihre Papiere nur nachrangig bedient werden. Das heißt, die Bondbesitzer bekommen erst eine Zahlung, wenn die regulären Gläubiger komplett befriedigt wurden. Ob eine Anleihe nachrangig ist, ergibt sich aus den Anleihebedingungen, die im Wertpapierprospekt enthalten sind.
Und die Negativserie dürfte noch nicht vorbei sein. Um zu prognostizieren, dass im laufenden Jahr weitere Gesellschaften Probleme bekommen, muss man wohl kein Wahrsager sein. Die jährlichen Zinsverbindlichkeiten aus den Anleihen gehen in die Millionen. Noch schlimmer dürfte es allerdings in den Jahren 2015 und 2016 werden. Dann läuft das Gros der aktuellen Unternehmensanleihen aus. Die Firmen müssen also entweder das ausstehende Kapital inklusive noch offener Zinsforderungen komplett an die Investoren zurückzahlen oder eine Anschlussfinanzierung hinbekommen. Wenn die Marktteilnehmer nicht sehr bald neue Ideen zur Refinanzierung produzieren, wird das zugleich für so manchen Emittenten das bittere Ende bedeuten.
Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer DSW
_(Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V.)
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