Nichts für schwache Rechner!
02.02.2015
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Die Schweiz hat nach der Entkoppelung des Franken vom Euro den Negativzins Mitte Januar auf minus 0,75 % gesenkt, in Deutschland belasten inzwischen schon mehrere Banken große Einlagen unter bestimmten Voraussetzungen mit Strafzinsen. Gleichzeitig drängen institutionelle Investoren aus dem In- und Ausland auf den deutschen Immobilienmarkt.
Kein Wunder, dass für immer mehr Bundesbürger der Kauf einer Immobilie attraktiv wird: Baufinanzierungen gibt es schon zu Zinsen von deutlich unter 2 % jährlich, bei guter Bonität vereinzelt sogar unter 1 %. Profis raten dennoch zur Abwägung mit kühlem Kopf. Mit dem ausschließlichen Blick auf niedrige Zinsen ist die Entscheidung für oder wider Immobilienerwerb unvollständig. Denn auf den ambitionierten Bauherren bzw. Immobilienkäufer wartet eine denkbar breite Palette an Finanzierungsangeboten:
Annuitätendarlehen mit monatlichen Raten in konstanter Höhe. Zins- und Tilgungsanteil an der monatlich zu leistenden Rate ändern sich im Zeitablauf, der Betrag bleibt gleich.
Für endfällige Darlehen ist während der Laufzeit keine Tilgung zu zahlen – diese wird vielmehr in einem Betrag am Ende der Kreditlaufzeit fällig.
Darlehen mit variablen Zinsen können in Hochzinsphasen eine Option sein, wenn der Kreditnehmer auf sinkende Zinsen hofft – das aktuelle Zinstief macht ihren Einsatz derzeit sinnlos.
Festzinsdarlehen mit Ausstiegsoption erlauben dem Darlehensnehmer eine Kündigung des Darlehens vor dem Ende der Laufzeit – diese zusätzliche Flexibilität wird in aller Regel mit erhöhten Kosten erkauft.
Sogenannte Kombi-Darlehen verbinden Annuitätendarlehen mit variablen Darlehen, indem sie die Darlehenssumme auf zwei oder mehr verschiedene Finanzierungsformen aufteilen.
Private Häuslebauer wählen mit Abstand am häufigsten ein Annuitätendarlehen, weil die fixe monatliche Rate eine kalkulierbare Belastung darstellt.
Dank der niedrigen Zinsen ist die Belastung derzeit so gering wie seit Jahren nicht – eine niedrige monatliche Rate kann jedoch zur Belastung werden: „Die niedrigen Zinsen sollte der Kunde unbedingt für eine höhere Tilgung nutzen, wir empfehlen mindestens 2, besser noch 3 % des Kredits jährlich zu tilgen", empfiehlt Marcus Rex, Vorstand Baugeld Spezialisten, einem Dienstleister, der sich als Wegweiser durch den schier undurchdringlichen Dschungel der Finanzierungsangebote versteht. Dirk Günther, Geschäftsführer der Prohyp GmbH, erklärt, warum die Tilgung so wichtig ist: „Durch die Mechanik des Annuitätendarlehens steigt der Tilgungsanteil an der monatlichen Rate bei niedrigen Zinsen besonders langsam. Die Folge: Die Rückzahlung eines 10-Jahres-Darlehens von 200.000 Euro zu einem Sollzinssatz von 1,4 % kann bei einer anfänglichen Tilgung von 1 % und gleichbleibenden Zinsen über 60 Jahre dauern!" Bereits bei einer Tilgung von 3 % halbiert sich die Darlehensdauer bei sonst unveränderten Rahmenbedingungen und auch die Zinskosten sinken deutlich, rechnet er vor.
Die Höhe der Tilgung ist ein wichtiger Punkt besonders für viele Immobilienkäufer im fortgeschrittenen Alter.
Bis zum Eintritt ins Rentenalter sollte der Immobilienkredit getilgt sein (der durchschnittliche Kreditnehmer ist heute bereits 40 Jahre alt). Deshalb ist es sinnvoll, sich die Möglichkeit von Sondertilgungen vertraglich zu sichern – wenn etwa die Lebensversicherung fällig wird, kommt man dem Ziel der schuldenfreien Immobilie mit einem großen Schritt näher.
Verführerisch wirkt das rekordverdächtig niedrige Zinsniveau auch auf Immobilienkäufer ohne ausreichendes Eigenkapital.
Es werden bereits wieder Immobilienfinanzierungen von 100 % angeboten – bei der klassischen Immobilienfinanzierung liegt der Eigenkapitalanteil bei 20 bis 30 %, die Baunebenkosten (z. B. Notar und Grunderwerbsteuer) sollten ohnehin aus Eigenmitteln bestritten werden. Eine Vollfinanzierung bedeutet einerseits für die finanzierende Bank ein höheres Risiko, das sie sich durch spürbare Aufschläge auf den Zins bezahlen lässt, und andererseits für den Immobilienkäufer eine höhere laufende Belastung. Besonders in diesem Fall sind eine hohe Anfangstilgung und hohe laufende Tilgungsleistungen von entscheidender Bedeutung. Um das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit für die finanzierende Bank abzusichern, sollte der Darlehensnehmer durch eine Restschuldversicherung oder eine Risikolebensversicherung vorsorgen. Auch eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist in dieser Konstellation als zusätzliche Absicherung ein Muss. Durch die zusätzlichen Kosten und die Notwendigkeit hoher Tilgungszahlungen kommt diese Darlehensform nur für Gutverdiener mit erstklassiger Bonität in Frage.
Ein ähnlich kritischer Blick ist auf die Absicht zu werfen, durch Eigenleistung das nötige Darlehensvolumen zu reduzieren.
Die sogenannte „Muskelhypothek" kann in erster Linie beim Innenausbau eingesetzt werden – doch Achtung: Wer mit dem Bauträger die Ausführung einzelner Gewerke in Eigenregie verabredet hat, hat auch die Kosten für die benötigten Materialien selbst zu tragen. Und muss außerdem handwerkliches Geschick und viel Zeit mitbringen, um die angestrebte Kosteneinsparung von vorsichtig kalkuliert höchstens 5 % realisieren zu können.
Wenn dem Bauherren jetzt schon der Kopf schwirrt, liegt allerdings noch die Wahl des Finanzierungspartners vor ihm.
Erste Wahl ist häufig die eigene Hausbank, die das Girokonto führt und bei der das Eigenkapital für den Immobilienerwerb angespart wurde. „Der gewonnene Vertrauensvorschuss kann allerdings im Leistungswettbewerb um die Baufinanzierung oft nicht gerechtfertigt werden. Ein Vergleich lohnt in fast allen Fällen", gibt Stephan Scharfenorth vom Baufinanzierungsportal Baufi24.de zu bedenken. Auch Direktbanken buhlen um die Gunst der Immobilienkäufer.
_**Doch wie können Bauherren sich einen Marktüberblick verschaffen, wie die
höchst unterschiedlichen Angebote sinnvoll vergleichen?
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Mehrere unabhängige Baufinanzierungsportale versprechen schnellen Marktüberblick und Unterstützung bei der Suche nach einem günstigen und dem individuellen Bedarf adäquaten Angebots. Prohyp, Baugeld Spezialisten und Baufi24 sind nur einige beispielhafte Anlaufadressen, die bei der Recherche unter die Arme greifen können. Doch auch die etablierten Anbieter rüsten auf, denn die Umsetzung der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie ab 2016 mit der Forderung nach Standards für die Beratung über Immobilienkreditverträge und Mindestqualifikationen wirft ihre Schatten voraus: Die ING-DiBa bietet ihren Vertriebspartnern im neuen Jahr ein von der Frankfurt School of Finance & Management entwickeltes Weiterbildungsprogramm zur Baufinanzierungsberatung an, um diese entsprechend der neuen Richtlinie zu schulen. Eine Kombination aus E-Learning-Plattform und Präsenz-Seminaren in acht Regionen soll zur Zertifizierung als „Baufinanzierungsberater mit geprüfter Beratungsqualität" führen, um „… unsere Vertriebspartner frühzeitig optimal auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten", führt Isold Heemstra aus dem Vertrieb Immobilienfinanzierung der ING-DiBa aus.
Dennoch kann keine gesetzliche Regelung den Verbraucher von seiner Verantwortung entbinden, die eigene Investitionsentscheidung kritisch auf Schwachstellen abzuklopfen und die Realisierbarkeit ihrer Prämissen realistisch zu hinterfragen. (sk)