Prüfung biometrischer Risiken ohne Arztbericht
15.08.2018
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Im Ausschließlichkeitsvertrieb liegt die Digitalisierung noch immer im Argen. Beispiel ist der durchgängig automatisierte Antragsprozess bei Biometrie-Produkten. Dabei fehlt eigentlich nur noch ein einziger Baustein. Der aber ist entscheidend.
Gerade im Vertrieb von Biometrie-Produkten müsste es eigentlich schnell gehen. Geht es aber nicht. Der Kunde erwartet eine zügige und verbindliche Auskunft darüber, ob er versicherbar ist und zu welchen Konditionen. Wenn da nicht noch der Arztbericht wäre. Gefühlt ist der wie eine Ehrenrunde in der Schule, während die Makler mit kleinen Programmen zur Vorauskunft schon längst das Klassenziel erreicht haben. Der Ausschließlichkeitsvertrieb leidet darunter, dass vielfach der Antragsprozess bei Biometrie-Produkten zwar schon weitgehend digitalisiert, aber darin noch keine Risikoprüfung integriert ist. Scheinbar ist die Versicherungswelt noch in einem traditionellen Denken verhaftet, dass es ohne Arztbericht nicht ginge. Dabei gibt es schon längst derlei Erfassungssysteme, die bereits am Point of Sale eine fallabschließende Risikoprüfung vornehmen. Mit einer ausgeklügelten Gesundheitsbefragung erkennen die Systeme sogar Widersprüche bei den Kundenangaben und decken auf, ob der Kunde etwas vergessen hat anzugeben. Dagegen haben die Prüfsysteme für Maklerorganisationen oder gemeinsame Vertriebsplattformen einen anderen Ansatz. Sie wollen die verschiedenen Produkte unterschiedlicher Versicherungsgesellschaften auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Eine Vergleichsmöglichkeit schaffen. Nicht die eigentliche Risikoprüfung und auch nicht die dynamisch spezifische Abfrage des Gesundheitszustands der zu versichernden Person stehen hierbei im Vordergrund, genauso wenig wie die Verlagerung von speziellem Risikoprüfungswissen der jeweiligen Gesellschaft an den Point of Sale. Vielmehr geht es darum, ein einheitliches Gesundheitsformular bereitzustellen, das viele Versicherungen als Standard akzeptieren. Natürlich findet dabei auch eine gewisse Risikoprüfung statt. Schon die Einordnung des Body-Mass-Index (BMI) ist eine solche Prüfung. Auch führen manche Diagnosen bei allen Gesellschaften direkt zur Ablehnung, andere hingegen stellen für keine der Gesellschaften ein Problem hinsichtlich Versicherbarkeit dar. Freie Makler oder vergleichende Vertriebsportale können dabei über die jeweiligen allgemeinen Versicherungsbedingungen und über den Vergleich der Normalprämien hinaus im einfacheren Fall weitere Entscheidungskriterien heranziehen, um den am besten geeigneten Versicherer für ihre Kunden zu finden. Es ist verständlich, dass viele Versicherungen bei diesen Vergleichssystemen mitmachen.
Versicherungsmedizinisch korrekte Risikobeurteilung schon vor Ort
Aber der eigene Vertrieb braucht etwas anderes. Wenn der Vertriebsmitarbeiter sich schon um einen Direktabschluss bemühen soll, muss auch ein hoher Prozentsatz an sofortigen endgültigen Entscheidungen erreicht werden. Hier genügen keine 50 % Direktabschlussquote wie beim unabhängigen Versicherungsmakler. Das Ziel muss schon aus Aufwand- und Kostengründen eine fallabschließende Bearbeitung von mindestens 80 %, eher 90 % sein. Die Weiterleitung einer Vielzahl von Anträgen zur Hauptverwaltung, um sie dort erst noch manuell zu prüfen, erzeugt nur Frust beim Kundenberater und beim Kunden. Um eine korrekte Risikoprüfung der biometrischen Risiken vor Ort zu gewährleisten, müssen die Gesundheitsfragen dem Kunden „dynamisch“ vor Ort gestellt werden. Die zu den einzelnen Diagnosen gestellten spezifischen Fragen müssen „vertriebskonform“, also für den Kunden verständlich und einfach formuliert sein – ohne medizinische Fachsprache – und gleichzeitig muss eine versicherungsmedizinisch korrekte Risikobeurteilung ermöglicht werden. Dies ist nicht mit Systemen darstellbar, die es im Antragsprozess vielen Gesellschaften gleichzeitig recht machen müssen.
Das eigene Wissen abbilden statt Black-Box
Das Risikoprüfwissen, das am Point of Sale Anträge entscheidet, muss über ein komfortables Pflegetool auf die Bedürfnisse der jeweiligen Versicherung angepasst werden können. Der grundsätzliche Aufbau des Fachwissens und die dazugehörenden Entscheidungen müssen in leicht nachvollziehbaren Strukturen vorliegen sowie auf einfache Weise durch die Underwriting-Experten an die eigenen Vorstellungen anzupassen sein. Diese Feinjustierung schafft das nötige Vertrauen, dass dieses Prüfsystem den eigenen Vorstellungen entspricht und somit korrekt entscheidet. So wird aus diffusem „Maschinenwissen“ eine Abbildung des eigenen Wissens, keine „Black-Box“. Nützlicher Nebeneffekt: Dieses Wissen kann nachvollziehbar dokumentiert werden, so dass es auch Jahre später noch für Nachweispflichten herangezogen werden kann. Die Praxis zeigt, dass sich Risikoprüfsysteme im täglichen produktiven Einsatz am Point of Sale sehr schnell und einfach in bestehende Außendienstsysteme integrieren lassen. Bei der Auswahl eines solchen Systems zur Prüfung von biometrischen Produkten sollten die Entscheider darauf achten, dass eine vollständige Integration in die bestehenden Antragssysteme der Versicherung erfolgt, konkret also eine Risikoprüf-Komponente in die vorhandenen Systeme integriert wird. Dadurch bleiben das Angebotssystem und der gesamte Antragsprozess wie „aus einem Guss“ erhalten. Weitere Vertriebskanäle, die möglicherweise über eigene Erfassungsmasken verfügen, können ebenfalls dieselbe Prüfkomponente ohne Kompromisse verwenden. Eine solche Lösung für den Point of Sale sollte natürlich zwingend „online“ betrieben werden. Ein „offline“-Einsatz wäre bestenfalls eine Zusatzoption.
Fazit
Die automatisierte Prüfung biometrischer Risiken schon vor Ort ist sehr häufig der letzte fehlende Baustein für eine durchgängig digitalisierte und fallabschließende Antragsbearbeitung durch den Kundenberater. Sie beschleunigt den Antragsprozess zuverlässig und macht den zeitraubenden Arztbericht weitgehend überflüssig. Im Nachbarland Schweiz ist man mit diesen Ideen schon weiter.
Jörg Hausknecht, Verwaltungsrat Schweizer Triangulum AG