Nur eine schlechte Gewohnheit?

15.06.2015

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Die deutschen Sparer haben eine tief emotionale Beziehung zu festverzinslichen Papieren. Anders ist kaum erklärbar, dass sie trotz der miserablen Ertragsaussichten immer noch Milliardenbeträge aus ihren sauer erworbenen Spargroschen in diese Assetklasse stecken.

Den Zahlen des Branchenverbandes BVI zufolge haben die deutschen Vermögensverwalter im 1. Quartal des Jahres Zuflüsse von rund 5,2 Mrd. Euro zu ihren Publikums-Rentenfonds verbucht. Damit haben die privaten deutschen Anleger rund 20 % ihres gesamten Mittelaufkommens in die derzeit wenig attraktive Assetklasse gesteckt. Nimmt man hinzu, dass auch der Absatz der Bundeswertpapiere (ausschließlich Rentenpapiere) unverändert so stark brummt, dass der Fiskus seine Finanzierungsbedürfnisse auch bei langen Laufzeiten zu Zinskosten nahe null decken kann, dann ist das schon ein erstaunlicher und erklärungsbedürftiger Vorgang. Der Verweis auf die niedrigen Leitzinsen der EZB allein reicht hier nicht, in den USA sind die Leitzinsen schon sehr viel länger ähnlich niedrig, trotzdem stehen dort die Renditen der Bundesanleihen (T-Bonds) mit 10jähriger Laufzeit bei 2,13 % und damit wesentlich höher als hierzulande (0,54 % jeweils per Ende Mai). Die wirtschaftlichen Aussichten beiderseits des Atlantiks sind trotz einiger Probleme ganz ordentlich, die Erholung nach der Krise 2008/2009 geht weiter. Der Unterschied zu USA hat offenbar eher etwas mit der Einstellung der Anleger zu tun: Die privaten US-Anleger sind grundsätzlich risikobereiter und stärker auf Aktien orientiert. Sie stoßen daher Festverzinsliche schneller ab, um in andere Anlagen zu wechseln, wenn die erwarteten Erträge der Rentenpapiere unattraktiv werden. Anders in Deutschland, wo Aktien eher selten in den Depots der privaten Haushalte auftauchen und stattdessen Sparbücher, Sparbriefe und Festgeldkonten das Bild dominieren.

Angst vor dem Euro

Die Reaktion ist allerdings paradox: Aus Angst vor dem Euro erhöhen die Anleger mit der starken Gewichtung der festverzinslichen Papiere gerade ihr Euro-Risiko. Allein das zeigt schon, dass es hier nicht um rationale Kalkulationen, sondern um Gefühle geht, die allzu häufig propagandistisch verstärkt werden, um sie besser ausbeuten zu können. Man denke nur an die unermüdlichen Crash-Propheten wie etwa Günter Hannich, der seit 2009 vor dem „Untergang des Euro" warnt und mittlerweile dazu übergegangen ist, seine wichtigsten Botschaften jährlich fortzuschreiben, beispielsweise von „Spätestens 2014 kommt der €uro-Untergang. Sorgen Sie jetzt vor!" zu „Spätestens 2015 kommt der €uro-Untergang. Sorgen Sie jetzt vor!" und vom Euro als „Endlösung für Europa" (so ein Buchtitel) spricht. Hier zeichnet sich ein ziemlich unappetitliches Gemenge aus braungeränderter Hetze und unlauterer Geschäftemacherei ab. Die Finanzbranche tut gut daran, sich aus diesem Sumpf herauszuhalten und sich auf rationale Argumentationen zu beschränken.

Eine rationale Betrachtung der Anlagechancen knüpft bei den Schätzungen für die Assetklassen an, die konkret zur Verfügung stehen.

Der jüngst vom Research der schwedischen Großbank SEB veröffentlichte Ausblick zeigt die Möglichkeiten der einzelnen Segmente unter den festverzinslichen Anlagen auf: Festgeld („Cash") bleibt völlig unattraktiv, im Euro (und auch der Krone) werden sogar negative Renditen für die nächsten 12 Monate geschätzt und selbst auf Dollar-Basis bleibt es bei mageren 0,2 %. Auf den ersten Blick überraschend positiv werden die Renditen für die Staatsanleihen der Eurozone mit 1 % geschätzt. Dahinter stecken Kursgewinne, die im Jahreshorizont anfallen müssten, wenn die Laufzeitrenditen noch ein wenig weiter gedrückt werden. Allerdings sind hier auch die Risiken von Kursverlusten besonders hoch, sofern die Sätze der langen Laufzeiten sich vom Leitzins abkoppeln und dem US-Trend folgen sollten. Daher rechnet das SEB-Research bei Staatsanleihen mit einem höheren Risiko als bei den spekulativen Unternehmensanleihen (Corporate High Yield), die mit einer Ertragserwartung von 4 % auf die nächsten 12 Monate gerechnet auch wesentlich bessere Chancen bieten – immer ein diversifiziertes Portfolio über die Branchen und Regionen vorausgesetzt. Ähnliches gilt auch für die Unternehmensanleihen mit Investmentqualität („Investmentgrade"), die mit einer Ertragserwartung von 1,6 % die Staatsanleihen auch noch klar übertreffen im Verbund mit den absolut niedrigsten Risikoparametern aller Anleiheklassen.

Die Anleihen der Emerging Markets bringen derzeit das höchste Risiko ein.

Die anziehende Konjunktur der Industriestaaten hat neben der Stimulierung der Exporte aus den Emerging Markets auch negative Effekte: Zunächst sehen die SEB-Analysten einen Aufwärtstrend bei den Renditen anlaufen, zu dem eine schwächere Tendenz der Währungen kommt. Beides zusammen drückt auf die Kurswerte und schmälert damit die Erträge. Dennoch bleibt dieses Segment mit erwarteten Erträgen von ca. 6,5 % der entscheidende Rendite-Bringer. Aus diesen Schätzungen heraus lässt sich eine Portfolio-Idee mit folgenden Gewichte entwickeln: Der Löwenanteil (60-80 %) sollte in zwei gleichgroßen Blöcken den High Yield Unternehmensanleihen und den Anleihen der Emerging Markets zugewiesen werden, also jeweils etwa 30 bis 40 %. Dazu kommt der kleinere, auf Stabilisierung ausgerichtete Teil mit Unternehmensanleihen in Investmentqualität. Diese Portfolio-Struktur käme dann rechnerisch auf einen erwarteten Ertrag von 4 bis 4,5 %. Staatsanleihen würden dabei nicht berücksichtigt, weil sie ein zu ungünstiges Chance-Risiko-Verhältnis bieten: Die deutschen Anleger müssten auf einen guten Teil ihrer liebsten Instrumente verzichten, hätten damit aber eine halbwegs lukrative Anlagestrategie für den (die) von ihnen bevorzugten Markt (Anleihen) gefunden. (mk)

Printausgabe 03/2015