Rating ist nicht gleich Rating

18.07.2013

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Plus- und Minuszeichen, Buchstaben, Sterne oder Cäsar-Daumen: Die Symbole, mit denen Ratinganalysten geschlossene Fonds bewerten, sind vielfältig. So vielfältig wie die Qualität der Analysen selbst.

Am 22. Juli hat sich die Welt der geschlossenen Fonds grundlegend verändert. Nach Umsetzung der AIFM-Richtlinie in deutsches Recht müssen Initiatoren umfangreiche Informationspflichten gegenüber Aufsichtsbehörden und Anlegern beachten. Auch Emissionsprospekte werden künftig wesentlich mehr Informationen enthalten als bisher.

Vereinzelt wird spekuliert, dass die Regulierung das Aus einer ganzen Branche bedeuten könnte. Gemeint sind nicht die kriselnden Emissionshäuser, sondern die Ratingagenturen. Dahinter steht die Mutmaßung, dass Ratings überflüssig werden, weil künftig „alles im Prospekt steht". Doch so weit wird es wohl nicht kommen. Berater und Vermittler sind weiter darauf angewiesen, dass Prospektinhalte, die nicht selbsterklärend sind, durch unabhängige Experten kommentiert werden, um Chancen und Risiken besser einschätzen zu können: Ist die prognostizierte Rendite realistisch? Wo verstecken sich spezielle Risiken?

Ratings bleiben relevant, müssen sich aber der neuen Zeitrechnung anpassen. Da sich die Branche der geschlossenen Fonds weiter professionalisiert, sollten dies auch die Analysten tun. Denn eines fällt auf, wenn man sich Analysen aus den vergangenen Jahren ansieht: Nahezu alle Fonds, mit denen Anleger Millionen verloren haben, wurden irgendwann von irgendeinem Analysehaus positiv bewertet. Das Problem: Das Spektrum der Bewertungsmethoden ist weitgefächert, es reicht von mathematischen Ansätzen bis zu journalistischem Bauchgefühl. Dies erschwert die Vergleichbarkeit der Analysen. Besonders Ratings, die hauptsächlich auf subjektiven Eindrücken basieren, sind mit Vorsicht zu genießen, denn sie lassen viel Raum für einen diffusen Ermessensspielraum des Analysten.

Möglicherweise hat der Hamburger Rechtsanwalt Christian Kohrs Recht, der schon vor vier Jahren im Interview mit finanzwelt erklärte: „Den Ratings steht die Qualität in den meisten Fällen auf die Stirn geschrieben. Die Güte der angewandten Modelle kann man relativ schnell erkennen. Ratings, die hingeschludert werden, ist dies auch anzumerken." Darüber hinaus gibt es aber konkrete Anhaltspunkte, anhand derer sich die Seriosität eines Analysten bzw. seiner Analyse festmachen lässt: So muss deutlich sein, wer das Rating durchführt. Der Analyst muss aufgrund seiner Qualifikation in der Lage sein, zu einer fundierten Einschätzung zu kommen. Das Analysehaus muss unabhängig sein und seine Geschäftstätigkeit offenlegen. Es darf keine unternehmerische bzw. gesellschaftsrechtliche Verbindung zu bewerteten Emissionshäusern oder Fondsgesellschaften geben. Zudem muss klar sein, wer das Rating bezahlt hat. Die Bewertungsmethoden sollten transparent und nachvollziehbar sein. Die Transparenz muss sich auch auf den Zeitpunkt der Analyse erstrecken. Das Rating sollte mit einem Datum versehen sein. Sobald ein Prospektnachtrag veröffentlicht wird, muss das Rating entsprechend aktualisiert werden. Anhand solcher Kriterien hat jeder Vermittler die Möglichkeit eines „Ratings der Rater".

Dass sich auch die Politik mit diesem Thema beschäftigt, zeigte sich zuletzt im Juni, als auf europäischer Ebene strengere Vorschriften für Ratingagenturen in Kraft traten. Laut Europäischer Kommission soll dadurch die Qualität des Ratingprozesses verbessert und die Transparenz erhöht werden. Nicht auszuschließen, dass ähnliche Vorschriften künftig auch für geschlossene Fonds beschlossen werden.

** Die Bewertungsmethoden der Analysten**

  • Scope verfolgt mit der „Monte Carlo Analyse" einen mathematisch-statistischen Ansatz. Zunächst bestimmen die Analysten, welche Faktoren auf Rendite und Risiko einwirken und in der Zukunft schwanken können. Anschließend wird der Einfluss des Managements berücksichtigt. Schließlich wird die Rendite in einer Computersimulation unter Annahme der verschiedensten Szenarien berechnet. Derzeit analysieren sieben Mitarbeiter geschlossene Fonds.
  • Invest-Report ermittelt das Gesamturteil nicht mathematisch, sondern durch eine individuelle Gewichtung und Bewertung einzelner Aspekte. Laut Geschäftsführer Karsten Ewert müssen Fondsbewertungen auch subjektive Einschätzungen enthalten. Die Erfolgsperspektive lasse sich nicht in einer Liste abhaken oder errechnen. „Ebenso suggeriert eine Differenzierung nach Zehntelpunkten eine Scheingenauigkeit, die tatsächlich nicht gegeben ist", so Ewert. Er ist für den Analysebereich alleine verantwortlich.
  • Das Analyseverfahren der G.U.B. besteht aus zwei Stufen: Zunächst werden „Existenzkriterien" überprüft (plausibles Fondskonzept, abgesicherte Gesamtfinanzierung), anschließend mehrere „Qualitätskriterien" (Initiator und Management, rechtliches Konzept). Bei Verletzung eines dieser „Existenzkriterien" ist eine positive Beurteilung von vornherein ausgeschlossen.
  • Feri EuroRating Services prüft zunächst, ob sich mit dem Investitionsobjekt die zu erwartenden Erträge erzielen lassen. Anschließend folgt die Analyse des Vertragswerkes. Danach wird der Initiator bewertet. Zum Schluss erfolgt eine Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des Fonds. Dabei wird analysiert, ob die versprochene Rendite realistisch zu erzielen ist. „Diese Methodik setzt noch auf die geschlossenen Fonds alter Art. Allerdings sehen wir in den Grundkomponenten keinen wesentlichen Anpassungs- oder Änderungsbedarf, so dass die Ratingstruktur im Wesentlichen unverändert bleiben kann und wird", erklärt Wolfang Kubatzki, Mitglied der Geschäftsleitung.
  • Bei Philip Nerb (Werteanalysen) richtet sich das Hauptaugenmerk der Analyse auf die qualitativen Aspekte des Fonds, dazu zählen Managementqualität sowie Struktur des Anbieters. „Die Kommunikationsqualität kann erfahrungsgemäß viel darüber aussagen, wie ernst ein Initiator seine Aufgaben nimmt. In der Vergangenheit war eine schleppende Kommunikation meist ein Indiz für bevorstehende Probleme im jeweiligen Haus", so Nerb. Er arbeitet alleine, da seine Analyseergebnisse nach eigenen Angaben eine „per se subjektive Meinung" darstellen.
  • FondsMedia gleicht zunächst betriebswirtschaftliche Faktoren anhand unabhängiger Marktquellen ab und überprüft die Qualität des Assetmanagers. Dann werden die wirtschaftlichen Parameter auf Plausibilität überprüft. Abschließend erfolgt eine strukturelle Analyse. Hierunter fallen rechtliche Grundlagen sowie Finanzierungen. „Das Fazit stellt die subjektive Bewertung durch FondsMedia dar. Wir erstellen ausdrücklich keine Ratings mit vereinfachten oder vergleichenden Symboliken", sagt Geschäftsführer Peter Kastell. Das Team von FondsMedia besteht aus zwei freien Mitarbeitern, die im Bereich Research und vorbereitende Analyse arbeiten. Ab August werden die Analysen im Kern durch zwei Geschäftsführer verantwortet.

Kurz und bündig

Vermittler sollten sich über Bewertungsmethoden und Qualifikation des Analysten informieren, wenn sie Ratings nutzen. Bestehen Zweifel an Objektivität und Aussagekraft der Analyse, sollten sie diese nicht in ihre Meinungsbildung einfließen lassen. Ratings, die primär auf subjektiven Eindrücken des Analysten beruhen, sind mit Vorsicht zu genießen.

Meinungen, ein wenig verschieden

Der „Middle East Health Care" von Shedlin Capital sollte in Bau und Betrieb eines deutschen Krankenhauses in Abu Dhabi investieren. Doch die Klinik wurde bis heute nicht gebaut. „96 Mio. Euro sind hier versickert, verschwunden wie eine der ortsüblichen Luftspiegelungen", schrieb vor kurzem das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel". Feri EuroRating Services hatte den Fonds im Jahr 2010 als „teuer erkauftes Risiko" bezeichnet und die riskanten Faktoren benannt: „Projektentwicklung, Rechtssystem der Vereinigten Arabischen Emirate, Schlüsselpersonenrisiko, Kostenstruktur, keine Diversifizierung". Das Investmentwurde von Feri als „Don't" für Privatanleger bezeichnet. Ein anderes Analysehaus hielt das Angebot hingegen „für ausgezeichnet": „Die exzellente Projektstruktur, die sehr erfahrenen Partner und die anlegerorientierte Konzeption stellen offenkundige Stärken des Angebots dar", so das Haus im Jahr 2008.

(Kim Brodtmann)

Analysten - Printausgabe 04/2013