Ohne Garantien auf neuen Wegen
05.08.2015
Weil die konservative Lebensversicherung unter dem LVRG, dem Niedrigzins, der Zinszusatzreserve und auch Solvency II ächzt, propagieren viele Versicherer ihre fondsgebundenen Policen mit einem Mix aus Renditechance und Garantien.
Damit entsprechen sie nach eigener Aussage den Wünschen der Kunden. Doch jetzt ist mit Standard Life ein Unternehmen ausgeschert und hat Garantien abgeschafft. Hierüber und über die künftige Strategie sprach die finanzwelt mit Andrea Helmerich, bei Standard Life verantwortlich für das Thema „Strategy & Business Planning“.
finanzwelt: Ihre Branche ist sich eigentlich einig, dass Altersvorsorge Sicherheit braucht. Vor diesem Hintergrund sind in den vergangenen Jahren nahezu überwiegend fondsgebundene Versicherungen auf den Markt gekommen, die Rendite mit Garantien verbinden. Warum geht Standard Life jetzt den umgekehrten Weg und trennt sich von Garantien? Welche Strategie für die Zukunft steckt dahinter?
Helmerich: Standard Life verfolgt traditionell eine andere Strategie als viele Mitbewerber und stellt die renditefokussierte Anlage in den Vordergrund. Wir wollen unsere Kunden mit einer attraktiven Rendite dabei unterstützen, ihre Vorsorgeziele zu erreichen. Bereits als wir 1996 an den deutschen Markt gingen, beschränkten wir uns auf eine niedrigere Garantie, um den Kunden höhere Renditechancen bieten zu können. Unter den veränderten Kapitalmarktbedingungen und der heutigen Zinssituation sind wir zu der Entscheidung gekommen, dass für den Kunden ein Garantieprodukt kein befriedigendes Ergebnis mehr erzielen kann. Daher war die Entscheidung nicht zuletzt unter Kundengesichtspunkten konsequent.
finanzwelt: Sie sind in Deutschland bislang überaus erfolgreich tätig. Befürchten Sie durch die neue Strategie keinen Geschäftseinbruch?
Helmerich: Natürlich hat die Entscheidung kurzfristige Auswirkungen auf das Neugeschäft. Doch die hohen Zuwachsraten, die wir bei unseren fondsgebunden Produkten ohne Garantien in den letzten Monaten verzeichnen, stimmen uns zuversichtlich, dass unsere Makler die Einschränkungen von Garantien verstanden haben und für ihre Kunden bessere Ertragschancen erreichen wollen. Wir sind davon überzeugt, dass diese Entwicklung weitergehen wird und wir die Erfolgsgeschichte von Standard Life in Deutschland auch in den kommenden Jahren fortsetzen können.
finanzwelt: Der deutsche Kunde gilt als konservativ. Wie wollen Sie mit Ihrem Angebot die Sicherheitsbedürfnisse der Kunden befriedigen?
Helmerich: Momentan stecken der Makler und seine Kunden in einem Dilemma. Der Kunde denkt, dass es in der momentanen Marktlage neben der Garantie auch noch eine ansprechende Rendite geben könnte. Dies wird durch die Verwendung des Illustrationszinssatzes in der klassischen Versicherung, die retrospektiv ermittelt wird, auch leider noch begünstigt. Es wird nicht klar, dass nicht viel mehr als die Garantie zu erwarten ist. Makler haben dieses Dilemma bereits verstanden und beginnen ihren Beratungsansatz zu ändern. Wir halten, auch im Sinne unserer Kunden, aktiv gemanagte Fondspolicen mit geringen Schwankungsbreiten und stabiler Performance für den richtigen Weg. Im Rahmen unserer fondsgebundenen Produkte „Maxxellence Invest“ und „Park Allee“ haben wir bereits hervorragende Lösungen, die wir in den kommenden Monaten noch ausbauen werden.
finanzwelt: Fondspolicen erreichen aber bislang nur einen bestimmten Kundenkreis, ihr Anteil am gesamten Altersvorsorgemarkt ist eher übersichtlich. Wo liegen die Ursachen hierfür?
Helmerich: Sicherlich haben viele Kunden ein falsches Bild von Fondspolicen. Sie sehen sie als risikoreiches Fondsinvestment in einem Versicherungsmantel. Dies trifft aber schon lange nicht mehr zu. Fondspolicen bieten den Kunden im Vergleich zu vielen anderen Vorsorgeprodukten deutlich bessere Investmentmöglichkeiten. Dazu gehören neben einer attraktiven Fondsauswahl auch die erwähnten Konzepte für risikoaverse Kunden. Zusätzlich haben Kunden und Berater die Möglichkeit, das Investment flexibel an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich diese Vorteile bei den Kunden durchsetzen werden und es im fondsgebundenen Marktsegment in den kommenden Jahren großes Wachstumspotenzial gibt.
finanzwelt: Ist die Branche denn veränderungsfähig – etwa hinsichtlich Weiterentwicklungen?
Helmerich: Die Branche wird sich verändern müssen, um künftig erfolgreich zu sein. Grundlegend veränderte Bedingungen an den internationalen Kapitalmärkten, die zunehmende Regulierung und die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Kundenverhalten werden in den kommenden fünf bis zehn Jahren für einen strukturellen Wandel sorgen. Ganz entscheidend ist aus meiner Sicht, dass sich Makler und Versicherer frühzeitig auf die anstehenden Veränderungen vorbereiten. Sie sollten bereits jetzt ihre Strategien und Geschäftsmodelle überprüfen und gegebenenfalls an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Dies wird aus meiner Sicht der Schlüssel zum Erfolg sein.
finanzwelt: Kommen wir zum Abschluss noch auf mögliche oder erwartbare Veränderungen im Maklermarkt zu sprechen. Wie wird sich dort die neue Produktwelt auswirken?
Helmerich: Die Bedingungen an den Kapitalmärkten haben sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Die anhaltende Niedrigzinsphase sorgt dafür, dass klassische Versicherungsprodukte stark an Bedeutung verlieren und die Versicherer ihr Produktangebot grundlegend überarbeiten werden. Die Produktwelt der Zukunft wird ohne Zweifel deutlich komplexer werden und der Beratungsbedarf der Kunden weiter steigen. Die Makler haben dies bereits verstanden. Sie wollen ihre Kunden wertvoll beraten und aufklären, damit es in 20 Jahren keine böse Überraschung gibt.
finanzwelt: Auf der einen Seite nimmt die Komplexität zu, auf der anderen Seite gewinnen aber Online-Portale immer mehr an Bedeutung. Welche Folgen wird die zunehmende Digitalisierung haben?
Helmerich: Sie wird das Kundenverhalten nachhaltig verändern und dadurch ebenfalls Druck auf die Branche ausüben. Es ist eine Zweiteilung des Marktes zu erwarten. Auf der einen Seite wird das Geschäft mit standardisierten Online-Produkten im Zuge der Digitalisierung stetig wachsen, auf der anderen Seite werden unabhängige Makler mit ihrer hochwertigen Beratung im Premiumsegment punkten können. Ich gehe davon aus, dass sich diese Entwicklung in den kommenden Jahren deutlich beschleunigen wird.
finanzwelt: Hinzu kommen neue regulatorische Erfordernisse und damit auch etwa die Auswirkung des LVRG auf die Provisionen. Wird dies zu gravierenden Veränderungen im Maklermarkt führen?
Helmerich: Die zunehmende Regulierung wird ohne Zweifel zu großen Veränderungen führen. Die nächsten Regulierungsschritte werden auf mehr Transparenz, einen höheren Verbraucherschutz, bessere Kundenergebnisse und mehr Qualität in der Kundenberatung abzielen. Dies wird für die Berater einen deutlich größeren Qualifizierungs- und Weiterbildungsaufwand mit sich bringen. Auch bei der Vergütung wird sich einiges verändern. Das Provisionsmodell wird zwar weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Ich erwarte allerdings, dass laufende Provisionen künftig einen deutlich größeren Stellenwert haben werden und die Honorarberatung stark an Bedeutung gewinnen wird. Unabhängig davon, ob der Vermittler ein Honorar oder eine Provision erhält, wird es für ihn ganz entscheidend sein, dem Kunden den Wert der Beratung vermitteln zu können. Bei allen anstehenden Herausforderungen sollte man eines nicht vergessen: Die anstehenden Veränderungen werden für hochqualifizierte, professionell aufgestellte Makler sehr große Chancen bieten. (hwt)