So können Berater vom Widerrufsjoker profitieren
15.11.2019
Dr. Gerrit W. Hartung, Gründer und Geschäftsführer Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH / Foto: © Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung beziehungsweise Widerrufsinformation durch den Finanzierungspartner führt unter bestimmten Voraussetzungen zum Widerrufsjoker. Damit können Vermittler und Berater in der Praxis großen Nutzen für ihre Kunden stiften.
Mit dem Widerrufsrecht hat der Gesetzgeber einen Schutzmechanismus für private Verbraucher geschaffen. Damit können sie innerhalb von 14 Tagen nach Abschluss eines Vertrages ohne Gründe und finanziellen Schaden von demselben zurücktreten. Das gilt für Kauf- und Darlehensverträge aller Art – auch wenn diese sehr großvolumig sind, beispielsweise eine Immobilienfinanzierung.
Aber in vielen Fällen haben Unternehmen die gesetzlich verpflichtende Widerrufsbelehrung inhaltlich und/oder formal nicht korrekt gestaltet oder sogar völlig darauf verzichtet. Daraus folgt, dass die Widerrufsfrist von 14 Tagen gar nicht erlischt und Verträge damit dann zunächst zeitlich ohne Begrenzung widerrufen können. Diese fehlerhafte Widerrufsbelehrung beziehungsweise Widerrufsinformation durch den Finanzierungspartner (in der Regel eine Bank) führt für Kreditnehmer unter bestimmten Voraussetzungen zum sogenannten Widerrufsjoker. Diese Möglichkeit haben sowohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) als auch der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt. Im Visier stehen die Darlehen, die nach Juni 2010 mit privaten Kunden abgeschlossen worden sind. Die Bundesbank beziffert das ausstehende Volumen der Baufinanzierungen auf 1,2 Billionen Euro. Ein großer Teil dieser Kredite kann von den Kunden widerrufen werden.
Darlehensvertrag mit hoher Verzinsung abstoßen
Durch dieses gerichtlich bestätigte Werkzeug erhalten Verbraucher eine interessante Möglichkeit, einen älteren Darlehensvertrag mit einer hohen Verzinsung abzustoßen und dann im Anschluss neu zu wesentlich günstigeren Konditionen zu finanzieren. Dies ist aufgrund des aktuellen Niedrigzinsumfelds besonders attraktiv: Haben Käufer beispielsweise in den letzten Jahren zu fünf oder sechs Prozent ihren Hauskauf finanziert, können sie einen Neuvertrag nach dem Widerruf des bestehenden Darlehens zu einem heute marktüblichen Satz abschließen. Je nach Bonität des Kreditnehmers kann der Zinssatz aktuell bei unter ein Prozent liegen, aber regelmäßig in jedem Falle bei unter zwei Prozent. Das macht eine wesentlich schnellere Rückzahlung möglich und kann Häuslebauern mehrere 10.000 Euro sparen. Der Eigentümerverband Haus & Grund weist übrigens darauf hin, mehrere Millionen Darlehensverträge mit falschen Widerrufsbelehrungen widerrufsfähig seien.
Wie das Rechtsinstitut der Verwirkung ausgeschlossen werden kann, lesen Sie auf Seite 2