Pflege auf Distanz: eine Herausforderung

17.08.2022

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Eine neue Studie des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) verdeutlicht, welche Herausforderungen Angehörige zu meistern haben, die in die Pflege von Familienmitgliedern involviert sind. Einige Besonderheiten entstehen dabei, wenn sie sich um entfernt wohnende Pflegebedürftige kümmern. Für die Studie wurden 1.007 Personen ab 40 befragt, die sich um pflegebedürftige Angehörige ab 60 kümmern.

Die Gesellschaft wird immer älter, der demografische Wandel schreitet unaufhaltsam voran. Die Versorgung einer wachsenden Anzahl an Älteren und Pflegebedürftigen stellt ihre Angehörigen, sowie auch das gesamte System nun immer weiter vor Herausforderungen. Aktuell sind ca. 4,1 Mio. Menschen in Deutschland pflegebedürftig. Ihre Angehörigen spielen bei ihrer Versorgung oft eine wichtige Rolle. Das wird aber auch für diese manchmal zur Belastungsprobe. Wohnen z.B. die pflegebedürftigen Eltern dann noch (weit) entfernt, wird die Distanz oft zu einer besonderen Herausforderung.

PD Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des ZQP, erklärt: „Unsere Studie zeigt, dass auf räumliche Distanz Pflegende insbesondere in Fragen administrativer Unterstützung eingebunden sind. Sie kümmern sich etwa um Bankangelegenheiten, Korrespondenz mit der Krankenkasse oder die Koordinierung des ambulanten Dienstes. Viele von ihnen sind aber auch direkt vor Ort im Einsatz und begleiten den Arztbesuch, besorgen Medikamente, unterstützen im Haushalt oder helfen bei der Körperpflege. Dafür nehmen nicht wenige von ihnen regelmäßige Anfahrten von über einer Stunde in Kauf.“

Keine leichte Aufgabe

41 % der Teilnehmenden äußerte im Rahmen der Untersuchung, dass sie mit ihrer Situation im Pflegekontext eher oder gar nicht zufrieden seien. Diese Unzufriedenheit kommt u.a. durch die weite Entfernung bzw. den weiten Weg zur pflegebedürftigen Person zustande. Ab einer Distanz von zwei Stunden zeigten sich sogar 61 % eher oder sehr unzufrieden. Zusätzlich gilt es für die Befragten, die Pflege ihrer Angehörigen mit ihrem Alltag unter einen Hut zu bringen, außerdem spielen auch finanzielle Aspekte eine Rolle. Mit 49 % fühlt sich fast die Hälfte der Befragten durch den zeitlichen Aufwand belastet, 38 % der Erwerbstätigen unter ihnen erfahren zudem berufliche Einschränkungen. Für 21 % kommen finanzielle Belastungen durch den Aufwand hinzu. 59 % der Angehörigen, die bereits vor der Corona-Pandemie in der Pflege geholfen haben, gaben an, dass die Pandemie ihre Situation zusätzlich erschwert habe.

Besonderheiten durch weite Entfernungen

Die Versorgung von pflegebedürftigen Familienmitgliedern ist also grundsätzlich bereits eine herausfordernde Situation. Die Studie lenkt das Augenmerk aber auch auf Probleme, die mit der räumlichen Distanz in Verbindung gebracht werden können. Drei Viertel der Interviewten gaben so z.B. an, dass es sie belaste, in Notsituationen nicht schnell vor Ort zu sein um helfen zu können. Knapp zwei Drittel fanden es zudem belastend, durch die Entfernung zu wenig Einblick in die aktuelle Lage und den Alltag der pflegebedürftigen Person zu haben. Weitere 63 % belaste es, dass sie diese aufgrund der Distanz insgesamt nicht besser unterstützten können. Dr. Suhr erläutert: „Viele auf Distanz Pflegende haben zudem den Eindruck, dass ihr Engagement unterschätzt wird – zum Beispiel von Arbeitgebern, Ärzten, Pflegediensten, aber auch in der Familie.“

Dementsprechend gaben 41 % an, dass der Umfang ihrer Unterstützung von anderen Personen teilweise nicht richtig wahrgenommen werde, weil sie nicht so oft vor Ort sichtbar seien. Außerdem kamen auch emotionale und konfliktfördernde Erfahrungen mit der pflegebedürftigen Person selbst oder mit Dritten vor, die mit der Distanzsituation zusammenhängen können. 38 % der Befragten gab so z.B. an, die pflegebedürftige Person gebe ihnen das Gefühl, sie seien zu wenig bei ihr. Weitere 27 % erhielten das Gefühl, sie kümmerten sich zu wenig.

17 % der Befragten erlebten sich der Meinung von Dritten ausgesetzt, sie brächten sich zu wenig in die Pflegesituation ihrer Angehörigen ein. 14 % hatten sogar den Eindruck, andere unterstellten ihnen, sie würden die Distanz als Ausrede benutzten, um manche Aufgaben im Pflegekontext nicht zu übernehmen.

Gesundheits- und Sozialwesen ist gefragt

Aufgrund der Studienergebnisse plädiert Dr. Suhr für mehr Beachtung der besonderen Situation von Menschen, die ihre Angehörigen auf Distanz pflegen, in der Öffentlichkeit. Insbesondere das Gesundheits- und Sozialwesen sei gefragt. „Die informelle Pflege hat verschiedene Facetten. Wer bedürfnisorientiert helfen und bei der Prävention in der Pflege erfolgreich sein will, sollte die unterschiedlichen Herausforderungen pflegender Angehöriger auf dem Schirm haben“, so Dr. Suhr. (lb)