Russland-Ukraine-Krieg – ein Jahr später

21.02.2023

Razan Nasser, Credit Analyst bei T. Rowe Price / Foto: © T. Rowe Price

Der anhaltende Krieg wirkt sich weiterhin auf die Wirtschaft und die Energiemärkte aus.

  • Die Ukraine wird wahrscheinlich weiterhin starke finanzielle Unterstützung von außen erhalten, aber der Westen erwartet eine tiefgreifende Umstrukturierung ihrer Staatsschulden.
  • Die Sanktionen haben die russische Wirtschaft hart getroffen und dürften das Wachstum noch einige Zeit belasten.
  • Die Wirtschaft der Eurozone hat die Erwartungen übertroffen, aber angesichts der anhaltenden Herausforderungen im Energiebereich ist eine Rezession in diesem Jahr nicht auszuschließen.

Ukraine – Wirtschaftlicher Tribut macht tiefgreifenden Schuldenschnitt wahrscheinlicher

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 hat sich zum bedeutendsten Konflikt in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg entwickelt. Die daraus resultierende humanitäre Krise ist nach wie vor sehr besorgniserregend, da das Leben der Menschen in der Ukraine massiv gestört ist. Die Invasion selbst war der Katalysator für erhebliche wirtschaftliche und finanzielle Marktverwerfungen in Europa und darüber hinaus. Da der Konflikt nun in sein zweites Jahr geht, untersuchen wir seine Auswirkungen auf die Volkswirtschaften der Ukraine, Russlands und Europas sowie die Folgen für Energie und andere Rohstoffe.

Ukraine – Wirtschaftlicher Tribut macht tiefgreifenden Schuldenschnitt wahrscheinlicher

Die vom Krieg gezeichnete ukrainische Wirtschaft steht noch immer vor großen Herausforderungen. Schätzungen zufolge wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2022 um mehr als 30 % geschrumpft sein. Angesichts der anhaltenden Angriffe auf die Infrastruktur und der Energieknappheit erwarten wir, dass die Wirtschaftstätigkeit in diesem Jahr erneut zurückgeht, wenn auch mit einer niedrigen einstelligen Rate. Obwohl das Haushaltsdefizit voraussichtlich hoch bleiben wird, ist eine starke externe Unterstützung durch westliche Regierungen und den Internationalen Währungsfonds wahrscheinlich. Dies dürfte dazu beitragen, die Finanzierungslücke zu schließen, was wiederum dazu beitragen dürfte, die Abhängigkeit von der monetären Finanzierung im Jahr 2023 zu verringern.

Angesichts des immensen Drucks, der auf der Ukraine lastet, haben sich die externen Gläubiger im August auf einen zweijährigen Zahlungsstopp für die Staatsschulden des Landes geeinigt, was unserer Meinung nach der erste Schritt der Umstrukturierung sein dürfte, wobei ein tieferer Schuldenschnitt wahrscheinlich ist. Der Umfang dieses Schuldenschnitts lässt sich nur schwer vorhersagen, da er von der Lage der ukrainischen Wirtschaft zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Umstrukturierung abhängt. Es wird auch eine politische Entscheidung darüber zu treffen sein, in welchem Umfang sich die privaten Gläubiger an den Baukosten beteiligen sollen. Die Schäden an der Infrastruktur sind bisher enorm. Wenn der Krieg schließlich zu Ende ist, wird das Ausmaß der Wiederaufbau- und Wiederherstellungsmaßnahmen wahrscheinlich alles in den Schatten stellen, was Europa seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt hat.

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