Sie kamen, sahen und wollten siegen

21.06.2024

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Die InsurTechs beugen sich den Bedingungen des Versicherungsmarktes. Etliche Start-ups wollten mit neuer Insurance Technology die Versicherungswirtschaft disruptiv revolutionieren und sorgten in den Führungsetagen der Vermittler und Versicherer für Wirbel. Der große Sturm blieb zwar aus, aber frischer Wind wehte durch die Branche bis in die Büros der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, oder kurz BaFin.

Von einigen Innovationen profitieren heute die Versicherungsmakler, welche sich zuvor noch als potenzielle Gegner im disruptiven Ideenfokus befanden. Für den Erfolg binden die einstigen Revolutionäre mittlerweile Makler in ihre Geschäftsmodelle ein oder etablieren sich sogar selbst als Versicherungsmakler.

Gekommen, um zu bleiben

In den 2010ern ploppten viele Start-ups mit neuen Ideen auf. Bessere IT-Lösungen für eine schlankere Abwicklung der Versicherungsprozesse und mehr Kundennähe sollten der lahmen Versicherungsbranche wieder Beine machen. Mehr Rechnerleistung, Apps im Aufwind und Akzeptanzdefizite zwischen den Versicherten und Risikoträgern beflügelten die Investoren der Start-ups. Statt auf niedrige Kapitalzinsen und unsichere Börsengeschäfte setzten die Kapitaleigner auf erfolgversprechende Digitalinnovationen in der lukrativen Versicherungsbranche. Was Einzelhändler, Essenslieferanten und Personenbeförderer umkrempelte, sollte ebenso bei den ohnehin ungeliebten Versicherungen funktionieren. Die Besonderheiten des Versicherungsgeschäftes außer Acht lassend sprangen finanziell bestens ausgestattete Start-ups ins kalte Wasser. Etwaige Warnungen aus der Versicherungsbranche nahmen die frischgebackenen Unternehmen als den Schwanengesang einer untergehenden Spezies wahr. Regulatorische Hindernisse wie beispielsweise zum Schutz der Daten und Versicherten sorgten für ersten Unmut in Start-up-Kreisen. Solche Regulatorik war für Etablierte und somit Schnee von gestern. Für Politik und Versicherungsaufsicht brachten die Start-ups schlummernde Gefahren mit sich. Neue App-Anwendungen und umfangreichere IT-Lösungen erhöhten die Missbrauchsmöglichkeiten durch Cyber-Kriminelle. Die sich stetig verschärfende Cybergefahrenlage traf ebenfalls andere Branchen. Hoher Geldumschlag sowie sensible Konto- und Gesundheitsdaten lockten jedoch das digitale Verbrechen zunehmend in die Versicherungsbranche. Datenschützer, Finanzaufsichten sowie Gesetzesgeber sorgten in Deutschland und Europa für immer gewissenhaftere Rechtsauflagen. Für Start-ups, die selbst oder über Verbände vergeblich auf weniger Rechtsbeschränkungen drängten, entpuppten sich die schärferen Gesetze als Kostentreiber und Showstopper. Zudem hatte die geplante Jungkundschaft weniger Interesse an digitalen Versicherungen, sondern vielmehr an günstigen Schnäppchen in Onlineshops oder am Urlaubsflug mit Hotel aus dem Reiseportal.

Wunsch und Wirklichkeit

Der wirtschaftliche Erfolg vieler disruptiver Geschäftsmodelle blieb hinter den hochgesteckten Erwartungen zurück. Wie die Steuererklärung oder ein Zahnarztbesuch gehören Versicherungen zu den ungeliebten Notwendigkeiten. Die eigene Risikoabsicherung oder gar ein Setzen von Versicherungsprioritäten bei schmalerem Geldbeutel stehen oftmals hinten an. Start-ups konnten in einigen Situationen mit konkret entstehendem Versicherungsbedarf punkten. So avancierten z. B. der Reiseschutz zur Urlaubsbuchung, Garantien bei Technikkäufen oder billige Fahrzeugversicherungen aus dem Vergleichsportal zu den Onlinelieblingen. Die vorhergesagten Disruptionen blieben aus. Allerdings stellten sich die Versicherer auf den Wandel ein. Neue Apps, übernommene Start-ups oder zumindest deren Ideen sowie relaunchte Webseiten sorgten für digitale Kundenkontakte und Interessenten. Prognosen und Ausblicke zum digital verursachten Vermittlerrückgang bewahrheiten sich nicht. Signifikante Rückgänge folgen aus dem Alter der Vermittler und fehlendem Berufsnachwuchs. Die etablierten InsurTechs, zum Teil mit neuen Eigentümern, Entscheidern und Geschäftsmodellen, stehen voraussichtlich vor rosigeren Zeiten. Persönliche Beratungen etwa für eine betriebliche und private Absicherung im Alter, für die Pflege oder nach Arbeitskraftverlust dürften immer knapper ausfallen. Digitale Unterstützungen, welche der Beraterentlastung dienen, haben Zukunft. Die Geschäftsmöglichkeiten sind weit gefasst und umfassen alle Prozesse im Neugeschäft, in der Bestandsbearbeitung sowie für das Schadenmanagement. Der Haken: Neben hoher IT-Affinität ist umfassende Fachkompetenz in den Versicherungssparten samt den zugehörigen Arbeitsprozessen notwendig. Ohne diese althergebrachten Skills könnten auch angepasste Geschäftsmodelle der etablierten InsurTechs noch scheitern.

Zurück in die Zukunft

Das Investorengeld sitzt nicht mehr so locker. Die Phase, in der digitale Jungunternehmen mit sogenannten Cash-Burn-Rates von den tiefroten Gewinn- und Verlustrechnungen ablenken, geht einem Ende zu. Weniger investiertes Kapital gegenüber Vorjahren bzw. Vormonaten zu verbrennen, ist erst dann ein Erfolg, wenn die Gewinnzone absehbar erreicht wird. Die Investorenseite gibt sich entsprechend zugeknöpft. Einige Experten rechnen in Folge von Geschäftsaufgaben, Übernahmen und Zusammenlegungen mit einer weiterhin schrumpfenden Zahl von InsurTechs. Verhältnismäßig wenig Player kommen ohne Neuinvestoren aus, um alle finanziellen Herausforderungen aus Fachkräftemangel, IT-Fortschritt und Regulatorik zu stemmen. Die Kriege, Krisen und Konjunktur zehren zusätzlich an den Erträgen der InsurTechs, was ebenso für viele Vermittler und Versicherer zutrifft. Die InsurTechs sind auch hier längst in der realen Versicherungswelt angekommen. (gg)