Sustainable Finance: Was das für Unternehmen und Investoren bedeutet
08.09.2022
Sarah Köpfer, Umweltwissenschaftlerin und Leitung des Kompetenzteams Klimaschutz und Nachhaltigkeit bei der Unternehmensberatung Höppner Management & Consultant GmbH / Foto: © Höppner Management
Der Finanzsektor hat eine enorme Macht bei der Finanzierung und Sensibilisierung für Fragen der Nachhaltigkeit. Sustainable Finance meint Investitions- entscheidungen, die die ökologischen, sozialen und Governance-Faktoren (ESG) einer wirtschaftlichen Aktivität oder eines Projekts berücksichtigen. Investoren erhalten damit Sicherheit für ihre Geldanlage.
Der Kampf gegen den Klimawandel und soziale Ungleichheiten, der Ausbau der Erneuerbaren Energien und alternativer Mobilität, die Förderung von Bildungs- und Geschlechtergerechtigkeit und, und, und: Die Menschheit steht vor großen Herausforderungen, denen sich Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gemeinschaftlich stellen müssen. Der Finanzsektor hat dabei eine enorme Macht bei der Finanzierung und Sensibilisierung für Fragen der Nachhaltigkeit, sei es durch die Ermöglichung von Forschung und Entwicklung alternativer Energiequellen oder die Unterstützung von Unternehmen, die faire und nachhaltige Arbeitspraktiken anwenden. Das Stichwort ist Sustainable Finance. Nachhaltiges Finanzwesen bezieht sich auf den Prozess der Berücksichtigung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Erwägungen (ESG) bei Investitionsentscheidungen im Finanzsektor, was zu langfristigeren Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten und Projekte führt.
Einbezug von ESG in die Entscheidungen von Finanzakteuren
Zu den Umweltfaktoren gehören die Eindämmung der Klimakrise oder die Nutzung nachhaltiger Ressourcen. Zu den sozialen Faktoren gehören Menschen- und Tierrechte sowie Verbraucherschutz und vielfältige Einstellungspraktiken. Governance-Faktoren beziehen sich auf das Management, die Beziehungen zu den Mitarbeitern und die Vergütungspraktiken sowohl öffentlicher als auch privater Organisationen.
Deutsche Bundesbank beschreibt Sustainable Finance so: „Sustainable Finance beziehungsweise Nachhaltigkeit im Finanzsystem bezeichnet den Einbezug von Umwelt-, sozialen und Unternehmensführungsaspekten in die Entscheidungen von Finanzakteuren. Vor dem Hintergrund des Pariser Klimaabkommens sind insbesondere die Eindämmung des Klimawandels und die Anpassung an dessen Folgen in den Fokus gerückt. Die Bankenaufsicht muss in diesem Kontext sicherstellen, dass Nachhaltigkeitsrisiken, inklusive Klimarisiken und Risiken aus dem Übergang in eine nachhaltigere Wirtschaft, von den Instituten in angemessener Weise berücksichtigt werden.“
Sustainable Finance geht nicht ohne Transparenz
Und bei der EU-Kommission heißt es: „Im politischen Kontext der EU wird nachhaltiges Finanzwesen als Finanzierung zur Unterstützung des Wirtschaftswachstums bei gleichzeitiger Verringerung der Umweltbelastung und Berücksichtigung von sozialen und Governance-Aspekten verstanden. Nachhaltiges Finanzwesen umfasst auch Transparenz, wenn es um Risiken im Zusammenhang mit ESG-Faktoren geht, die sich auf das Finanzsystem auswirken können, sowie die Minderung solcher Risiken durch eine angemessene Governance der Finanz- und Unternehmensakteure. Nachhaltiges Finanzwesen spiele eine Schlüsselrolle bei der Verwirklichung der politischen Ziele im Rahmen des europäischen Green Deals sowie der internationalen Verpflichtungen der EU in Bezug auf Klima- und Nachhaltigkeitsziele. Dies geschieht durch die Kanalisierung privater Investitionen in den Übergang zu einer klimaneutralen, klimaresistenten, ressourceneffizienten und fairen Wirtschaft als Ergänzung zu öffentlichen Geldern. Nachhaltige Finanzen werden dazu beitragen, dass Investitionen eine widerstandsfähige Wirtschaft und eine nachhaltige Erholung von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie unterstützen.“
Dieser Ansatz hat Auswirkungen auf Unternehmen. Sie können durch eine tragfähige Sustainable Finance-Orientierung ihre Kapitalmarkt- und Finanzierungsfähigkeit erhöhen. Die G20-Staaten hatten 2021 beschlossen, die großen Unternehmen (ab 1.000 Mitarbeitende) strenger an den Klimaschutz zu binden. Das Stichwort ist „Green Corporates“, also grüne Unternehmen. Die Ausgangslage: Investoren wollen vielfach ihr Kapital nur noch in „Green Corporates“ investiert sehen, sodass Asset Manager überwiegend auch nur noch in diese Unternehmen anlegen können und wollen. Daraus entsteht das Problem, dass Unternehmen, die nicht als grün gelten, kaum noch Möglichkeiten der Refinanzierung haben.
Sustainable Finance ist nicht geschützt beziehungsweise standardisiert
Sustainable Finance bezieht sich somit vorrangig auf Unternehmen und Produkte, die ein ökologisches Ziel verfolgen und insbesondere die Energiewende erleichtern sollen. Das Zusammenspiel von Banken und Wirtschaft von großer Bedeutung für Klimaschutz und Nachhaltigkeit, denn Unternehmensfinanzierungen nach ESG-Kriterien nehmen immer weiter zu.
Das Problem ist, dass Sustainable Finance nicht geschützt beziehungsweise standardisiert ist. Es existiert bislang auch kein standardisiertes Bewertungsschema, was zu unterschiedlichen Ergebnisse im Ranking führen kann. Daher benötigen Unternehmen fachlich tiefe Begleitung und Beratung bei ihren Sustainable Finance-Vorhaben, weil ihre Finanzierungsfähigkeit sonst auf Dauer eingeschränkt werden könnte. Sie müssen für nachhaltige Finanzierungen sowohl die Auswirkungen als auch die Risiken ihrer wirtschaftlichen Ziele analysieren und bewerten lassen. Dafür ist es notwendig, die unternehmerische Tätigkeit hinsichtlich der drei Nachhaltigkeitskriterien genau zu überprüfen.
ESG-Score gibt Auskunft über die tatsächliche Nachhaltigkeitsleistung
Daraus ergibt sich ein ESG-Score, der Auskunft über die tatsächliche Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens gibt. Sie weisen damit nach, wie sie hinsichtlich Umwelt- und Klimaschutz, sozialen und Governance-Kriterien aufgestellt sind, welchen positiven Impact sie dadurch erzielen, welchen konkreten Beitrag sie bei den allgemeinen Nachhaltigkeitsbemühungen leisten und welchen ESG-Risiken sie ausgesetzt sind, beziehungsweise welche ESG-Risiken sie durch ihre Geschäftsmodelle verursachen.
Investoren erhalten ebenfalls Sicherheit durch eine transparente Sustainable Finance-Orientierung. Sie können durch die Überprüfung der tatsächlichen Nachhaltigkeitsleistung ihre Investitionen absichern und sich damit ESG-konform einstellen. Das hilft für die langfristige Stabilität von Investitionen, denn erwiesenermaßen sind nachhaltige Unternehmen wirtschaftlich erfolgreicher.
Gastbeitrag von Sarah Köpfer, Umweltwissenschaftlerin und Leitung des Kompetenzteams Klimaschutz und Nachhaltigkeit bei der Unternehmensberatung Höppner Management & Consultant GmbH