SexTech: Boomende Branche, zu wenige Investoren

11.03.2021

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„Ich ficke, du fickst, er fickt, wir alle ficken,“ deklinierte einst der legendäre Autor und Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki. Sexualität betrifft uns alle, dementsprechend riesig ist das Marktpotenzial. Befeuert durch Corona boomt die SexTech-Branche schon jetzt, es gibt viel Spielraum für weiteres Wachstum, aber die Investoren fehlen (noch)! Warum?

Man sollte doch meinen, dass überzeugende Zahlen reichen, um Anleger auf Touren zu bringen. Doch anders als die Produkt-Kategorie scheint SexTech als Investment tatsächlich relativ jungfräulich. In unserer Recherche haben wir z.B. keine einzige Aktiengesellschaft in dem Segment gefunden. Sollte es tatsächlich welche geben, dann erschreckend wenige. Dabei betrug allein für Sexspielzeug der weltweite Markt 2019 rund 27 Milliarden Dollar. Bis 2023 soll der Umsatz laut Marktforschungsinstitut Technavio auf ca. 34 Milliarden Dollar steigen.

Weniger Scham, mehr Umsatz

Zu SexTech gehört aber weit mehr: alles vom klassischen Gleitgel über Vibratoren bis hin zu futuristischen Sex-Robotern und Virtual Reality Pornos. Die Oberkategorie heißt „Sexual Wellness“ und umfasst aktuell ein Volumen von 50 Milliarden Dollar, das laut einigen Experten-Prognosen auf 122 Milliarden Dollar in 2026 steigen wird. Der Corona-Lockdown samt Langeweile und Einsamkeit hat bereits für einen kräftigen Schub gesorgt. Das berichtet u.a. die Wow Tech Group, die zu den weltweit führenden Anbietern von Liebesprodukten gehört. Im Zeitraum von März bis Juni 2020 verkaufte das Unternehmen 97 Prozent mehr Modelle ihres Marken-Vibrators als noch im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Auch andere Hersteller wie Amorelie oder Fun Factory haben ein starkes Wachstum beobachtet.

Nach der Pandemie dürfte sich der Trend fortsetzen. Schließlich seien die Menschen sexuell immer offener und im Alltag generell immer mehr an Technologie gewohnt. Davon ist die Kommunikationschefin der Wow Tech Group Europe, Johanna Rief, im Gespräch mit ntv.de überzeugt. Auch SexTech-Unternehmerin Andrea Barrica sieht den Wandel der Zeit auf ihrer Seite. Zum ersten Mal in der Geschichte gebe es in den USA mehr Single-Frauen als Ehefrauen – und Single-Frauen gehören zur Kernzielgruppe. Barrica glaubt außerdem, die Lockerung des Diskurses über sexuelle Orientierung sei ein großer Wendepunkt, denn je weniger Scham die Menschen empfinden, desto eher kaufen sie auch SexTech-Artikel. Dabei setzt Barrica vor allem auf die jungen Generationen der Millenials und der Generation Z, die nach ihnen kommt.

Warum es (noch) zu wenige Investoren gibt

Die meisten Investoren sind allerdings ältere Männer. Manche von ihnen verstehen schlicht die Materie nicht. Andere lehnen ein Investment aus moralischen Gründen ab. Oder aber, sie arbeiten für konservative Investitionshäuser, die Kapital nicht in „Laster“ anlegen. Barrica beklagt, dass Sexual Wellness von den entscheidenden Akteuren in Bildung, Social Media, Finanzen und Wagniskapital noch nicht als Gesundheitsthema ernstgenommen werde. Im besten Fall werde es als „Genuss“ eingestuft, im schlimmsten Fall in einen Sack gesteckt mit illegalen Drogen, Waffenhandel und Glücksspiel. (sh)