Notenbanken und Containerschiffe – gibt es Parallelen?

20.09.2022

Heiko Löschen, Vermögensverwalter der GSP Asset management GmbH / Foto: © GSP

Wenn bei einem Containerriesen der Kurs geändert werden soll, so gelingt das nicht abrupt und schnell. Es bedarf einiger vorausschauenden Vorbereitung und des Wissens um die Trägheit der Kräfte. Wird das Ruder auf der Brücke um ein paar Grad gen Backbord bewegt, so kann es eine gehörige Zeit dauern, bis das Schiff auf Zielkurs fährt. Die „Vollbremsung“ eines der großen Containerschiffe kann auf dem Meer zwischen vier und sechs Kilometern dauern.

Die Notenbanken und die am meisten beachtete US-Notenbank FED hat es mit ähnlichen Herausforderungen zu tun.

Zu späte oder falsche Entscheidungen nur mit viel Aufwand zu reparieren

Im vierten Quartal des vergangenen Jahres war bereits abzusehen, dass in diesem Jahr hohe Inflationszahlen auf uns zukommen werden. Nachholeffekte aus der COVID19-Pandemie, Störungen in den internationalen Lieferketten, gestiegene Rohstoffpreise und ein Arbeitsmarkt nahe der Vollbeschäftigung waren die Hauptgründe. Weder die FED, noch die Europäische Zentralbank (EZB) stoppten rechtzeitig die sehr expansive Politik und haben erst spät im Lauf des Jahres 2022 ihren Kurs geändert. Der Krieg in der Ukraine und die horrend gestiegenen Energiekosten haben diese Situation exponentiell verschlimmert. Die Auswirkungen von Maßnahmen der Notenbanken zeigen sich ähnlich wie bei einem der Schiffsriesen erst Monate nach der Einleitung. LEIDER!

Kommunikation und öffentliche Wahrnehmung

Zuerst wurde im ersten Quartal des Jahres darüber spekuliert, wie sich die FED verhalten könnte. Aus dem Umfeld der FED kamen die ersten Statements und Kommentare, passiert war aber noch nichts. Die Kapitalmärkte antizipierten bereits mögliche Maßnahmen. Die Kurse der Aktien und der Bonds begannen zu fallen. In der Folge wurde dann die Anhebung der Zinsen beschlossen und mehrere Zinsschritte angekündigt. Parallel dazu wurden in den vergangenen Monaten dem Kapitalmarkt Liquidität entzogen.

Auswirkungen einer strafferen Notenbankpolitik

Höhere Zinsen wirken sich normalerweise negativ für Unternehmen mit hoher Verschuldung aus. Eine geringere Liquidität ist grundsätzlich nicht gut für Kapitalmärkte. Somit fallen die Kurse deutlich. Spannend zu beobachten ist, mit welcher Vehemenz derzeit nach noch drastischeren Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung gerufen wird. Dies könnte als Signal für das gesunkene Vertrauen in die Umsetzungsstärke der FED interpretiert werden, nachdem diese spät, vielleicht sogar zu spät, Stärke und Entschlossenheit gezeigt hat, der Inflation Herr zu werden.

Ausblick für die kommende Monate

Die Wirkung der Notenbankpolitik wird sich zeigen, aber frühestens im vierten Quartal dieses Jahres und im ersten Quartal des kommenden Jahres. Erst dann können wir mit positiven Meldungen zu geringeren Inflationszahlen rechnen. Es dauert schlicht und einfach wie bei einem großen Schiff einige Zeit, bis sich Auswirkung der Maßnahmen entfalten. Inzwischen ist die Rezession in der globalen Wirtschaft überall angekommen.

Gefahr von zu starken Maßnahmen bietet große Chancen

Die Gefahr des Überschießens der Maßnahmen der FED besteht durchaus. Manchmal schlägt das Pendel zu stark aus. Die FED möchte und wird Ihre Stärke zurückgewinnen. Sollte dies aber die Kurse an den Aktienmärkten weiter nach unten treiben, so kann dies hervorragende Chancen für Aktienanleger bedeuten. Günstige Einstiegschancen für langfristig ausgerichtete, unternehmerisch denkende Aktieninvestoren sind bei einem großen Schwenk nach unten in Aussicht. Ein rezessives Umfeld, begleitet von einer Notenbank, die wieder zu Stärke gefunden hat und durch das nun höheren Zinsniveau auch wieder die Möglichkeit gewonnen hat, die Zinsen zu senken und den Kapitalmarkt wieder mit mehr Liquidität zu versorgen, bildet eine hervorragende Ausgangssituation für den Einstieg.

Nur wer mitfährt, kann ans Ziel kommen

Wann der tiefste Punkt an den Aktienmärkten erreicht sein könnte, ist extrem schwer vorherzusagen. Nicht vergessen: wir sind alle Passagiere auf dem Schiff, welches bereits den Kurs in Richtung mehr Kontrolle, Stabilität und Chancen gesetzt hat. Wir sind noch nicht am Ziel, aber auf dem Weg. Ankommen kann aber nur der, der auch seine Fahrkarte gelöst hat und am Aktienmarkt investiert.

Also: Butter bei die Fische!

Kolumne von Heiko Löschen, Vermögensverwalter der GSP asset management GmbH in Münster