PKV-Qualitätsrating: Wie stabil sind die Privaten Krankenversicherer in Deutschland?

29.10.2024

Dr. Marco Metzler. Foto: Metzler

Metzler Ratings hat die Bilanzen der 25 größten Privaten Krankenversicherer in Deutschland für das Geschäftsjahr 2023 untersucht. Dabei standen zwei Fragen im Fokus: Wie gut haben sich die Unternehmen dem abrupt geänderten Zinsumfeld angepasst? Und wie stabil ist ihre Ertragslage? Die Ergebnisse dieses Qualitätsratings zu Sicherheit und Ertragsstärke: Nur zwei Krankenversicherer sind sehr gut aufgestellt – Allianz und Inter. Beide erreichten jeweils ein Rating von AA+. Fünf Unternehmen – Axa, Debeka, HUK, Süddeutsche und Generali – mussten hingegen mit BB oder niedriger bewertet werden.

In den vergangenen Wochen schlug der Verband der privaten Krankenversicherer (PKV) Alarm: Zwei Drittel der knapp neun Millionen Privatversicherten müssen ab 2025 mit höheren Beiträgen rechnen. Und die steigen nicht zu knapp: Der PKV-Verband erwartet Erhöhungen von durchschnittlich 18 Prozent. In der Spitze könnten die Prämien sogar um 30 Prozent steigen.

Eine Hiobsbotschaft für die Versicherten. Dieser liegen gleich mehrere Ursachen zu Grunde. „Zum einen sind die Ausgaben der Versicherer im vergangenen Jahr stark gestiegen,“ sagt Dr. Marco Metzler, Gründer und Chef der auf Versicherer spezialisierten Ratingagentur Metzler Ratings GmbH. „Nach den mir bekannten Zahlen kletterten sie im Schnitt um mehr als 13 Prozent.“

Zudem wurden die Privaten Krankenversicherer von der abrupten Zinswende der EZB kalt erwischt. „Was kaum jemand weiß: Auch PKV-Unternehmen legen Geld am Kapitalmarkt an“, erläutert Versicherungsanalyst Metzler. Denn die Versicherer müssen einen Teil der Prämien ihrer Versicherten als sogenannte Alterungsrückstellung zur Seite legen, um den Beitragsanstieg im Alter zu bremsen. Deshalb sind die Beiträge für junge PKV-Versicherte, etwa zehn Prozent höher als nötig, dafür zahlen sie als Senioren in der PKV dann geringere Beiträge als eigentlich nötig. „Die Alterungsrückstellungen legen die PKV-Anbieter am Kapitalmarkt an. Und damit sind sie genauso von dessen Entwicklungen betroffen wie Lebensversicherer – wenn auch in geringerem Ausmaß“, weiß Metzler. „Deshalb wurde und wird die PKV-Branche ebenfalls von der abrupten Zinswende kräftig durchgeschüttelt.“

Laut der Zahlen von Metzler Ratings hatte die PKV-Branche Ende des Jahres 2021 noch Stille Reserven in Höhe von 13,3 Prozent ihrer Kapitalanlagen in ihren Bilanzen schlummern. „Diese entstanden, weil in der Niedrigzinsphase der Wert von Altanleihen mit hohen Zinskupons deutlich über den Kaufwert stiegen, mit dem sie bilanziert wurden“, erklärt Experte Metzler. „Doch bis Ende 2022 – also in nur einem Jahr – waren daraus Stille Lasten von 10,6 Prozent geworden.“

Der Grund dafür: Die EZB hatte die Leitzinsen von minus 0,5 Prozent auf vier Prozent in die Höhe geschraubt – so hoch wie nie zuvor in der EZB-Geschichte. Dadurch sank spiegelbildlich der Wert der Anleihen im Bestand massiv. Inzwischen sind die Leitzinsen wieder auf 3,5 Prozent gesunken und mit ihnen auch die Stillen Lasten in der PKV. Ende 2023 betrugen sie noch etwa drei Prozent. In Euro ausgedrückt sind das rund zehn Milliarden Euro.

Dabei ist die Lage der einzelnen Versicherer völlig unterschiedlich: So haben drei Unternehmen – Allianz, Inter und Universa – inzwischen sogar wieder Stille Reserven in den Bilanzen. Andere Versicherer – Hallesche, Württembergische, Axa, Süddeutsche, R&V und Gothaer – weisen hingegen in ihren Jahresabschlüssen für 2023 Stille Lasten von 6,5 Prozent und mehr aus.

Hinzu kommt: In der Niedrigzinsphase haben die Versicherer die Immobilienquoten in ihren Portfolios deutlich erhöht, weil diese damals ansehnliche Renditen abwarfen. Doch mit der Zinswende stiegen für Projektentwickler und Bauträger die Finanzierungskosten. Folge: Vergangenes Jahr gingen fast 600 dieser Firmen pleite. Das Problem für die Krankenversicherer: „Anders als bei Anleihen können diese Verluste nicht als Stille Lasten verbucht werden, sondern müssen sofort abgeschrieben werden“, weiß Bilanzexperte Metzler. „Diese Verluste sind zusätzlich zu den rund 10 Milliarden Euro an Stillen Lasten zu schultern.“ Dies alles führt dazu, dass die am Kapitalmarkt angelegten Alterungsrückstellungen 2023 im branchenweiten Durchschnitt eine Nettorendite von 2,7 Prozent abwarfen. Auch hier ist die Spanne wieder beachtlich: Die Allianz glänzte mit einer Quote von 3,5 Prozent, gefolgt von der Inter mit 3,4 und der Barmenia mit 3,3 Prozent. Am anderen Ende der Skala rangieren Generali mit 1,8 Prozent, Hanse Merkur mit 1,6 und LKH mit 1,4 Prozent. „Solch geringe Anlagerenditen reichen selbst bei der inzwischen wieder unter zwei Prozent gesunkenen Inflation nicht mal für den Kapitalerhalt“, kommentiert Versicherungsexperte Metzler.

Zumal die Renditen in naher Zukunft eher fallen als steigen dürften: „Wir erwarten, dass die EZB in den kommenden Monaten die Zinsen weiter senkt, was die Anleihenmärkte verstärkt unter Druck setzen dürfte“, prognostiziert Dr. Metzler. Zudem sieht er weiteren Abschreibungsbedarf bei Immobilienentwicklern und Private Debt. „Insgesamt ist die Situation der Krankenversicherer also noch immer eher schlecht“, urteilt Metzler. „Jedoch ist sie noch nicht als ernst oder gar existenzbedrohend einzustufen. Das belegen auch die stabilen Solvenzquoten der PKV-Anbieter.“

Metzler gibt aber zu bedenken, dass sich die Lage bei jedem Krankenversicherer anders darstelle. „Daher sollten alle, die sich privat krankenversichern wollen, einen genauen Blick in die Bilanzen der PKV-Anbieter werfen“, rät der Experte. Dabei sei anzuraten, den Fokus auf vorhandene Sicherungsmittel und (zukünftige) Ertragskraft zu legen.

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