Studie: Ungenutztes Potential in der Wiederanlage

27.04.2015

Die Versicherer und Vermittlungsunternehmer sind auf dem einen Auge blind, wenn es um die Nutzung von geschäftlichem Potential geht. Eine aktuelle Studie zeigt das beim Thema Wiederanlage.

2015-04-28 (fw/db) Die Wiederanlage von auslaufenden Lebensversicherungen kein Geschäft mit Milliarden Euro an Umsatz, obwohl sie das sein könnte. Die Assekuranz und die Vermittler geben sich bislang noch mit sehr wenig Quote zufrieden. Eine aktuelle Studie der globalen Strategieberatung Simon-Kucher & Partners liefert Fakten und zeigt das Potential und die Chancen.

Rund 110 Millionen Euro werden nach Angaben von Canada Life durchschnittlich pro Tag an Kunden auslaufender Lebensversicherungen in Deutschland ausbezahlt. Mit der Wiederanlagequote (WAQ) dieser Gelder sieht es eher mau aus.

Die Bedeutung des Themas habe zwar bei über 40 Prozent der befragten Versicherungsmanager im Vergleich zu 2014 zugenommen, es würde aber nur jeder siebte Vertrag (15 Prozent) wiederangelegt. Die Mehrheit der Versicherer scheint mit dieser niedrigen WAQ zufrieden zu sein. Mehr als zwei Drittel der Versicherer mit einer WAQ von weniger als 10 bis 20 Prozent schätzen dieses Ergebnis für sich selbst als „gut“ bis „sehr gut“ ein.

„Diese Haltung ist sehr selbstbewusst. Zu selbstbewusst“, sagt Dr. Dirk Schmidt-Gallas, Member of the Board bei Simon-Kucher. Die Besten der Studie würden Quoten von über 30 Prozent erzielen. „Eine WAQ von 25 Prozent ist für jeden guten Versicherer realistisch und erstrebenswert“, verdeutlicht Dr. Schmidt-Gallas.

**Vertrieb und Wiederanlage-Lösungen sind mittel bis schlecht

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Änderungen in Verkaufsprozessen, Wiederanlage-Lösungen und Kundenkontakt müssen bei der Assekuranz zugelassen und ganzheitlich konsequent umgesetzt werden, empfehlen die Autoren der Studie. Die Versicherer erkennen zwar Verbesserungspotenzial im Vertrieb glauben jedoch, dass die Lösungen für die Wiederanlage nicht attraktiv genug seien.

Die niedrigen Marktzinsen könnten hier wohl den Handlungsspielraum einschränken, vermutet Studienleiter Frank Gehrig, Director bei Simon-Kucher. Das lässt der Experte aber nicht als Ausrede gelten.

„Auch in der Niedrigzinsphase ist eine Verbesserung der WAQ möglich. In der Selbsteinschätzung sieht sich die Hälfte der Befragten in den Bereichen Verkauf und Produktangebot als mittel bis schlecht. Die Kundenbeziehung wird vertriebsseitig nur ad hoc und nicht langfristig betrachtet. Das ist gefährlich, ein unstrukturiertes Vorgehen ist pures Gift für die WAQ“, warnt Experte Gehrig.

Laut der Studie ist das Produktportfolio im Bereich Wiederanlage aus Kundensicht nicht attraktiv und die Angebote unflexibel. Als Ursache machen die Befragten auch die unzureichende Schulung der Vertriebsmitarbeiter in Sachen Wiederanlagegespräche aus.

„Vertriebsmitarbeiter sind entsprechend wenig motiviert, die Wiederanlage erfolgreich umzusetzen“, ergänzt Gehrig.

**Ziele ganzheitlich verfolgen

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Aufgrund dieser Selbsteinschätzung wundert es die Experten von Simon-Kucher nicht, dass sich die Versicherungsmanager vermutlich auf einer WAQ von 15 Prozent ausruhen. Um auf das erstrebte Viertel zu kommen, müssen die Versicherer noch stark nachbessern. Es gilt, die Kundenbeziehung über den gesamten Lebenszyklus systematischer zu steuern. Weiter müssen Verkaufsprozesse angepasst oder neu eingeführt werden und eine Verkaufsgeschichte (Sales Story) für den Vertrieb geschaffen werden. Produktseitig bieten sich neue Produkt-Mehrwerte an, die speziell auf das Thema Wiederanlage zugeschnitten sind.

„Versicherer müssen ein klares Ziel für die Steigerung der WAQ formulieren und die notwendigen Hebel in Verkauf, Prozessen, Produkten und Kundenbeziehungen stellen. Entscheidend ist ein ganzheitlicher Ansatz: vereinzeltes Stückwerk wird nicht zum durchschlagenden Erfolg führen“, rät Schmidt-Gallas.

finanzwelt-Fazit: Die Wiederanlage ist nicht nur bei der Assekuranz eine Schwachstelle, sondern auch bei den Vermittlungsunternehmern und Versicherungsmaklern. Viel zu oft seien die Manager im Vertrieb und die Vermittlungsunternehmer auf das Neugeschäft konzentriert und übersehen dabei leicht die enormen Chancen im Kundenbestand. Diese Blindheit auf einem Auge ist nicht nur teuer, sondern öffnet den Mitbewerbern zu viele Chancen.

Dietmar Braun