Prospektfehler, Plausibilität und Prügel: Keine Panik

23.09.2013

Im Zusammenhang mit notleidenden geschlossenen Fonds konzentrieren Anleger und Anlegervertreter vermeintliche Schadensersatzansprüche gerne auf den Berater oder Vermittler. Dabei soll oft die Fehlerhaftigkeit des Verkaufsprospekts oder die angebliche Unplausibilität zu entsprechenden Pflichtverletzungen führen.

Jedoch hat der Finanzdienstleister weder den Verkaufsprospekt zu verantworten, noch ist er im Normalfall schlauer als das IDW-Gutachten.

Die meisten geschlossenen Fonds firmieren als GmbH & Co. KG. Jedoch haften Publikumspersonengesellschaften bzw. ihr Gesellschaftsvermögen gemäß ständiger Rechtsprechung des BGH regelmäßig nicht für fehlerhafte Prospekte oder Pflichtverletzungen von Beratern oder Vermittlern. Deshalb rücken neben den Prospektverantwortlichen die sonstigen Aufklärungsverpflichteten in den Fokus der Klagewilligen. Ganz gleich also, welcher geschlossene Fonds als notleidend in den Medien diskutiert wird – ein Hinweis auf die Haftung des Finanzdienstleisters, der im Idealfall noch haftpflichtversichert ist, findet sich daher schnell.

Mittelbare Prospekthaftung

Die Verkaufsprospekte sind regelmäßig Mittel zur Aufklärung. Die Finanzdienstleister kennen sie, die Anleger kennen sie auch und behaupten ihre Fehlerhaftigkeit oder beschweren sich im Prozess, dass sie die Prospekte gerade nicht kennen oder rechtzeitig kennen gelernt haben. So ergibt sich aus der BGH-Rechtsprechung sogar eine mögliche Falschberatung auf der Grundlage eines erheblichen Prospektfehlers als Mittel zur Aufklärung, selbst für den Fall, dass der Anleger den Prospekt gar nicht gelesen hat.

Qualifiziert ein Gericht einen Verkaufsprospekt als erheblich fehlerhaft, ändern die vorherige Beauftragung von Rechtsanwälten mit der Erstellung des Verkaufsprospekts durch die Emittentin und ein beanstandungsfreies IDW S4-Gutachten eines Wirtschaftsprüfers daran gar nichts. Der Finanzdienstleister oder seine Vertriebsgesellschaft haftet auf Basis dessen gleichwohl, in vollem Vertrauen in die zuvor propagierte Produkt- und Prospektqualität. Mehr noch, in den allermeisten Fällen ist der Finanzdienstleister durch eine entsprechende Regelung im Handelsvertretervertrag sogar dazu verpflichtet, nur die vom Produktgeber zur Verfügung gestellten (nun fehlerhaften) Unterlagen zu verwenden.

Problem Plausibilität

Mittlerweile ist aufgrund bestimmter BGH-Entscheidungen das Thema der Plausibilität ein Highlight in Anlegerschutzprozessen. Dem Finanzdienstleister wird dabei vorgeworfen, die Kapitalanlage könne wirtschaftlich nicht aufgehen, worüber der Anleger pflichtwidrig nicht aufgeklärt worden sei. Dabei ergäbe sich die Plausibilität angeblich bereits aus den Angaben im Verkaufsprospekt, vor allem aus den Mittelverwendungskosten oder entsprechenden Modellberechnungen. Und da zumeist nur im Zusammenhang mit gerade notleidenden Vermögensanlagen geklagt wird, befindet sich der beklagte Finanzdienstleister bereits von der Grundkonstellation her in einem vermeintlichen Widerlegungsnotstand. Der Rest entspricht den Problemen mittelbarer Prospekthaftung: Der Finanzdienstleister ist nicht klüger als das beanstandungsfreie IDW-Gutachten und war regelmäßig vertraglich verpflichtet, den Prospekt und die Modellberechnungen zu verwenden.

Lösungsansätze

So häufig die genannten Probleme auch gegen die Finanzdienstleister ins Feld geführt werden, sie führen mitnichten automatisch zu einer Haftung. Es geht nämlich immer um Fragen des Einzelfalles.

  • So ist der Finanzdienstleister ebenfalls gut beraten, die jeweiligen Vorwürfe nur von einem Spezialisten prüfen und gerichtlich argumentieren zu lassen. Solche gibt es freilich auch auf Beklagtenseite. Hat der Finanzdienstleister zudem eine Haftpflichtversicherung, sollte er innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Fristen vom Haftungsfall berichten, die mögliche Einstandspflicht prüfen lassen und dem Gegner nichts davon mitteilen. Es kommt häufig vor, dass Anlegeranwälte den Nachweis der Schadensmeldung verlangen, während eigentlich nur das Interesse dahinter steckt, herauszufinden, ob der Betroffene überhaupt haftpflichtversichert ist oder nicht. Lassen Sie den anwaltlichen Spezialisten die entsprechende Korrespondenz mit den Beteiligten führen.
  • Halten Sie die Beratungsdokumentation bereit und führen Sie diese gut vorbereitet als entlastendes Beweismittel in den Prozess ein. Machen Sie sich bewusst, dass im Grundsatz der klagende Anleger die Beweislast für die angeblichen Pflichtverletzungen des beklagten Finanzdienstleisters trägt. Dabei gibt es bereits von der Ausgangslage her drei Konstellationen: Das Gericht glaubt dem Kläger, das Gericht glaubt dem Beklagten oder das Gericht weiß es nicht. Im ersten Fall gewinnt grundsätzlich der Anleger, in den beiden anderen Fällen grundsätzlich der Beklagte.
  • Dasselbe gilt für den Beweis der angeblichen Prospektfehler und die Frage der Plausibilität. Lassen Sie Ihren Prozessbevollmächtigten aufzeigen, wie wenig griffig in aller Regel beides vorgetragen oder in der Rechtsprechung ausdiskutiert ist. Denn wie plausibel muss eine unternehmerische Beteiligung mit prospektiertem Totalverlustrisiko sein bzw. wie unplausibel darf sie nicht sein? Und was ist bei der Beurteilung dieser Frage wirklich dem Finanzdienstleister aufzubürden, der ein beanstandungsfreies IDW-Gutachten vor sich hatte? Auch hier ist jeweils auf die individuellen Umstände abzustellen, was viele standardisierte Vorhaltungen vermissen lassen.
  • Denken Sie übermögliche Streitverkündungen und Beitritte der Streitgenossen auf Ihrer Seite nach. Denn es liegt auch im Interesse der Prospektverantwortlichen oder sonst mit dem Finanzdienstleister haftenden Personen, die jeweilige Angelegenheit gemeinsam in den Griff zu bekommen.
  • Zu guter Letzt sollten Sie sich in einem guten Netzwerk präventiv für die Zukunft rüsten. Lassen Sie Produkte und Informationen, die Sie vertreiben wollen, vorher unabhängig prüfen.

RA Daniel Blazek

RA Daniel Blazek ist Sozius der auf das Recht der Finanzdienstleister und Emittenten spezialisierten Kanzlei BEMK, die auch Vertragspartner der Phalanx Gesellschaft für Finanzanlagenvermittler mbH ist.

Problemlösungen - Printausgabe 05/2013