Sanieren, modernisieren, motivieren
19.12.2024
Mario Münch (li.), Nachhaltigkeits-Beauftragter im Vertrieb Immobilienfinanzierung, Thomas Hein (re.), Leiter Vertrieb Immobilienfinanzierung, ING Deutschland / Foto: © ING Deutschland
Die Baufinanzierungsbranche blickt nach einer wirtschaftlich herausfordernden Phase optimistisch in die Zukunft – falls die Politik mitspielt. finanzwelt sprach mit Thomas Hein, Leiter Vertrieb Immobilienfinanzierung, und Mario Münch, Nachhaltigkeits-Beauftragter im Vertrieb Immobilienfinanzierung bei der ING Deutschland.
finanzwelt: Zum ausklingenden Jahr 2024: Wie ist die Stimmung in der Wohnimmobilienwirtschaft – vor allem auch vor dem Hintergrund der zahlreichen globalen Krisen?
Thomas Hein» Die globalen Krisen sind natürlich da. Und auch zum Wirtschaftsstandort Deutschland gibt es aktuell nicht nur positive Meldungen. Nichtsdestotrotz scheint sich der Baufinanzierungsmarkt langsam zu erholen. Verantwortlich dafür ist die aktuelle Zinssenkungspolitik der Europäischen Zentralbank und daraus resultierend weitere Senkungsfantasien. Die Stimmung am Markt ist seit Ende letzten Jahres positiv, und das hält bis heute an. Davon aktiviert ist insbesondere der Kauf von Bestandsimmobilien und hier die Modernisierung und energieeffiziente Sanierung. Beim Neubau, der sich weiterhin auf niedrigem Niveau bewegt, bleibt dagegen noch viel Luft nach oben.
finanzwelt: Wie sagt man so schön: „Das Leben geht weiter“ – und es wird natürlich weiter gebaut. Welche Entwicklung zeichnet sich für kommendes Jahr ab?
Hein» Der Kauf von Bestandsimmobilien wird bedeutend bleiben. Wir sehen jetzt schon: Die Wohnflächen werden mit Blick auf die Kosten kleiner. Ich rechne aber auch mit einigen Innovationen im Bereich serielles Sanieren und Bauen genauso wie im Bereich der Heiztechnologie. Am Ende wird es darum gehen, die Kosten für die Kundinnen und Kunden in Summe zu senken. Gelingt das, sehe ich sehr zuversichtlich in die Zukunft. Vorausgesetzt natürlich, dass die regulatorischen Maßnahmen der Bundesregierung auch greifen. Gegebenenfalls müssen wir auch abwarten, wie sich die politische Lage in Deutschland nach der nächsten Bundestagswahl darstellt.
Mario Münch» Die serielle Sanierung steht aktuell ganz besonders im Fokus. Mit dem Begriff werden energetische Gebäudesanierungen bezeichnet, die mit Hilfe von modular vorgefertigten Elementen durchgeführt werden. Das können Dämmelemente für Fassaden und Dächer sein – aber auch Teile der Anlagentechnik wie zum Beispiel Wärmepumpenmodule. Übrigens: Auch die KfW Bankengruppe hat die Bedeutung erkannt und fördert entsprechende Maßnahmen mit einem Bonus von 15 % der Sanierungskosten, der als Tilgungszuschuss oder im Rahmen des KfW Programms 261 gutgeschrieben wird.
finanzwelt: Eine weitere, inzwischen etwas in den Hintergrund getretene Krise, ist das Klima. Die Branche steht unvermindert vor der Herausforderung, im Rahmen des Europäischen Klimaschutzes „2050“ ihren Beitrag zur Dekarbonisierung zu leisten. Wie sieht Ihr Fahrplan aus?
Hein» Wir als Bank haben uns dazu verpflichtet, unser Kreditportfolio im Einklang mit den Pariser Klimazielen zu steuern – und haben uns weltweit Nachhaltigkeitsziele gesetzt. Dabei bedienen wir uns einer Steuerungsmethode, die sich auf Wirtschaftsbereiche in unserem Kreditportfolio fokussiert, die besonders CO2-intensiv sind. Dazu gehört natürlich auch die Baufinanzierung. Wir arbeiten seither konstant und intensiv daran, unsere Produkte und Prozesse mit Blick auf die Nachhaltigkeitsziele zu optimieren.
Münch» Am Ende ist auch die Installation meiner Position als Nachhaltigkeits-Beauftragter im Vertrieb Immobilienfinanzierung ein Beitrag zum Erreichen dieser Ziele. Mein Job ist es, unsere Mitarbeitenden, aber auch unsere Vertriebspartnerinnen und -partner mit energieeffizientem Know-how für die Beratung auszustatten. Gleichzeitig treibe ich Projekte wie den Sanierungsrechner ‚Modernisierungs-Check‘ oder die Kooperationen mit unseren Modernisierungs-Partnern voran.
finanzwelt: In welchem Ausmaß sehen Sie die Wohnungswirtschaft in der ökonomischen, ökologischen und sozialen Verantwortung für Klimaneutralität?
Münch» Fast 40 % der CO2-Emissionen werden in Deutschland durch den Gebäudesektor verursacht. Folgerichtig muss dieser Sektor auch einen Löwenanteil bei der Umsetzung der Klimaziele absolvieren. Allerdings ist nicht jeder Gebäudetyp hier gleichermaßen in der Pflicht. Besitzerinnen und Besitzer von Immobilien mit einer Energieklasse schlechter F müssen dazu motiviert werden, in die Sanierung zu investieren – mit dem Ziel, die Energieklasse zu verbessern. Hier arbeiten wir an einem passenden Angebot. Gleichzeitig fördern wir den Bau von Immobilien mit der Energieeffizienzklasse A und A+ mit einem Rabatt. Wir wissen aber auch, dass das nur ein Anfang ist.
Hein» Im Prinzip werden wir dazu im Rahmen der EU-Taxonomie schon in die Pflicht genommen. Aber wir wollen weiterdenken. Jeder Mitarbeitende verpflichtet sich selbst, sein Handeln auf den CO2-Fußabdruck hin zu optimieren. Auch diese Erfahrungen fließen in unseren Kreditgeber-Alltag mit ein – auch in Form von energieeffizienten Produkt- und Serviceangeboten, die wir vielleicht ein bisschen schneller als die Konkurrenz zur Verfügung stellen.
finanzwelt: Herr Münch, Sie sind Nachhaltigkeitsbeauftragter im Vertrieb Immobilienfinanzierung bei der ING Deutschland. Wie definiert sich Ihr Aufgabenbereich?
Münch» Im Prinzip habe ich zwei große Aufgabenbereiche: Die federführende Mitarbeit an Projekten wie vorher schon erwähnt – und den Aufbau von Know-how für unsere internen und externen Schnittstellen. Mein Ziel ist es, die Beratenden intern wie extern bestmöglich auszustatten, damit das Thema Sanierung und Modernisierung im Beratungsgespräch perfekt integriert und so Mehrwerte in der persönlichen Beratung geboten werden können. Hier reicht das Spektrum von Workshops über Webinare bis hin zur Initiierung von Schulungen zum Beispiel durch die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen. Ich nehme aber auch als Speaker an Veranstaltungen teil und stehe natürlich für regelmäßige und persönliche Nachhaltigkeits-Talks für unsere Vermittlerinnen und Vermittler bereit.
finanzwelt: Laut einer aktuellen Studie von Finanzierung. com sehen 18 % der Entwickler und Kapitalgeber im Immobiliensektor ESG-Kriterien als großen Einfluss im täglichen Geschäft – trotz aller Zinsentwicklungen und geopolitischen Unsicherheiten. Wie stark prägen Governance-Faktoren die Entscheidungen der Akteure?
Hein» Natürlich sind die Kreditgeber verpflichtet, auf das Portfolio zu schauen. Das funktioniert nur, wenn wir unsere Kundinnen und Kunden über Informationen, adäquate Produkte und nachhaltige Prozesse motivieren, selbst aktiv zu werden. Dafür brauchen wir natürlich auch konsequente Förderprogramme.
Münch» Daran mangelt es aktuell noch. Zum Beispiel richtet sich der Förderkredit der KfW namens ‚Jung kauft alt‘ an junge Menschen, die aber erst einmal das Geld für den Kauf einer Immobilie aufbringen müssen. Hier mag die Idee gut sein, in der Realität ist sie aber schwierig umzusetzen. Umso wichtiger sind Initiativen, wie die ‚Energy Performance of Buildings Directive‘ der EU, die auf die Verbesserung von mindestens einer Energieklasse durch die Sanierung abzielen. Da scheint die Sanierung für eine große Schnittmenge doch viel eher im Bereich des Möglichen zu liegen.
Hein» Am Ende können wir als Bank nur ermutigen und Vorteile guter Initiativen aufzeigen, unsere Kundinnen und Kunden in die Pflicht nehmen, das können wir nicht. Das ist Aufgabe der Politik, die mit guten Angeboten für alle Beteiligten zum Aktivwerden ermutigen sollte. (sg)