Richtige Vertragsverhandlungen trotzt Inflation
23.06.2023
Preisverhandlungen in Zeiten der Inflation: Strategien und Risiken für Unternehmen. © Adrian Brandis (Foto), BRANDIS NEGOTIATIONS
„Viele Großkunden wurden von ihren Lieferanten mit nahezu oft unverschämten Forderungen förmlich überrannt“.
Die Inflation hat
weitreichende Folgen für die Wirtschaft, die Politik und für Unternehmen. Auch
Vertragsverhandlungen, beispielsweise zwischen dem Lebensmitteleinzelhandel und
den großen Markenherstellern sind seit einigen Monaten stark betroffen.
Lieferstopps der großen Produzenten und leere Regale bei den Händlern sind die
Folge. Adrian Brandis (Gründer von BRANDIS
NEGOTIATIONS, Ghost Negotiator und Verhandlungsexperte für schwierige
Verhandlungen) berät viele namhafte
Unternehmen verschiedenster Branchen dabei komplexe Verhandlungen sicher zum
Erfolg zu führen. Im Interview teil er seine Einschätzungen zu den
Einflüssen der Inflation auf geschäftliche Verhandlungen.
Inwiefern beeinflusst die Inflation die Preisverhandlungen zwischen
Großkunden und Lieferanten und welche Strategien können beide Parteien anwenden,
um Preissteigerungen bzw. Preissenkungen zu rechtfertigen?
Obwohl die
Spitze der Inflation etwas her ist, sind die Einflüsse auf Verhandlungen immer noch extrem. Die Lage ist nach wie vor in vielen Bereichen und Branchen
angespannt. Zwar sind die Preise seit Oktober letzten Jahres abgeflacht und der
Energie- und Rohstoffmarkt hat sich ein wenig beruhigt, trotzdem bleibt der
Einfluss für alle Beteiligten spürbar. Denn für Großkunden und Lieferanten ist
nicht klar, wie sich die wirtschaftliche Lage und die damit zusammenhängende
Preissituation weiter entwickeln wird.
Viele
Lieferanten forderten in den letzten 12 Monaten gegenüber ihrer Großkunden
satte Preissteigerungen und argumentierten mit stark gestiegenen Kosten für
Energie, Rohstoffen und Personal und setzen den Großkunden in vielen Bereichen
förmlich die Pistole auf die Brust. Vor allem, wenn es um begrenzte Ressourcen
wie beispielsweise Halbleiter geht, eröffnet das den Lieferanten eine starke
Verhandlungsposition gegenüber den Einkaufsabteilungen.
Die Großkunden
wurden von ihren Lieferanten und den teils aggressiven und nahezu oft
unverschämten Forderungen förmlich überrannt und versuchen seit Monaten diese Forderungen
abzuwehren und argumentieren auf ihrer Seite mit den jetzt seit Ende letzten
Jahres stark gefallenen Energie, Gas Rohstoffpreisen.
Viele Lieferanten
sind jedoch oft noch an einige Monate an ihre Preise für Energie und Materialien gebunden und können somit nicht jeder Forderung der Kunden direkt nachkommen. Das stößt auf Unverständnis und auf großes Konfliktpotenzial. Das
sehen wir täglich in unseren Beratungen. Die Emotionen liegen auf Seiten der
Einkaufsabteilungen oft blank.
Die Kunden, sprich
die Einkäufer, kämpfen somit seit Monaten mit den zuvor stark gestiegenen
Preisen und den Preisschwankungen. Hier ist heißt es einen kühlen Kopf zu
bewahren, keine Schnellschüsse trotz des Druckes zu starten und Fingerspitzengefühl
zu beweisen.
An erster
Stelle sollte für diese Herausforderungen immer eine gemeinschaftliche Lösung,
die beidseitig realisiert werden kann, stehen.
In dieser
verzwickten und oft festgefahrenen Situation kristallisiert sich leider immer
wieder ein schwerer Grundsatzfehler zwischen den Parteien raus, der zum Teil in
einem Kräftemessen am Ende mündet und die Verhandlungspartner dann nur noch auf
die Gegensätze blicken, sie sollten sich aber immer auf die Gemeinsamkeiten
fokussieren und den gemeinsamen beidseitigen Nutzen rausarbeiten. Das hört sich
klar und einfach an, ist aber auch von vielen erfahrenen Managern in den
druckvollen und emotionalen Situationen oft nicht mehr - ohne einen Blick und
Unterstützung von außen - in der Umsetzung möglich.
Am Ende des
Tages sollte es idealerweise keine Verlierer in diesen schwierigen Zeiten geben.
Dieses gängige Problem ist auch 2023 noch im Handel zu beobachten und
benachteiligt am Ende oft alle Parteien samt dem Endverbraucher.
Welche Auswirkungen hat die Inflation auf die Vertragsgestaltung und welche
Maßnahmen können eingesetzt werden, um die Risiken der Inflation abzumildern?
Beidseitig
gilt die starke Unsicherheit als Folge der Inflation. Keiner der
Verhandlungspartner möchte jetzt in diesen Zeiten einen taktischen Fehler begehen.
Es empfiehlt sich mit flexiblen Lösungen zu arbeiten, um hier maximale Transparenz
und Stabilität zu bekommen. Zwischen Lieferanten und Einkäufer bietet sich hier
beispielweise oft eine Preis-Gleit-Klausel an.
Welche Empfehlungen raten Sie als Verhandlungsexperte, um mit potenziellen
Unsicherheiten aufgrund der derzeitigen Inflationsrate umzugehen und
gleichzeitig langfristige Geschäftsbeziehungen aufzubauen?
Unsicherheit
bedingt Inflexibilität und macht langfristige Beziehungen zur Herausforderung. Es
ist für alle Beteiligten sehr schwierig langfristige Verträge unter der
anhaltenden Unsicherheit zu schließen. Es empfiehlt
sich somit in vielen Vertragsverhandlungen die Verträge eher kurzfristiger zu
vereinbaren, um jederzeit flexibel von beiden Seiten reagieren zu können. Der Grundsatz in
einer langfristigen Partnerschaft ist ein beidseitig offener, transparenter und
lösungsorientierter Umgang mit den Herausforderungen und eigenen Zielen, um auf
Gemeinsamkeiten aufzubauen.
Welche Verhandlungsstrategien können entwickelt werden, um die Auswirkungen
der Inflation auf die Beschaffungskosten und Lieferkettenrisiken zu
berücksichtigen?
Der erst
Schritt ist hier die Finanzstruktur auf Vordermann zu bringen. Unternehmer müssen
ein finanzielles Polster haben, entsprechende Zahlungsziele vereinbaren und für
Liquidität sorgen. Im zweiten
Schritt sollte die gesamte Wertschöpfungskette im Auge behalten werden. Aus
Sicht des Einkäufers sollte für angemessene Lagerbestände gesorgt werden. Es
darf nicht zum Mangel kommen und Einkäufer müssen sich nach Alternativen für
die Beschaffung umsehen.
Ca. 35%-50%
haben sich nur auf ein bis zwei wichtige Lieferanten eingeschossen und nicht
für Alternativen gesorgt. Hier sollte eine systematische Aufarbeitung erfolgen
und schnell Alternativen geschaffen werden – das passiert aber leider auch bei
den Big Playern und erfahrenen Unternehmen viel zu selten. Dieses leichtfertige
Verhalten fällt vielen Einkaufsabteilungen nun leider auf die Füße. Es sollte immer
einen klaren Standard in Unternehmen geben, dass neben den Lagerbeständen strategisch
und systematisch weitere Lieferbeziehungen aufgebaut werden, um jederzeit
handlungsfähig und flexibel reagieren zu können. Wir sehen, wie wichtig dies
jetzt in Krisenreichen Zeiten ist.
Zusätzlich
sollten langfristige Darlehen abgesichert werden und auch mit Mitarbeitern muss
gesprochen werden. Der Weg der direkten Kommunikation muss gewährleistet
werden, um die Motivation hochzuhalten, die Bindung zu stärken sowie allgemein
robuster gegen inflationär bedingte Herausforderungen gewappnet zu sein.
Erfolge in Krisen können das Gemeinschaftsgefühl stärken.
Welche Möglichkeiten gibt es, Flexibilität in Verträgen einzubauen, um auf
unvorhergesehene Veränderungen der Inflationsrate zu reagieren?
Zunächst sollten Verträge genau auf ihre Inhalte
geprüft werden: Was sind die Klauseln? Sollten ungünstige Vertragsbestände und
ungünstige Vertragsregelungen rausgenommen und nachverhandelt werden? Jetzt
gibt es die Möglichkeit die Krise auch als Chance zu sehen, die Verträge neu zu
verhandeln und über die einzelnen Punkte zu sprechen. Aus meiner Sicht ist die
Preis-Gleit-Klausel ein offenes und transparentes Mittel für diese Zeiten. Es
lohnt sich außerdem wiederkehrende Treffen zur Stabilisierung in die Verträge
mitaufzunehmen, um den Austausch aktiv zu fördern und gemeinsames schnelles und
notwendiges Handeln und nachsteuern zu koordinieren. Allgemein gilt auch hier Fast
alles ist verhandelbar!