Noch keine Klarheit beim Provisionsverbot

18.09.2013

Foto: © Sergey Nivens - Fotolia.com

Die EU-Vermittlerrichtlinie „IMD II" verschärft die Bedingungen für den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten (PRIPs). Kommt das Provisionsverbot bei Fondspolicen? Noch ist vieles offen.

Die Meldung der „Süddeutschen Zeitung" (SZ) sorgte für Aufregung bei den Versicherungsvermittlern: Die Versicherungswirtschaft will die nächste Bundesregierung drängen, die Provisionen von vermittelten Lebensversicherungsverträgen gesetzlich deckeln zu lassen. Dies berichtete das Blatt im August unter Berufung auf ein Schreiben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) an Mitgliedsunternehmen. Die Provisionen sollen auf maximal 4 % begrenzt werden, während die Stornohaftungszeit auf zehn Jahre verlängert werden soll. Eine Variante sieht eine Kappung auf 2,5 % bei einer Stornohaftungszeit von fünf Jahren vor sowie zusätzlich eine laufende Vergütung von 2 %, gestreckt über die gesamte Laufzeit der Verträge.

Sofort hagelte es Kritik von Verbänden und Maklerpools: „Natürlich müssen wir uns in der Branche aufgrund der Zinssituation über Kostensenkungsmöglichkeiten bei Vorsorgeprodukten unterhalten. Aber dies darf nicht nur einseitig auf dem Rücken der freien Vermittler ausgetragen werden", sagte BCA-Vorstand Dr. Jutta Krienke. Die Deckelung der Provisionen für private Krankenversicherungen und die Zurückhaltung der Kunden beim Abschluss von Altersvorsorgeprodukten hätten bei vielen Vermittlern zu Einkommensverlusten geführt. Eine Regulierung der Einkommen sei daher kontraproduktiv. „Wer zu Recht Qualität in der Beratung fordert und Anforderungen an regelmäßige Weiterbildung aufstellt, muss sie auch durch eine angemessene Vergütung ermöglichen. Die besten Regeln nützen nichts, wenn es am Ende keine Makler und Vermittler gibt, die sie mangels Einkommen noch umsetzen können", ergänzte AfW-Vorstand Frank Rottenbacher. Eine Deckelung der Provisionen wäre aus Sicht des AfW „ein massiver Eingriff in die Privatautonomie und ein ordnungspolitischer Fehler". Die Branche müsse ihre Vergütungsmodelle selbst regeln. Der Vorstoß des GDV bestimmt seitdem die anhaltende Diskussion über Provisionen. Dabei gerät fast in Vergessenheit, dass aus Brüssel weiteres Ungemach für Vermittler droht.

IMD II erzwingt wesentliche Änderungen bei Provisionen. Der Entwurf der europäischen Kommission zur Neufassung der Versicherungsvermittler-Richtlinie „IMD II" sieht wesentliche Neuerungen bei der Offenlegung von Vergütungen und Provisionen vor. „Grundsätzlich soll nach dem derzeitigen Diskussionsstand ein hohes Maß an Transparenz geschaffen werden. Die Meinungsbildung in den zuständigen europäischen Ausschüssen ist noch nicht abgeschlossen. Möglicherweise setzt sich noch durch, dass Transparenz erst auf konkrete Nachfrage hin geschaffen werden muss. Dann allerdings ist der Kunde auf dieses Informationsrecht hinzuweisen", erklärt Thomas Elster, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht. Verschärfte Anforderungen müssen Vermittler von Versicherungsanlageprodukten (Packaged Retail Investment Products/PRIPs) erfüllen, die ihre Beratung als „unabhängig" bezeichnen. Ein Versicherungsvermittler darf sich nur noch „unabhängig" nennen, wenn er eine hinreichende Anzahl von Versicherungsprodukten beurteilt, keine Provision von Dritten erhält und sich nicht auf Angebote einzelner Versicherungen beschränkt. Dies bedeutet de facto ein Provisionsverbot bei Versicherungsanlageprodukten. Elster sieht diese Regelung kritisch: „Ob eine Beratung auf Honorar- oder auf Provisionsbasis erfolgt, hat keine Aussage darüber, welche Beratungsqualität besteht." Zudem sei die unterschiedliche Behandlung von Versicherungsanlageprodukten und sonstigen Versicherungsprodukten weder sachgerecht noch praxistauglich. Der Versicherungsrechtler Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski vertritt sogar die Auffassung, dass die Modifizierung des Begriffs „unabhängig" nicht mit dem europäischen und nationalen Recht vereinbar ist. Für Lebensversicherungen mit Anlageelementen sollen zudem weitreichende Wohlverhaltensregeln gelten. „Die Wohlverhaltenspflichten des Wertpapierbereiches werden entsprechend in den aufsichtsrechtlichen Regelungen des Versicherungsrechtes nachgebildet, also dort eigens geregelt", erklärt Elster. Dies bedeute aber nicht, dass Vermittler ohne Zulassung nach § 34f Gewerbeordnung (GewO) keine Fondspolicen mehr verkaufen dürfen. Da Versicherungsanlageprodukte nicht zum Geltungsbereich dieser Norm zählen, werden Vermittler laut Elster hierfür keine Erlaubnis nach § 34f GewO benötigen.

Entwarnung für Vermittler von Fondspolicen ohne 34f, aber… Doch auch so bringt die Richtlinie große Herausforderungen für Vermittler mit sich. „Die Themen, zu denen es Änderungen geben wird, sind bekannt, erste Überlegungen zur Anpassung des eigenen Geschäftsmodells sind geboten", rät Elster. Konkret könne eine Vorbereitung auf die neue Rechtslage beginnen, wenn gegen Ende des Jahres die Ergebnisse der europäischen Beratungen vorliegen. „Es wird um Anpassung der Geschäftsmodelle gehen an die neuen Offenlegungspflichten zu Gebühren. Es kann um die Entscheidung gehen, ob man sich des Prädikates ‚unabhängig' im Bereich der Versicherungsanlageprodukte bedienen möchte. Die Wohlverhaltensregeln sind in den Geschäftsabläufen, in der Unternehmensorganisation und in den Vertragswerken zu berücksichtigen", so Elster. Schwintowski ist dagegen der Meinung, dass sich Vermittler derzeit nicht auf die Neuerungen vorbereiten müssen, weil unklar sei, welche es tatsächlich geben wird: „Vieles spricht dafür, dass die Richtlinie den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht einräumen wird. In Deutschland wird man von diesem Wahlrecht Gebrauch machen und alles so lassen, wie es ist." Zustimmung erhält er aus der Politik – zumindest was die Provisionen betrifft: Der österreichische ÖVP-Politiker Othmar Karas, Vizepräsident des EU-Parlaments, erwartet nicht, dass das Provisionsverbot bei Versicherungsanlageprodukten so umgesetzt wird, wie es von der Europäischen Kommission vorgeschlagen wird. Dies erklärte er im August auf einem Expertentreffen in Österreich. „Alle ihre Bedenken und Vorschläge liegen im Parlament auf dem Tisch", sagte er den anwesenden Versicherungsmaklern. „Lösen wir uns von der Angst. Das Provisionsverbot kommt so, wie es vorgeschlagen wurde, nicht."

Kurz und bündig

Sobald die Ergebnisse des europäischen Gesetzgebungsverfahrens vorliegen, müssen sich Versicherungsvermittler auf die zu erwartenden Änderungen durch die Richtlinie „IMD II" vorbereiten. Verschärfte Bedingungen beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten können eine Anpassung ihres Geschäftsmodells erfordern. Da es sich um eine Richtlinie handelt und noch eine Umsetzung in das Recht der Mitgliedsstaaten erforderlich ist, kann es durchaus bis 2015 dauern, bis die Umsetzung in deutsches Recht erfolgt ist.

(Kim Brodtmann)

IMD II / PRIPs - Printausgabe 05/2013