Reißt Italien die Eurozone in den Abgrund?

29.05.2018

Italien steuert einer ungewissen Zukunft entgegen - und bedroht damit die gesamte Eurozone / Foto: © Sergey Nivens - stock.adobe.com

Nach Einschätzung des FERI Cognitive Finance Institutes könnte das Jahr 2018 zum Jahr der Wahrheit für die Zukunft der Eurozone werden. Entscheidend seien das Auslaufen der bisherigen monetären Unterstützung durch die EZB und die immer verzwicktere Situation in Italien.

Noch nie dürfte in Europa eine gescheiterte Regierungsbildung derartige Freude ausgelöst haben: In Italien kommt die geplante Koalition zwischen der rechtspopulistischen Lega und der eurokritischen Fünf-Sterne-Bewegung nicht zustande. Doch möglicherweise handelt es sich dabei nur um eine Galgenfrist, denn der Ausgang eventueller Neuwahlen ist ungewiss. „Wie erwartet wird Italien zur existentiellen Belastungsprobe für die gesamte Euro-Zone“, blickt Dr. Heinz-Werner Rapp, Leiter des FERI Cognitive Finance Institute, deshalb mit sorgenvoller Miene in Richtung Rom. In den letzten Jahren habe Italien den massiven Reformdruck schlicht ignoriert und versuche nun, andere für die eigenen Versäumnisse bezahlen zu lassen. Aus spieltheoretischer Sicht habe Italien dazu gute Voraussetzungen, da gegenüber der EU eine glaubwürdige Drohkulisse aufgebaut werden kann. „Sowohl die offiziellen Staatsschulden von 2,3 Bio. Euro als auch die weniger bekannten, aber nicht minder wichtigen TARGET-Verbindlichkeiten von rund 440 Mrd. Euro gegenüber dem EZB-System machen Italien zum Elefanten im europäischen Porzellanladen“, warnt Rapp.

Mit der Drohung eines Austritts aus der Eurozone und eines Ausfalls dieser Schulden versuche Italien nun, finanzielle Zugeständnisse oder Schuldenstreichungen zu erreichen. So forderten die italienischen Wahlgewinner prompt einen Schuldenerlass der EZB in Höhe von 250 Mrd. Euro. „Auch wenn dieser plumpe Trick zunächst gescheitert ist, und obwohl Italien schon wieder auf Neuwahlen zusteuert, wird sich dieser Versuch wiederholen“, ist sich Rapp sicher. So kokettiere das Land weiterhin offen mit einem Bruch der Eurozone und verlange unverhohlen eine hohen Preis für seine weitere Teilnahme.

Im Rahmen einer umfassenden Studie habe das FERI Institut bereits vor Monaten unmissverständlich auf dieses Dilemma hingewiesen. Die täglich neuen Entwicklungen und Ideen aus Rom bestätigten die kritische Sicht der Studie. „Auch die Politik hat derzeit keinen Plan“, warnt Rapp. Die EU-Kommission operiere nach dem Prinzip, dass nicht passieren kann, was nicht passieren darf. Die kritische Rolle Italiens für den weiteren Bestand des Euro wurde deshalb lange Zeit sträflich ignoriert oder totgeschwiegen.

Deshalb sei umso unverständlicher, dass die Marktteilnehmer Italien bis vor Kurzem kaum als Problem wahrgenommen hätten. „Wieder einmal haben die Finanzmärkte gezeigt, dass sie zur Einschätzung komplexer Sachverhalte nur eingeschränkt fähig sind. In Bezug auf strukturelle Risiken der EMU hatten die Märkte bis zuletzt einen blinden Fleck“, betont Rapp. (ahu)

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