Spannungsfeld Immobilien-Investmentmärkte
03.07.2016
Dr. Frank Pörschke
Der Brexit wird Spuren in Europa hinterlassen. Wirtschaftliche. Aber auch politische. Einige Forschungsinstitute reduzieren ihre ohnehin schon schwachen Wachstumsaussichten.
(fw/rm) "Sehr viel wird aber davon abhängen, wie schnell der Austritt gelingt, wie geregelt der zweijährige Ausstiegsprozess vonstattengeht und welchen Status Großbritannien letztendlich erhält," so Dr. Frank Pörschke, CEO JLL Germany. Pörschke weiter: "Kurzfristig werden auch hierzulande die Finanzmärkte nervös bleiben. Damit bleibt auch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank de facto für die nächsten Jahre manifestiert. Je nach Fortgang der Verhandlungen wird die Zentralbank ihre Politik des billigen Geldes nicht nur fortsetzen, sondern mit Hilfe einer Ausweitung des Anleiheankaufsprogramms sogar möglicherweise nochmals ausweiten. Insofern ist davon auszugehen, dass das aktuell niedrige Zinsniveau auch die nächsten drei bis vier Jahre fixiert ist. Denn neben dem Brexit gilt es, auch die anderen immer noch schwelenden Risikoherde im Auge zu behalten. Für Europa und auch für Deutschland ist dabei insbesondere die Wachstumsschwäche in den Schwellenländern und vor allem in China zu nennen. Ein "hard landing" in China hätte viel größere negative Effekte auf die exportorientierte deutsche Wirtschaft und würde sich in deutlich abgeschwächten Wachstumsraten niederschlagen."
Deutschlandweites Transaktionsvolumen zum Halbjahr nicht mehr mit der Dynamik des Vorjahres
Nachdem bereits im ersten Quartal ein im Jahresvergleich schwächeres Transaktionsvolumen konstatiert werden musste, hat sich auch das zweite Quartal auf einem ähnlichen Niveau eingependelt. In der Summe schlägt für das erste Halbjahr 2016 ein deutschlandweites Transaktionsvolumen gewerblich genutzter Objekte von 18 Mrd. Euro zu Buche. Gegenüber dem Vorjahreshalbjahr hat sich das Minus mittlerweile auf 25 Prozent erhöht, in erster Linie zurückzuführen auf ein nicht vorhandenes adäquates Angebot. "Es lassen sich auch zur Jahresmitte keine Anzeichen erkennen, dass eine rückläufige Nachfrage ursächlich hierfür gewesen ist. Fakt ist aber, dass die Transaktionsprozesse sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und Objekte sehr genau geprüft werden. Das ist zwar nicht neu, ist aber im aktuellen Marktumfeld und der daraus entflammenden Blasendiskussion wichtig, immer wieder zu betonen", so Timo Tschammler, Member of the Management Board JLL Germany. Tschammler weiter: "Aus unserer Sicht werden von den Verkäufern mittlerweile auch nur diejenigen Objekte und Portfolien in den Verkaufsprozess gebracht, die in Bezug auf ihre Ausstattung, ihren Vermietungsstand und ihren Standort erfolgreiche Vermarktungsaussichten haben."
Große Transaktionen sind nach wie vor gefragt
Im ersten Halbjahr 2016 können 29 mit einem jeweiligen Volumen von 100 Mio. und mehr bilanziert werden, damit knapp ein Drittel (5,8 Mrd. Euro) des bundesweiten Transaktionsvolumens abbildend. Tschammler: "Inwieweit sich im zweiten Halbjahr mögliche Brexit-Folgen auch auf dem Investmentmarkt zeigen werden, bleibt abzuwarten. Einerseits gibt es erste Anzeichen, dass asiatische Investoren ihre gesamten europäischen Investmentaktivitäten überprüfen. Sie sehen Europa als Ganzes und deshalb könnte auch Deutschland von einer rückläufigen Nachfrage aus dieser Region betroffen sein." Und weiter: "Andererseits erscheint es möglich, dass sich Investoren aufgrund der unklaren und unsicheren Situation in Großbritannien mehr auf Kontinentaleuropa fokussieren und Kapitalströme dann auch nach Deutschland umgeleitet werden. In dieser komplexen Gemengelage ist es schwierig, eine stichhaltige Prognose für das Gesamtjahr zu treffen. Die zu Beginn des Jahres prognostizierten 50 Mrd. Euro erscheinen angesichts des Halbjahresergebnisses allerdings kaum mehr realisierbar, auch wenn sich einige große Transaktionen in Verkaufsprozessen befinden." Für die ersten sechs Monate bleibt festzuhalten, dass ausländische Investoren ihre Aktivitäten in Deutschland im zweiten Quartal wieder leicht erhöht haben, der Anteil für das erste Halbjahr dürfte sich aber deutlich unter 50 Prozent bewegen. Allein bei den großen "Tickets" über 100 Mio. Euro ergibt sich ein leichtes Übergewicht der ausländischen Investoren. In Bezug auf die Kapitalherkunft finden sich die üblichen Kapitalquellenländer Großbritannien, USA oder Frankreich.
Überproportionaler Rückgang bei Portfolios - Breite Streuung von Akteuren und Assetklassen
Zwar haben die Abschlüsse im Portfolio-Segment im zweiten Quartal wieder etwas zugenommen, dennoch entfallen rund 72 Prozent (13,1 Mrd. Euro) des gewerblichen Transaktionsvolumens im ersten Halbjahr 2016 auf Einzeltransaktionen. Für Portfolios verbleiben 4,9 Mrd. Euro, gleichbedeutend mit einem Minus von 43 Prozent zum Vorjahreshalbjahr. 17 Portfolio-Transaktionen mit jeweils mehr als 100 Mio. Euro wurden im ersten Halbjahr verkauft, diese Verkäufe machen allein 73 Prozent des gesamten Portfoliovolumens aus. Auffällig dabei ist die breite Streuung, von Hotel-Portfolios über Fachmarktzentren und Fachmärkte bis hin zu Pflegeheimen sind alle Assetklassen in den Top 10 vertreten. Ebenso breit ist die Streuung der Käufer dieser Portfolios, von den klassischen institutionellen Investoren wie Versicherungen bis hin zu Privat Equity Fonds. Ein Spiegelbild der diversifizierten Investorenprofile im deutschen Markt und ein Spiegelbild des Wunsches und der Notwendigkeit, das jeweilige Portfolio möglichst breit und über alle Assetklassen hinweg aufzustellen. In Bezug auf die Assetklassen entfallen rund 42 Prozent (etwa 7,6 Mrd. Euro) auf Büroimmobilien, gefolgt vom Einzelhandel mit 23 Prozent (4,1 Mrd. Euro). Die verbleibenden Anteile verteilen sich auf Hotelimmobilien mit fast 12 Prozent, auf Lager-/Logistikimmobilien mit gut 10 Prozent, gemischt genutzte Immobilien (ca. 5 Prozent) sowie andere Assetklassen und Entwicklungsgrundstücke, die zusammen auf 7 Prozent des Volumens kommen. "Die derzeit rund laufenden Büro-Vermietungsmärkte sind eine gute Basis für Investitionen in die Assetklasse Büroimmobilie und ziehen immer häufiger auch Investoren an, die ein höheres Risiko hinsichtlich Lage und Vermietungsstand akzeptieren", betont Tschammler. Und weiter: "Gerade für Büroimmobilien gilt, dass der laufende Miet-Cash Flow für Investoren immer wichtiger wird, denn nur so lassen sich zukünftig gute Erträge erwirtschaften. Vor diesem Hintergrund ist es zwingend erforderlich, dass sich der Fokus der Investoren auf die Mieter und die Nutzer und deren Anforderungen richten muss." In diesem Zuge gelte es auch zu hinterfragen, ob althergebrachte Denkmuster aufrechterhalten werden können. "Nicht wenige Investoren stellen sich bereits heute die Frage: Was ist nachhaltiger, ein traditioneller 10- Jahres-Mietvertrag mit einer Bank oder ein 5-Jahres-Vertrag mit einem Business Center-Betreiber?" so Tschammler.
Transaktionsvolumen in den Big 7 und außerhalb der Hochburgen sinkt gleichermaßen - Hamburg markiert positive Ausnahme
Nachdem sich zum ersten Quartal das Transaktionsvolumen außerhalb der Big 7 im Jahresvergleich noch stabil zeigte, liegt es nun genauso wie das Ergebnis der Big 7 um rund 26 Prozent im Minus. Zum Halbjahr summiert sich das Transaktionsvolumen in den Big 7 zusammen auf 9,6 Mrd. Euro. Nur eine Stadt stemmt sich gegen diesen Trend. In Hamburg legte das Transaktionsvolumen um 10 Prozent auf 2,1 Mrd. Euro zu. Erstmals setzt sich der Norden damit an die Spitze im Ranking der Big 7 untereinander. In den anderen Hochburgen beläuft sich das Minus im Bereich zwischen 12 Prozent in Stuttgart und bis zu 53 Prozent in Köln. Selbst in Berlin, die letzten Quartale immer mit Erfolgsmeldungen, sank das Transaktionsvolumen um ein Drittel auf etwas über 2 Mrd. Euro - ein im 5-Jahresvergleich sehr gutes Ergebnis (1,56 Mrd. Euro).
Kräftige Renditekompression - wird "3" die neue "5" bei Büroimmobilien?
Der im ersten Quartal beobachteten Verschnaufpause bei der Renditeentwicklung folgt in den Monaten April bis Juni eine kräftige Renditekompression. Im Bürobereich sind die Netto-Anfangsrenditen im Mittel über alle Big 7 erstmals unter die 4 Prozent-Marke gerutscht. Im Schnitt werden aktuell 3,93 Prozent erzielt, ein Rückgang um 20 Basispunkte im Vergleich zum ersten Quartal des Jahres und zugleich die stärkste Renditekompression innerhalb eines Quartals seit 2000. Büroimmobilien kommen in ihrem Preisgefüge damit dem typischen High Street Objekt mit Einzelhandelsnutzung in den 1A-Lagen der Städte immer näher. Hier liegen die Spitzenrenditen im Mittel der Big 7 bei 3,70 Prozent und auch hier gab es einen, wenn auch nur leichten, weiteren Renditerückgang (um 5 Basispunkte). Dies trifft auch auf die anderen Einzelhandelsprodukten zu: Für Shopping Center und Fachmarktzentren reduzierten sich die Renditen um jeweils 15 Basispunkte auf nunmehr 4,1 Prozent bzw. 5,10 Prozent, während einzelne Fachmärkte bei 5,50 Prozent verharrten. Nach den teilweisen kräftigen Renditeabschlägen in den vergangenen Quartalen zeigten Lager-/Logistikimmobilien aktuell keine Bewegung, hier werden nach wie vor im Mittel über die Big 7-Logistik-Regionen 5,27 Prozent erzielt. "Ein Ende des Preisauftriebs ist kurz- und mittelfristig noch nicht abzusehen und wird sicherlich noch so lange anhalten, bis ein Ende der "Null-Zins-Politik" der EZB zumindest abzusehen ist", so Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. Und weiter: "Mit dem Brexit-Votum wurden aber nun gerade Fakten geschaffen, die ein Ende der lockeren Geldpolitik erneut auf unbestimmte Zeit verschoben haben. Dies in Kombination mit der daraus entstehenden Unsicherheit treibt Investoren in sichere Anlagehäfen wie Immobilien und hier vor allem in die typischen Core-Büroimmobilien in den Big 7." Im DAX 30 ließ sich diese Entwicklung sehr gut ablesen, immerhin lagen die Aktien des Immobilienunternehmens Vonovia im Ein-Wochenvergleich im Plus. Auch wenn es sich bei der Vonovia um ein Wohnimmobilienunternehmen handelt, zeigt es doch, dass gerade jetzt eher defensive und konservative Anlagen nachgefragt werden. Das gilt sowohl für die indirekte Aktienanlage als auch für die direkte Anlage in Gewerbeimmobilien. Die kräftige Renditekompression zum Halbjahr macht sich sehr deutlich in den Büro-Kapitalwerten bemerkbar. Im Ein-Jahresvergleich ergibt sich über alle Big 7 hinweg ein kräftiges Plus von 14 Prozent. Allein im zweiten Quartal stiegen die Werte um 6,9 Prozent an, das ist der stärkste Quartalsanstieg seit Ende 2006. "Da wir bis Ende des Jahres einen weiteren Rückgang der Renditen um 10 Basispunkte erwarten, gleichzeitig auch die Spitzenmieten um 3 Prozent steigen werden, wird das Wachstum der Kapitalwerte auch in diesem Jahr zweistellig ausfallen und mit knapp 12 Prozent das Vorjahr noch einmal toppen", so Scheunemann. www.jll.de