Profiteure des demografischen Wandels
28.07.2013
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Die Geburtenrate sinkt dramatisch, die Lebenserwartung steigt. Bis zum Jahre 2030 dürfte die Zahl der Einwohner hierzulande nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes um vier Millionen sinken. Eine enorme Herausforderung. Den demografischen Wandel als Anlagethema hat auch die Fondsbranche realisiert – mit eigenen Demografiefonds.
Ob die reine Fokussierung der Fonds auf das Themenspektrum Demografie sinnvoll ist und den Investoren eine Mehrrendite bringt, steht noch in den Sternen. In Deutschland lebten 2009 laut Statistischem Bundesamt rund 82 Millionen Menschen, von denen rund 17 Millionen 65 Jahre oder älter waren. 2030 werden voraussichtlich 22 Millionen mindestens 65 Jahre sein. Die Deutschen werden weniger, liest man plakativ. Auf der anderen Seite gibt es steigende Geburtenraten in den Schwellenländern, die der alternden Bevölkerung in den Industriestaaten gegenüberstehen. Der weitere Verlauf ist eindeutig – das Gewicht der Welt wird sich zu den Schwellenländern verschieben: Denn in Europa werden schlicht weniger Menschen leben. Die UNO erwartet, dass um das Jahr 2080 mehr als 10 Milliarden Menschen auf unserem Planeten leben werden, der Großteil in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Den Erdenbürger mit der Nummer 7.000.000.000 hatten wir vergangenes Jahr begrüßt.
Eines ist sicher: Der demografische Wandel bringt umfassende Veränderungen von Angebot und Nachfrage mit sich, dessen können sich auch die Finanzmärkte nicht entziehen. „Demografische Entwicklungen haben besonders großen Einfluss auf den Erfolg oder Misserfolg vieler Unternehmen weltweit. So bestimmen solche Trends etwa die Nachfrage nach Produkten oder den Zugang und damit auch die Kosten zu Arbeitskräften", sagt Charles Somers, Fondsmanager des Schroder ISF Global Demographic Opportunities bei Schroders. Nicola Stafford und Hilary Natoff, Manager des Fidelity Global Demographics Fund, pflichten dieser Aussage bei und ergänzen, dass diese Trends langfristiger Natur seien und sich gut vorhersagen ließen. Das sei besonders in einer Zeit interessant, in der Unsicherheit über den Wachstumsausblick herrsche.
Wie schwierig und komplex das Thema Bevölkerungsentwicklung ist, zeigen auch die Unterschiede zwischen den Nationen und Erdteilen dieser Welt. Japan vergreist, während die Lebenserwartung beispielsweise in Nigeria bei nur 65 Jahren liegt. Auch in China, wo die Geburtenrate seit den 60er Jahren sinkt, ist die Alterung ein großes Thema. Insgesamt soll sich weltweit die Zahl der über 65-Jährigen bis 2050 auf 1,5 Milliarden verdreifachen. Das bleibt nicht ohne Konsequenzen. China wird nach Prognosen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die USA bereits in Kürze als größte Wirtschaftsmacht der Welt ablösen. Der Anteil der asiatischen Tigerstaaten am weltweiten Bruttoinlandsprodukt soll bis ins Jahr 2060 von 24 auf 46 % steigen, so die OECD. In den asiatischen Ländern wächst folglich eine konsumfreudige Mittelschicht heran. Davon profitieren beispielsweise Luxus- und Konsumgüter.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es einer eigenen Gruppe von Demografiefonds bedarf. Reine Demografiefonds zeichnen sich dadurch aus, dass sie an den Trends der demografischen Entwicklung (eine niedrige Geburtenrate, die steigende Lebenserwartung und die Alterung der Gesellschaft) partizipieren. Sie sind opportunistisch. Altersspezifische Investments (Generika) fallen ebenso darunter wie Infrastruktur- und Versorgerwerte, die vom Bevölkerungswachstum in den Schwellenländern profitieren. Im Gegensatz zu den Industriestaaten befinden sich die Schwellenländer derzeit im sogenannten „demografischen Sweetspot", wo sich die Bevölkerungsentwicklung positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirkt. In der ASEAN-Wirtschaftsregion sind z. B. über 40 % der Bevölkerung unter 20 Jahre alt. Viele Anbieter nehmen das Thema Demografie indirekt auf, indem sie ausschließlich in Arzneimittelforschung und -entwicklung investieren, z. B. in Biotechnologie-Fonds.
Tendenziell steht bei den Demografiefonds, die in den vergangenen drei Jahren neu aufgelegt wurden, die Branchen- und Einzeltitelauswahl im Vordergrund. Der Fidelity Global Demographics Fund folgt nicht der Zusammensetzung eines bestimmten Indexes, sondern dem qualitativen Ansatz der Fondsmanagerinnen. Stafford und Natoff sprechen in diesem Zusammenhang von Gewinnern von heute und morgen, die in ihr Portfolio aufgenommen werden. Zu letzteren zählen Unternehmen, die stärker auf den Binnenmarkt der Schwellenländer ausgerichtet und eher an deren Börsen notiert sind. „Stark vertreten sind in unserem Fonds außerdem in den Schwellenländern notierte Aktien. Sie machen bis zu 30 % unseres Fondsvermögens aus", bemerkt Fidelity-Expertin Stafford. Das Fondsvolumen des im vergangenen Jahres aus der Taufe gehobenen Fonds beläuft sich aktuell auf ca. 10 Mio. US-Dollar; mit einer Performance auf Ein-Jahressicht von derzeit 16 % bewegt sich der Fonds in der Gesamtbetrachtung der Aktienfonds im mittleren Segment.
Der im Spätherbst 2010 gestartete und fast 35 Mio. Dollar große Schroder ISF Global Demographic Opportunities ist ebenfalls ein globaler Aktienfonds. Auch hier entfallen aktuell rund 25 % auf die Emerging Markets. Das Fondsmanagement investiert im Vergleich zur Benchmark MSCI World bevorzugt in Werte des Gesundheitswesens. Mit rund 23 % sind auch Finanzdienstleister im Gepäck. US-Aktien sind deutlich geringer gewichtet. 2012 konnte das Team um Charles Somers den Vergleichsindexmit einer Wertentwicklung von ca. 22 % schlagen.
Generell haben demografische Veränderungen erheblichen Einfluss auf die Gesundheitsausgaben. Zum einen durch die zunehmende Zahl älterer Menschen, zum anderen durch die wachsenden Einkommen und die damit verbundenen höherwertigen Leistungen. Nach OECD-Zahlen lag der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch bei Gesundheitsleistungen in den Vereinigten Staaten in den vergangenen Jahren bei rund 8.000 Dollar. In China waren es nur 265 Dollar.
Fazit
Berater sollten die demografischen Veränderungen im Hinterkopf behalten. Um ihre Kunden an diesen Trends generell teilhaben zu lassen, bieten sich spezielle Demografiefonds an. Sie können als Portfoliobeimischung dienen. Ob der demografische Wandel als alleinstehendes Anlagethema betrachtet werden kann, darüber lässt sich streiten. Die Nutznießer dieser Entwicklung lassen sich mitunter nur unzureichend auf klar abzugrenzende Branchen, die ein eindeutig definierbares Anlageuniversum verkörpern, herunterbrechen. Viele Titel lassen sich diesem Megathema zuordnen – das macht die Auswahl nicht unbedingt einfacher.
(Alexander Heftrich)
Demografiefonds - Printausgabe 04/2013
http://finanzwelt.de/wp-content/uploads/AussichtsreicheTechnologiefonds.pdf