Reaktionen auf EZB-Zinssenkung

12.09.2024

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Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf die abflauende Inflation im Euroraum reagiert. Der am Finanzmarkt richtungsweisende Einlagenzins, den Banken für bei der EZB geparkte Gelder erhalten, sinkt - wie von der Branche erwartet - um 0,25 Prozentpunkte auf 3,5 Prozent, finanzwelt hat die ersten Stellungnahmen gesammelt.

„Die heutige Zinssenkung der EZB um 0,25 Prozentpunkte kommt für uns wenig überraschend. Da die meisten Prognosen den Leitzins Ende 2024 wieder bei 3,5 Prozent sehen, liegt es nahe, noch von zwei weiteren Zinssenkungen von je 0,25 Prozent auszugehen.Aus unserer Sicht ist es allerdings noch zu früh für Zinssenkungen. Denn bei genauer Betrachtung ist die Inflationsentwicklung nicht ganz so positiv, wie die deutsche August-Inflationsrate von 1,9 Prozent vermuten lässt. Diese Entwicklung ist nur kurzfristig und auf die stark schwankenden Energiekosten zurückzuführen. Schon im September könnte die Inflation wieder über 2,0 Prozent liegen. Maßgeblich ist außerdem nicht die deutsche Inflationsrate, sondern die Kerninflationsrate im Euroraum, die noch immer deutlich über dem Zielwert der Notenbank liegt.Zwar wirkt eine Leitzinserhöhung in der Realwirtschaft nur mit einer Verzögerung von ein bis zwei Jahren, aber die Reaktion an den Kapitalmärkten erfolgt schnell. Die Zinssenkung der EZB könnte bewirken, dass der Markt wieder mehr Inflation erwartet, was wiederum eine Erhöhung der langfristigen Zinsen verursacht. Hingegen hat die Leitzinssenkung selbst keinen großen Einfluss auf die Zinsen von zehnjährigen Finanzierungen, die für den Immobilienmarkt entscheidend sind. Auch baut die EZB derzeit die langfristigen Anlagen vorsichtig ab, was tendenziell auch zu höheren Zinsen führt.“

Francesco Fedele, CEO, BF.direkt AG

„Das aktuelle Zinsniveau ist gesund, damit können wir in der Immobilienbranche grundsätzlich wirtschaftlich arbeiten. Klar ist: Die alten Zinsniveaus sind Geschichte, auch wenn die EZB heute die Leitzinsen gesenkt hat und die USA dies auch tun werden. Die Erkenntnis hat sich auch auf den Immobilienmärkten durchgesetzt. Bei den Preisen haben wir mittlerweile die Bodenbildung erreicht. Daher ist jetzt der Zeitpunkt, an dem langfristig orientierte Investoren sich wieder konkret damit befassen, neue Investments zu tätigen und das Abwarten beenden. Family Offices und internationale Investoren sind hier schon einen Schritt weiter und tätigen erste Investments.“

Patrick Brinker, Head of Real Estate Investment Management, Hauck Aufhäuser Lampe

„Die heutige Zinsentscheidung der EZB bestätigt die Erwartung der Marktexperten und ist im aktuellen Zinsniveau bereits eingepreist, so dass unmittelbar keine nennenswerte Änderung der Finanzierungskosten zu erwarten sind. Trotzdem ist die Zinssenkung eine gute Nachricht für die Immobilienbranche, weil Investoren jetzt sicherer sein können, dass der Zinspeak erstmal hinter uns liegt und Kaufpreise auf dieser Basis wieder seriöser kalkuliert werden können. Dies wird zu einem sukzessiven Anstieg der Transaktionsvolumina beitragen.“

Peter Axmann, Leiter Immobilienkunden, Hamburg Commercial Bank

„Die EZB lässt mit der erneuten Senkung des Einlagenzinssatzes um 25 Basispunkte den Erwartungen der Marktteilnehmer und ihrem eigenen Wording Taten folgen. Der weitere Weg wird aber kein Spaziergang – vor allem die Preisentwicklung im Dienstleistungssektor wird für die EZB und den mittel- bis langfristigen Inflationspfad in Richtung EZB-Ziel herausfordernd bleiben. An den Immobilienmärkten sorgt die Zinssenkung für einen positiven psychologischen Impuls und wird zur weiteren Marktstabilisierung beitragen, auch wenn sie – wie auch an den Kapitalmärkten – bereits eingepreist ist.“

Prof. Dr. Felix Schindler, Head of Research & Strategy, HIH Invest

„Die Zinssätze wurden im Einklang mit den Markterwartungen um 25 Basispunkte gesenkt. Die EZB hat ihren Standpunkt bekräftigt, dass die Leitzinsen restriktiv bleiben müssen, um ihr Inflationsziel von 2 % zu erreichen. Auffallend ist, dass die EZB erklärte, die Inflation sei aufgrund der „immer noch übermäßig schnell steigenden Löhne“ nach wie vor etwas hartnäckig.“

Tom Lemaigre, European Equities Portfolio Manager, Janus Henderson Investors

„Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Zinsen wie vom Markt erwartet um 25 Basispunkte auf 3,5 % gesenkt. Wir gehen weiterhin davon aus, dass die EZB die Zinsen so lange senken wird, bis sie eine neutrale Position um die 2 % erreicht hat, und zwar wahrscheinlich einmal pro Quartal, wobei die nächste Senkung im Dezember erfolgen wird.   Die neuen Konjunkturprognosen waren jedoch insofern interessant, als sie das Wachstum in den nächsten Jahren wahrscheinlich weiterhin überschätzen und in den kommenden Prognosezyklen weiter nach unten korrigiert werden.  Der Zinssenkungszyklus der EZB könnte sich beschleunigen, wenn das Wachstum weiterhin enttäuscht. Insgesamt wirkt sich der Zinssenkungszyklus der EZB weiterhin positiv auf die europäischen Anleihemärkte aus. Längerfristige Anleihen dürften sogar noch attraktiver werden, wenn der Markt zu glauben beginnt, dass die EZB hinter der Kurve liegt."

David Zahn, Head of European Fixed Income bei Franklin Templeton

"Die europäischen Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe befinden sich eindeutig in einem Abwärtstrend. Während der Dienstleistungssektor die Gesamtzusammensetzung stabil gehalten hat, gibt es wenig Anhaltspunkte dafür, dass dies auf lange Sicht so bleiben kann. Chinas fragmentierter Ansatz zur Ankurbelung der Nachfrage in Verbindung mit seiner Führungsrolle bei erschwinglichen Elektrofahrzeugen hat nicht zu dem erwarteten Aufschwung in der europäischen Industrie geführt. Draghis jüngster Bericht unterstreicht einige der wichtigsten Herausforderungen der Eurozone, doch die vorgeschlagenen Ausgaben von über 700 Mrd. EUR jährlich scheinen angesichts des aktuellen politischen Klimas unrealistisch. Ohne signifikante fiskalische Veränderungen ist es schwer vorstellbar, dass in Europa in absehbarer Zeit ein wichtiger Wachstumskatalysator entsteht. In Anbetracht dieser Faktoren bevorzugen wir in den kommenden Monaten europäische Anleihen. Die Aussichten für die USA sind nach wie vor ungewiss, insbesondere angesichts der zunehmenden fiskalischen Verschuldung und der bevorstehenden Wahlen, so dass Anleihen aus der EU und Großbritannien h im Vergleich zu den USA attraktiver sind."

William Vaughan, Associate Portfolio Manager bei Brandywine Global

„Die EZB hat den Leitzins für Einlagen wie erwartet um 25 Basispunkte auf 3,5 % gesenkt, da sich die Inflation weiter abschwächt. Wenn das Wirtschaftswachstum nicht anzieht, wird die EZB wahrscheinlich die Zinsen weiter senken, was den Euro gegenüber dem US-Dollar schwächt und die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Exporte erhöht. Die EU muss ihre Wirtschaft wieder ankurbeln, da sie durch eine Kombination aus schwachen Staatsfinanzen und potenziellen Handelskriegen mit ihren beiden größten Handelspartnern, China und den USA (abhängig vom Ausgang der US-Wahlen), vor einer einzigartigen Herausforderung steht. Trotz der jüngsten Zinsanpassung sind wir der Meinung, dass die EZB im Falle einer anhaltenden Konjunkturabschwächung noch zurückhaltender sein könnte, als die Märkte derzeit erwarten, was unsere optimistische Sicht auf ein diversifiziertes Portfolio europäischer Anleihen bestätigt."

Kim Catechis, Anlagestratege beim Franklin Templeton Institute