Not macht Erfinderisch

06.03.2023

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2023 droht einer Studie des Eduard-Pestel-Instituts und des Bauforschungsinstituts ARGE im Auftrag des Verbändebündnisses „Soziales Wohnen“ zufolge ein Wohnungsmangel in Rekordhöhe. Laut den Ergebnissen fehlten über 700.000 Wohnungen, das größte Defizit an Wohnraum seit über 20 Jahren. Gleichzeitig ist das Ziel der Bundesregierung in der aktuellen Legislaturperiode, 400.000 neue Wohnungen zu bauen, im vergangenen Jahr weiter in die Ferne gerückt. Die Lücke zwischen Bedarf und Umsetzung wächst demnach immer weiter. Die Immobilienwirtschaft steht vor einer kaum zu bewältigenden Mammut-Aufgabe,  diese Lücke zu schließen – besonders im aktuellen Marktumfeld nur schwer denk-bar. Um voranzukommen, schaffen kreative Ansätze möglicherweise zumindest etwas Abhilfe. Dazu gehört auch die Umnutzung von Bestandsimmobilien anderer Nutzungsarten, um mehr Wohnraum zu schaffen.

In Berlin wurde ein altes Postamt zu Wohnungen und einem Café umgebaut, eine Brikettfabrik in der Nähe von Köln verwandelte sich in Wohn- und Gewerbeflächen und in einen alten Wasserturm in Essen hielten Wohnungen und Büroräume Einzug. Das sind nur drei Beispiele aus einer langen Liste für erfolgreiche Umnutzungsprojekte in ganz Deutschland. Die Möglichkeiten dabei sind vielfältig. Eine Studie im Auftrag des Verbändebündnisses „Wohneigentum“, ebenfalls vom Pestel-Institut und ARGE durchgeführt, von 2021 belegt, dass allein durch die Umnutzung von 136 Millionen Quadratmetern durch Homeoffice über-flüssig gewordene Büroflächen bis 2025 235.000 neue Wohnungen entstehen könnten. Bis 2040 könnten sogar 1,86 Millionen Wohnungen auf ehemaligen Büroflächen entstehen. Die Studie zeigte zudem auf, dass die Baukosten pro Quadratmeter geringer ausfielen. Bei  einem Neubau müssten rund 3.123 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche investiert werden, beim Umbau eines Bürogebäudes lediglich 1.624 Euro.

„Gewerbeleerstand – bis hin zu zentralen Innenstadtlagen aus dem Einzelhandel – kann durch Umnutzungen absorbiert werden. Neben Wohnen in Innenstadtlagen können so auch Gebäudeteile in bedarfsorientierte Gewerbeflächen umgenutzt werden. Die Umnutzung bestehender Flächen unterstützt auch die klimapolitischen Ziele, weil sie in der Regel weniger Ressourcen verbraucht. Die Umnutzung von ehemaligen Kaufhof-/Karstadtobjekten in zentraler Innenstadtlage sind plakative Beispiele“, erläutert Kai Wolfram, Managing Partner Engel & Völkers Investment Consulting. Zudem sei Umnutzung von Immobilien in der Regel ‚ESG-konformer‘. „Es ist keine neue Flächenversieglung nötig, wie es bei Neubau der Fall ist. Umnutzung bedeutet außerdem weniger Ressourcenverbrauch gegenüber dem Neubau. Zu diesem Argument gehört auch, dass Werkstoffe bestehender Gebäude beim Rückbau nicht vollständig getrennt und wiederverwertet werden können. Und nicht zuletzt schafft Umnutzung oder Umwandlung mehr Potenzial für die Erneuerung der Versorgung. So können moderne und energiesparende Betriebskonzepte umgesetzt werden“, führt Wolfram weiter aus. Umnutzungsprojekte in Ballungsgebieten und Metropolregionen bieten also nicht nur neue Chancen für mehr Wohnraum, sondern bringen auch das Thema Nachhaltigkeit voran.

Warum wird nicht bereits mehr Umnutzung realisiert?

Obwohl Umnutzungskonzepte viel Potenzial mit sich bringen, werden sie in der Realität eher selten umgesetzt. Das liegt an verschiedenen Herausforderungen, die eine Umnutzung birgt. Auch für das Serviced Apartment-Konzept der immero Real Estate Group, YUMA, ist Umnutzung durchaus interessant. Laut Gründer und CEO, Dr. Carsten Schäfer, können Hotelimmobilien zu YUMA-Apartments umfunktioniert werden, passende Objekte seien bereits in der Prüfung. Dementsprechend beschäftigt auch er sich mit dem Thema und weiß um seine Komplexität. „Wenn man Asset-Klassen übergreifend transformiert, etwa Büros zu Wohnungen oder Apartments, greift man massiv in die Statik der Objekte ein. Das birgt ein hohes und teilweise unkalkulierbares Kostenrisiko. Deswegen bevorzugen wir bei YUMA Transformationen, die sich mehr oder weniger in der gleichen Nutzungsart bewegen. Eine weitere Herausforderung ist das öffentliche Baurecht, das gewisse standort- und nutzungs-abhängige Anforderungen an eine Immobilie stellt. Gegebenenfalls sind diese Anforderungen im Zuge der Umnutzung nicht oder nicht mehr zu erfüllen“, so Dr. Schäfer.

Zudem fehle es laut Wolfram an einer Erfassung von Bestandsimmobilien, die zu einer Umnutzung geeignet sind, mit allen nötigen Informationen, wie z. B. den verwendeten Werkstoffen. Dabei gehe es besonders um die fehlende Digitalisierung in Deutschland. „Planung erfordert Kompetenzen“, kommentiert Wolfram. Neben baurechtlichen Hürden stellt sich also auch die Finanzierungsfrage, denn unter fehlenden Informationen leidet die Planbarkeit und damit die Finanzierbarkeit. Trotz grundsätzlich geringerer Investitionskosten im Vergleich zu Neubauwohnungen, muss das Kostenrisiko auch für mögliche Value-Add-Investitionen kalkulierbar bleiben. Eine staatliche Förderung wäre hier also von Vorteil. Das bestätigt auch Kai Wolfram: „Förderung und Abschreibungsmöglichkeiten auf die Investitionsbedarfe würden Umnutzungen auf jeden Fall unterstützen.“ Entsprechende, breit verfügbare Angebote sind bislang aber nicht vorhanden. Städte und Gemeinden fördern im Einzelfall konkrete Projekte. Dennoch ist sich Wolfram sicher: „Wir sind der Überzeugung, dass Umnutzung ein Trend ist, der sich in den nächsten Jahren stärker durchsetzen wird. Spätestens mit der verbindlichen Festsetzung von ESG-Anforderungen an den Gebäudebe-stand wird der Trend an Bedeutung gewinnen.“ (lb)