Nur scheckheftgepflegt oder doch lieber gut umsorgt
14.11.2023
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Das bestehende Pflegesystem steht vor dem Kollaps. Mit der Langlebigkeit der Bevölkerung wächst die Anzahl der Pflegefälle. Die Babyboomer gelangen in das Rentenalter und viele aktive Pflegefachkräfte verlassen so das Pflegesystem. Die ebenfalls geburtenstarke Generation X schließt unmittelbar an. In den Folgejahren drängen die Pensionierten dann als Pflegefälle zurück in das Pflegesystem.
Das aktuell bestehende Ungleichgewicht könnte morgen oder übermorgen endgültig kippen. Kritischen Experten zufolge wird menschenwürdige Pflege selbst mit üppigem Finanzpolster bald unerschwinglich. Schon jetzt müssen Angehörige und Sozialkassen vielfach Pflegebedürftigen beispringen, damit diese über die Runden kommen. Die demografische Entwicklung verspricht ein kapitales Desaster.
Politische Lösungen
Diese Missstände sind weitgehend bekannt und lassen sich von der Politik nicht mehr kleinreden. Der Flaschenhals Pflege wird enger und die jüngsten Pflegereformen überzeugten wenig. Statt tragfähiger Lösungen zur gut ausfinanzierten Pflegezukunft erhalten Betroffene kleinere Geldpflaster unterhalb des Inflationsniveaus. Rund fünf Millionen Pflegebedürftige leben entweder in ca. 16.000 Pflegeheimen oder wohnen noch zu Hause bzw. bei pflegenden Angehörigen. Die privat Untergebrachten können auf etwa 15.400 ambulante Pflegedienste zugreifen. Das liegt auf Linie der Politik, die Pflegebedürftige möglichst lange im vertrauten Umfeld belassen möchte. Was zuerst angenehm klingt, bedeutet für die pflegenden Angehörigen Mehrfachbelastungen, weniger Zeit für den Job inklusive reduziertes Einkommen, eventuellen sozialen Abstieg sowie schlimmstenfalls Burnout, Krankheit, Verschleiß und eigenen Pflegebedarf. Die pflegenden Angehörigen stemmen zwar über 80 % der Pflegefälle und tragen zur erheblichen Entlastung der Pflegetöpfe bei, der angemessene finanzielle Ausgleich bleibt hingegen aus. Dieses Missverhältnis weitet sich aus. Die Schere zwischen politischen Wünschen und den hierfür eigentlich notwendigen Pflegelösungen klafft immer weiter auseinander.
Private Lösungen
Gute Pflege bedarf hoher Absicherung. Eine hohe Absicherung sorgt jedoch nicht zwangsläufig für gute Pflege. Selbst mit einer gefüllten Privatschatulle bleibt die Suche nach einem passenden Pflegeplatz in Reichweite von Familie und Freunden oft vergeblich. Zudem geben Pflegeheime aus wirtschaftlichen Gründen auf, was die Brisanz erhöht. Behörden und Bürokratie sorgen für kostspielige Anforderungen, so dass kaum noch Mittel für eine erforderliche gesunde Ernährung oder nur für ein tägliches Stück Obst bleiben. Die geburtenschwächeren jungen Generationen stellen überdies weniger Beitragszahler und professionelle bzw. private Pflegekräfte. Der Pflegebedarf wächst hingegen. Alternativen wie z. B. eine private häusliche 24/7-Beschäftigung von ausländischen Pflegekräften oder die Nutzung von Pflegeangeboten im Ausland gelten als kostenintensiv und sind zum Teil mit Risiken verbunden. Die Rechtssysteme und Pflegeversorgungen anderer Länder entsprechen oft nicht hiesigen Standards. Im Notfall verschlingen ärztliche Behandlung oder ein spezialisierter Rechtsbeistand gerade im Ausland zusätzliche Geldmittel. Für annehmbare oder sogar eine optimale Pflege wird die private Vorsorge unumgänglich. Auf Sicht drohen geringere gesetzliche Pflegeleistungen, denn Subventionen aus dem Steuersäckel sind begrenzt, auch weil künftig weniger Erwerbstätige für pralle Steuerkassen sorgen sollen. Privater Pflegeschutz avanciert zur Pflicht auf der Beratungsagenda für Privatkunden und mit Blick auf die betrieblichen Versorgungswerke ebenfalls für Unternehmenskunden.
Praktische Lösungen
Pflegedürftigkeit kann jeden jederzeit treffen. Krankheit, Kräfteverfall und Unfälle verschonen keine Altersgruppe. Alpinisten, Extremsportler, Fernreisende oder junge Fahrer leben gefährlicher als manch ein Pensionär. Corona zeigte jüngst wie Kerngesunde als Long-COVID-Patienten im Pflegesystem enden. Die Absicherung von Pflegerenten, Pflegetagegeldern oder Pflegekosten samt laufender Anpassungen gelten als existenzielle Notwendigkeiten. Gut versichern allein reicht jedoch nicht. Alleinstehende, Familien und Paare sollten durchspielen, was Pflegebedürftigkeit im Umfeld verändern kann. Es sind beispielsweise Vollmachten und andere Verfügungen für die Fälle zu unterzeichnen, in denen Pflegebedürftigkeit mit Geschäftsfähigkeit einhergeht. Behörden und Berufsbetreuer sind schnell bei der Hand und mischen im Pflegefall auf gesetzlicher Grundlage unaufgefordert mit. Notfallpläne, gerichtsfeste Dokumente, ein Rechtsbeistand sowie helfende Vertraute bringen Ausnahmesituationen nach dem Pflegefall zügig wieder auf Kurs. Die Vorbereitungen sollten nicht bis zum Pflegefalleintritt warten, denn es stehen häufig weitreichende Entscheidungen sofort an. Nach einem Pflegeeintritt bleibt für das Nachholen wenig Zeit und für wichtige Dokumente ist es dann manchmal sogar zu spät. (gg)
Fazit
Frösche bleiben im sich langsam erhitzenden Wasserbad bis zum Sieden sitzen. Das tragische Ende des Experiments ist bekannt. Jeder sollte für sich, die Politiker für die Allgemeinheit und die Entscheider im Pflegesystem handeln, denn das Pflegesystem überhitzt. Versicherungsmakler nehmen mit ihren Beratungen und Know-how zur Pflegeabsicherung einen enorm wichtigen Platz ein. Bereits jetzt ist eine private Absicherung als Ergänzung der gesetzlichen Versorgungstöpfe unumgänglich. Abwarten und dabei auf Politiker oder auf andere hoffen, schafft lediglich eine unkomfortable Froschperspektive.