Online-Gaming – die Branche erreicht das nächste Level
01.09.2020
Adrian Daniel - Foto: (c) MainFirst Asset Management
Der Boom bei Online-Computerspielen geht weiter. Nachdem die Anbieter ihr Geschäft während der Corona-Pandemie weiter ausbauen konnten, birgt der Sektor auch für die kommenden Jahre weiteres Wachstumspotenzial. Zu dieser Einschätzung kommt MainFirst-Fondsmanager Adrian Daniel. Der jüngste Beleg sei die jetzt zu Ende gegangene Gamescom, die weltgrößte Messe für Computer- und Videospiele, die in diesem Jahr – bedingt durch Corona – komplett digital stattfand.
Neue Kundengruppen, mehr Umsatzpotenzial – so lässt sich die Prognose von Adrian Daniel für die Online-Gaming-Branche auf den Punkt bringen. Der virtuelle Teilnehmerkreis habe bei der diesjährigen Gamescom eine deutliche Veränderung erfahren. „Mittlerweile mischen sich viele Familienväter aus der Commodore- bzw. Atari-Generation unter die Mehrheit an Teenies. Damit wächst auch der sogenannte TAM – der Total Addressable Market – als Folge der höheren durchschnittlichen Einkommen von Gamern“, sagt Daniel.
Insgesamt gewinne Online-Gaming zunehmend an Zulauf von breiteren Teilen der Bevölkerung und somit an Akzeptanz und Selbstbewusstsein. Nicht zuletzt durch den Corona-Lockdown seien die Vorzüge von E-Sports-Wettkämpfen nicht nur Insidern der Szene ein Begriff, sondern würden auch von milliardenschweren Industrien wie der Formel 1 genutzt, um die Leidenschaft für den Rennsport in die virtuelle Welt zu übertragen. Aktienkurse von Unternehmen der Branche zählen in diesem Jahr zu den Highflyern an der Börse. So konnten die Aktien der führenden US-Akteure in diesem Sektor – Activision, EA Sports und Take-Two Interactive – im laufenden Jahr jeweils um mehr als 30 Prozent zulegen. „Diese Kurssteigerungen sind mit Blick auf die letzten Quartalsberichte nachvollziehbar, weil die zusätzlich zur Verfügung stehende Zeit während des Lockdowns zu einer Beschleunigung des Wachstums beigetragen hat – dies dürfte nach vorne blickend nicht komplett abebben“, so Daniel.
Ein Beispiel für das Wachstumspotenzial sei der riesige Erfolg von Fortnite. Das Spiel habe es dank des Battle Royal Modus mittlerweile weltweit auf mehr als 350 Millionen registrierte Spieler (Stand Mai 2020) gebracht. Mit dem Erfolg von Fortnite lässt der Entwickler Epic Games nun die Muskeln gegen die Größen der US-Tech-Industrie, Apple und Google, spielen. Epic wehrt sich gegen die 30-prozentige Gebühr für getätigte Käufe in den jeweiligen App-Stores und forderte eine Reduzierung dieser Gebühr. Da Fortnite kostenlos verfügbar ist und sich primär über sogenannte In-Game-Verkäufe trägt, geht es in dieser Schlacht um mehr als nur einige Millionen. Die wachsende Unterstützung von Unternehmen wie Microsoft und Spotify für Epic könnte zu einem Präzedenzfall mutieren und die 30-Prozent-Abgabe für weitere App-Stores grundsätzlich zur Diskussion stellen. „Diese Entwicklung dürfte auch für Streaming-Plattformen sowie die Hersteller von Spiel-Konsolen von besonderem Interesse sein. Mit Fortnite könnte sich nämlich die Frage klären, wieviel Vertriebsprovision für den Download eines Spiels zukünftig erhoben wird“, erklärt Daniel.
Mit Vorfreude würden darüber hinaus neue Konsolen wie die PS5 von Sony oder die X-Box Series X von Microsoft in der zweiten Jahreshälfte erwartet. Diese sorgten üblicherweise für eine Flut von neuen Spielen und für Termindruck bei Entwicklern und Designstudios. Denn die Spiele sollen pünktlich zur absatzstärksten Zeit, dem Weihnachtsgeschäft, verfügbar sein.
Investoren, die vom Wachstumstrend Online-Gaming profitieren wollen, sollten laut Adrian Daniel aber einige Punkte beachten. Da es dank globaler Vernetzung der Gaming-Community eine Konzentration der Nachfrage bei Computerspielen gebe, ändere sich das Chance-Risikoprofil der Entwicklung. Ein Beispiel dafür sei CD Projekt aus Polen – das Unternehmen setze mit der lang ersehnten Veröffentlichung des Spiels „CyberPunk 2077“ am 19. November 2020 alles auf eine Karte. Eine Verschiebung der Fertigstellung sorgte im Jahresverlauf bereits für eine stärkere Volatilität der Aktie, weil ansonsten nur ein weiteres Spiel mit „The Witcher“ die Umsätze der Firma dominiert. Sollte die Nachfrage des Spiels jedoch nicht den hohen Erwartungen entsprechen, wären hier für Investoren zumindest einige stärkere Schwankungen der Anteilsscheine vorprogrammiert.
„Für langfristige Anleger ist es sinnvoll, das Risiko des Erfolgs einzelner Spiele möglichst zu minimieren“, betont Daniel. Hier helfe es entweder, auf eine größere Anzahl von Unternehmen zu setzen, die Auswahl einem aktiven Fondsmanager zu überlassen oder sich auf Geschäftsmodelle zu fokussieren, die das Risiko im Voraus begrenzen. Das gelte zum Beispiel für Entwicklungs-Plattformen mit einer Vielzahl von Studios oder wiederkehrenden AAA-Games. Nach Ansicht Daniels sei zudem eine globale Ausrichtung für Investitionen in diesen Sektor zwingend erforderlich. Der weltgrößte Markt für Computerspiele ist mit ca. 725 Millionen Nutzern und einem laut Statista geschätzten Umsatz von mehr 24,5 Milliarden Euro im Jahr 2020 China.
„Investoren haben zudem die Möglichkeit, entlang der Wertschöpfungskette auf die Anbieter der notwendigen Hardware zu setzen. Mit Nvidia, dem führenden Grafikchip-Designer, konnten Anleger in diesem Jahr ihr investiertes Kapital bereits mehr als verdoppeln“, berichtet Daniel. Zu guter Letzt sei eine ergänzende Prüfung der Unternehmen auf Nachhaltigkeitsaspekte sinnvoll. Unternehmen wie Flutter Entertainment beispielsweise seien mit dem Angebot von Online-Glücksspiel einem erhöhten regulatorischen Risiko ausgesetzt.
„In Summe haben langfristige Anleger eine breite Auswahl an Möglichkeiten, um von dem strukturellen Wachstumstrend zu profitieren“, sagt Daniel. (ah)