Rückruf von Basisrenten beziehungsweise Rürup-Verträgen: Wie Vermittler profitieren können

01.07.2024

Dr. Gerrit W. Hartung - Foto: Copyright Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Es ist rechtlich möglich, dass ein Versicherungsnehmer, der nicht korrekt über die Form des Widerrufs belehrt wurde, grundsätzlich sein Widerrufsrecht behält. Das ist wichtig für Menschen, die aus der Basisrente (Rürup-Rente) aussteigen wollen. Für Finanzdienstleister ist das eine interessante Möglichkeit.

Die Basis- beziehungsweise Rürup-Rente (nach dem Ökonomen Bert Rürup benannt) sind bekanntlich staatlich geförderte Altersvorsorgeprodukte, die vor allem für Selbstständige, Freiberufler und Besserverdienende konzipiert wurden, die keinen Zugang zur gesetzlichen Rentenversicherung oder zur Riester-Rente haben. Diese Rentenformen zeichnen sich vor allem durch steuerliche Vorteile aus: Beiträge können bis zu einer bestimmten Grenze als Sonderausgaben steuerlich abgesetzt werden.

Dabei wird aber regelmäßig Kritik an der Basisrente laut. Ein wesentlicher Kritikpunkt an dieser Vorsorgeform sind die oft hohen Abschluss- und Verwaltungskosten. Diese können die Rendite erheblich mindern und sind oft nicht transparent dargestellt. Im Gegensatz zu anderen Altersvorsorgeprodukten sind die eingezahlten Beiträge in der Basis- und Rürup-Rente bis zum Renteneintrittsalter gebunden. Vorzeitige Auszahlungen oder Kündigungen sind nicht möglich, was die Flexibilität sehr einschränkt. Und aufgrund der oft konservativen Anlagestrategien, die bei vielen Basis- und Rürup -Renten angewandt werden, sind die Renditechancen im Vergleich zu anderen Anlageformen wie Aktien oder Fonds relativ gering.

Klassische Kündigung von Basisrenten nachteilig

Viele Verbraucher wollen daher aus ihrem Basisrenten aussteigen, was aber nicht ohne weiteres möglich ist. Die Basisrente ist so konzipiert, dass sie als lebenslange Altersvorsorge dient. Deshalb ist eine vorzeitige Kündigung des Vertrags gesetzlich ausgeschlossen. Die Beiträge sind fest an die Rentenphase gebunden und können nicht vorzeitig ausgezahlt werden. Bei einer Kündigung würden diese steuerlichen Vergünstigungen rückwirkend entfallen, was zu erheblichen Nachzahlungen führen könnte. Ebenso folgt daraus der Verlust der Einzahlungen: Eine klassische Kündigung führt im besten Fall zur Beitragsfreistellung. Das bedeutet, dass keine weiteren Beiträge mehr gezahlt werden, die bisher eingezahlten Beiträge jedoch im Vertrag verbleiben und bis zur Rentenphase gebunden bleiben. Ebenso führt eine vorzeitige Kündigung oder Beitragsfreistellung dazu, dass die in der Regel hohen Abschluss- und Verwaltungskosten, die oft in den ersten Jahren von den Beiträgen abgezogen werden, nicht durch die langfristige Rendite ausgeglichen werden, was zu einem finanziellen Verlust führt. Und: Im Gegensatz zu anderen Lebens- oder Rentenversicherungen gibt es bei der Basisrente keine Rückkaufswerte. Das bedeutet, dass der Versicherte bei einer Kündigung oder Beitragsfreistellung keinen Anspruch auf eine Auszahlung des Vertragsguthabens hat. Dies macht eine klassische Kündigung von Basis- und RÜRUP-Renten auf jeden Fall wirtschaftlich unattraktiv.

Urteil des Bundesgerichtshofs als Grundlage

Daher bietet sich für den Widerruf von Versicherungspolicen die Prüfung an, ob der Versicherungsnehmer ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde. Fehlt es an einer solchen Belehrung oder ist diese fehlerhaft, verlängert sich das Widerrufsrecht unter Umständen unbegrenzt, bis eine ordnungsgemäße Belehrung erfolgt. Der Widerruf einer Versicherungspolice führt zur Rückabwicklung des Vertrages, was bedeutet, dass beide Seiten alle empfangenen Leistungen zurückerstatten müssen. Bei Lebensversicherungen oder Rentenversicherungen hat das zur Rechtsfolge, dass der Versicherer die eingezahlten Prämien zuzüglich gezogene Nutzungen zurückzahlen muss.

Unter anderem bildet ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 15. März 2023 (Az.: IV ZR 40/21) hierbei die Grundlage. Es behandelt den Fall eines Versicherungsnehmers, der gegen seinen Versicherer den Widerruf eingelegt hat, weil die Widerrufsbelehrung in seinem Versicherungsschein keinen Hinweis auf die erforderliche Textform des Widerrufs enthielt. Der Versicherungsnehmer hatte eine fondsgebundene Lebensversicherung nach dem Policenmodell abgeschlossen, die eine 14-tägige Widerrufsfrist nach Erhalt der Versicherungsdokumente vorsah. Der BGH stellte klar, dass ein Versicherungsnehmer, der nicht korrekt über die Form des Widerrufs belehrt wurde, grundsätzlich sein Widerrufsrecht behält. Zudem wurde festgestellt, dass der Versicherungsnehmer seinen Widerruf ordnungsgemäß erklärt hat, obwohl er seine Rechte aus dem Vertrag zeitweise zur Sicherung eines Darlehens abgetreten hatte. Dies allein führt nicht dazu, dass ihm die Geltendmachung seines Widerrufsrechts verwehrt wird. Das Urteil wurde zur weiteren Klärung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Finanzdienstleister und ihre Kunden profitieren gleichermaßen vom gerichtlichen Widerruf

Falsche Widerrufsbelehrungen sind in Basis- und Rürup-Verträgen von fast allen Versicherungsgesellschaften zu finden. Betroffen sind sowohl normale Lebensversicherungen wie auch Basisrentenversicherungen. Es besteht vor allem bei Verträgen seit 2008 eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass eine Rückabwicklung auch heute noch möglich ist. Betroffen sind unter anderem Basisrentenverträge der Allianz wie auch von Canada Life. Aber auch bei anderen Versicherern finden sich weiterhin Fehler. Das kann zu hohen Rückflüssen führen: Bei der Rückabwicklung des Vertrages muss der Rückkaufswert nach dem ungezillmerten Deckungskapital ohne Verrechnung der Abschluss- und Vertriebskosten bestimmt werden. Dies entspricht der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung und der Literatur

Warum ist dies für Finanzdienstleister nun eine interessante Möglichkeit? Durch die Zusammenarbeit mit einem im Versicherungs- und Verbraucherschutzrecht versierten Juristen können Finanzberater, Versicherungsmakler und Co. ihre Kunden dabei unterstützen, unrentable Verträge loszuwerden. Das erhöht zum einen die Reputation des Finanzdienstleisters als professioneller Lösungsanbieter. Zum anderen fließt durch den erfolgreichen Widerruf frisches Geld an den Versicherungsnehmer, das der Berater dann neu und vor allem sinnvoll anlegen kann. Somit profitieren Finanzdienstleister und ihre Kunden gleichermaßen von einem gerichtlich bestätigten Widerruf von Basisrentenpolicen.

Autor: Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung, Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH