Ölpreisrückgang und die Folgen
07.04.2015
© Sergiy Serdyuk
Der niedrige Ölpreis zwingt Investoren, ihr Portfolio auf den Prüfstand zu stellen. Zu dieser Einschätzung kommt eine Expertenrunde des Asset Managers Janus Capital.
(fw/ah) „Die Situation sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite spricht dafür, dass die Phase eines niedrigen Ölpreises noch sehr lange andauern wird", sagt George Maris, Fondsmanager bei Janus. Investoren müssten die einzelnen Asset-Klassen, Anlageregionen, Branchen und Emittenten nun differenziert betrachten. Angesichts einer stärker entkoppelten Weltwirtschaft und zunehmender Unsicherheiten lasse sich derzeit noch nicht endgültig einschätzen, wer die Gewinner und Verlierer des starken Preisrückgangs der vergangenen Monate sein werden.
Einig sind sich die Janus-Experten George Maris und Hiroshi Joh, dass durch die niedrigeren Energiepreise die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte steigen werden. Dennoch sollten die Dynamik dieses ökonomischen Effektes nicht überschätzt werden. „Das Ausgabeverhalten wird sich so lange nicht signifikant ändern, bis die privaten Haushalte davon überzeugt sind, dass der Preisrückgang nicht nur eine kurze Episode, sondern langfristiger Natur ist", erwartet Maris. Profitieren werden nach Einschätzung der Experten auch Länder, die zu den Netto-Ölimporteuren gehören. Durch die sinkenden Energiekosten verbesserten sich ihre Handelsbilanzen und Staatsfinanzen. Gleichzeitig sinke die Inflation, was den nationalen Notenbanken Spielraum gebe, die Zinsen zu senken und so die Konjunktur anzukurbeln.
Chriz Diaz, Head of Global Rates bei Janus, mahnt zu einer differenzierten Betrachtungsweise: „Der niedrige Ölpreis ist ein zweischneidiges Schwert. Für die Mehrheit in der Welt ist das zweifellos eine gute Sache, aber auf der anderen Seite wachsen dadurch auch systemische Risiken." So bestünden etwa die Exporte eines Landes wie Venezuela zu 90 Prozent aus Öl oder ölabhängigen Produkten. Gleichzeitig seien Venezuela und der staatseigene Ölkonzern PDVSA zwei der Top-Fünf-Emittenten im Hochzinsbereich. Nach Einschätzung von Diaz werden die Risikoprämien von Ländern wie China und Indien sinken, während sie bei Russland und Brasilien eher steigen werden. „Das Volumen ausstehender Hochzinsanleihen liegt bei 1,4 Billionen US-Dollar. Ungefähr 220 Milliarden Dollar davon entfallen auf den Energiesektor – knapp ein Drittel davon ist notleidend", ergänzt Chris Nielsen, der für Janus als Kreditanalyst für den globalen Energiesektor arbeitet.
Die Experten raten Bondinvestoren vor diesem Hintergrund, ihr Anleihedepot zu überprüfen und gegebenenfalls umzuschichten. „Wir haben in unseren Portfolios das Risiko von rohstoffabhängigen Währungen reduziert und sind aus dem kanadischen Dollar ebenso ausgestiegen wie aus der norwegischen Krone", so Diaz. „Auch das Engagement in australischen und neuseeländischen Anleihen haben wir reduziert. Im Gegenzug investieren wir stärker in Anleihen, die auf koreanischen Won, indische Rupie und den Singapur-Dollar lauten." Dennoch sollten Anleger den Energiesektor nicht komplett meiden, empfiehlt Chris Nielsen. „Es gibt eine Reihe potenzieller Faktoren und Ereignisse, die sehr schnell Wirklichkeit werden können, wie etwa eine geopolitische Krise oder eine komplette Kehrtwende in der Förderpolitik der OPEC. Dann werden die Karten wieder neu gemischt."