Ölpreis – wie geschmiert oder glitschige Ölspur?
15.09.2022
Guido vom Schemm, Geschäftsführer GVS Financial Solutions / Foto: © GVS
Die Inflation steigt spürbar, explodierende Energiekosten sind in aller Munde und versetzen (nicht nur) die deutsche Bevölkerung in Schockstarre. Ein Treiber ist der starke Anstieg bei Energiekosten, so auch beim Ölpreis. Dieser Preisanstieg ist vor allem auf die politische Situation im Osten zurückzuführen. Sowohl Anleger als auch Verbrauchen stellen sich die Frage, ob der Ölpreis in den nächsten Wochen einbricht oder einen neuen Anlauf auf die 100 US-Dollar-Marke nimmt.
Ölpreis mit hoher Volatilität
Nach dem militärischen Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar dieses Jahres, hat der Ölpreis nochmal stark zugelegt. Bis zu 10 Prozent schnellte der Preis für das schwarze Gold nach dem Angriff in die Höhe, da Russland eines der größten Ölförderländer ist. Aufgrund der auferlegten Sanktionen fiel der Öllieferant für den Westen fast komplett aus. Russland fördert unter normalen Umständen 10,5 Millionen Barrel am Tag – das sind fast 20 Prozent der weltweiten Förderung.
Im Laufe des Sommers machten sich dann Rezessionsängste breit, sodass der Preis des schwarzen Goldes deutlich korrigierte. Diese politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten sorgten dafür, dass sich der Ölpreis im Jahr 2022 sehr volatil entwickelt. So lag das Jahrestief der Nordseesorte Brent bei knapp 78 US-Dollar und das bisherige Jahreshoch bei 139 US-Dollar.
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Grafik: @ GVS Financial Solutions GmbH[/caption]
Rezession als Zündholz für fallenden Ölpreis
Die Ökonomen warnen seit geraumer Zeit vor einer Rezession, also einem Wirtschaftsabschwung. Dieser würde die Nachfrage nach Öl deutlich abschwächen. Zahlreiche globalen Konjunkturdaten und Indikatoren weisen bereits darauf hin, dass sich zumindest die verarbeitende Industrie in allen wichtigen Weltregionen in der Rezession befindet. Das Münchner IFO-Institut hat seine Konjunkturprognose für dieses und das kommende Jahr vor allem wegen der hohen Energiepreise drastisch abgesenkt. Im kommenden Jahr erwartet das Institut ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent, für dieses Jahr nur noch 1,6 Prozent Wachstum.
OPEC – Das Zünglein an der Ölwaage
Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), ist naturgemäß an einem möglichst hohen Ölpreis interessiert. Dies wird sie zwingen, auf die sinkenden Notierungen mit weiteren Produktionskürzungen zu reagieren, um so das Angebot zu verknappen. Im Oktober sollen wegen der sinkenden Ölpreise täglich 100.000 Barrel weniger gefördert werden als im September. Die jüngste Produktionsausweitung der von Saudi-Arabien und Russland dominierten OPEC+ wird damit rückgängig gemacht.
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Grafik: @ GVS Financial Solutions GmbH[/caption]
Im Gesamtbild der globalen Angebots- und Nachfragesituation blieb diese Drosselung jedoch bedeutungslos. Im vergangenen Monat hat die OPEC+ ihre Förderquoten um die gleiche Menge gesteigert.
Anleger sollten wachsam bleiben
Damit der Ölpreis der Sorte Brent wieder deutlich über 100 US-Dollar steigt, müsste entweder die Weltwirtschaft stark wachsen und somit die Ölnachfrage explodieren oder eine neue Eskalationsstufe im Russland-Konflikt die Angst auf der Angebotsseite schüren. Beide Szenarien halten wir derzeit für eher unwahrscheinlich. Unserer Meinung nach ist es wahrscheinlicher, dass sich die weltweite Konjunktur abschwächt und somit die Nachfrage sinkt. Zudem forciert die Politik den Wechsel von Öl auf erneuerbare Energien oder anderen Alternativen. Langfristig besteht daher struktureller Gegenwind. Attraktive Einstiegschancen beim Öl und Ölaktien bieten sich derzeit erst bei Ölpreisen unter 70 US-Dollar an. Bis dahin sollten Anleger ihr Ölpulver trocken halten, um nicht vorher auf dem schwarzem Gold auszurutschen.
Gastbeitrag von Guido vom Schemm, Geschäftsführer GVS Financial Solutions