Neue Vertriebsansätze durch den demografischen Wandel

08.11.2015

Rolf Schünemann (li.) und Bernhard Schindler (re.)

Der Deutsche Demografie Campus hat Ende September mit der Doppelveranstaltung „1. Demografie Wissensforum“ im Frankfurter Messeforum und dem „1. Fokustag Demografie“ in der Rhein-Neckar-Arena einen beeindruckenden Start innerhalb der Finanzdienstleistung hingelegt.

Die Demografieberatung soll mittels neuer Beratungsansätze nicht nur in der bAV und bKV, sondern auch in ganzheitlicher Beratung für Unternehmer dem Vermittler einen beraterischen Schlüssel in die Hand geben, der es ermöglicht, die gesuchte Kundenschicht der betrieblichen Beratung aufzuschließen. finanzwelt sprach über die Chancen einer Demografieberatung mit Rolf Schünemann, Vertriebsvorstand LV 1871, und Bernhard Schindler, Präsident Bundesverband demografischer Wandel – Unternehmerverband Deutschland e. V.

finanzwelt: Herr Schünemann, die LV 1871 hat im September das „Demografie Wissensforum“ des Deutschen Demografie Campus in Frankfurt unterstützt. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Schünemann: Die demografische Entwicklung ist unabwendbar. Entsprechend groß und vielfältig sind die Herausforderungen. Gerade als Versicherer müssen wir deshalb noch wesentlich intensiver über die demografische Entwicklung aufklären. Aber reden allein nützt natürlich nichts – adäquate Lösungsansätze müssen her. Wir haben uns deshalb intensiv mit den einzelnen Bausteinen einer ganzheitlichen Demografieberatung befasst. Wir sehen eine große Chance für den Vermittler, der sich im Firmenkundenumfeld ganz neu positionieren und profilieren kann. Deshalb haben wir auch das Wissensforum in Frankfurt unterstützt.

finanzwelt: Herr Schindler, das Demografie Wissensforum in Frankfurt war die erste Veranstaltung ihrer Art des Deutschen Demografie Campus. Was waren Ihre Beweggründe, was sind Ihre Zielvorstellungen für die Veranstaltung?

Schindler: Die Idee stammte aus dem Kreis der Familienunternehmer, einen ganz neuen Beratungsansatz zu entwickeln. Dabei geht es nicht um eine Fach- oder Produktausbildung, sondern darum, wie der Berater künftig Zugang zum Unternehmer erhält. Unsere Handlungsfelder und leicht implementierbaren Maßnahmen, welche von Unternehmer für Unternehmer entwickelt wurden, helfen dem Berater und Finanzdienstleister, künftig über ganz neue Zugangsmöglichkeiten zu verfügen. In den letzten Jahren haben sich zudem die Erwartungen und Anforderungen der Fach- und Führungskräfte an die Unternehmen gänzlich verändert. War vor 10 Jahren eine bAV noch ein Highlight, so ist sie heute leider oftmals nur noch ein Übel für Personalleiter. Unternehmer sind oft nur im Glauben dessen, alle Arbeitnehmer hätten eine bAV. Die Zahlen in der Durchdringung nach einem ersten Demografieberater-Gespräch lassen viele Unternehmer erblassen. Die umkämpfte Fachkräfte-Zielgruppe hat einerseits hohe Anforderungen an ihren Arbeitgeber, andererseits fühlen sich die Mitarbeiter kaum noch langfristig an ein Unternehmen gebunden. Zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und Steigerung der Arbeitgeberattraktivität sind Unternehmen dringend gefordert, Anreize und Mitarbeiterbindungsstrategien zu entwickeln und zu implementieren, um sich den Wertevorstellungen und Anforderungen der Mitarbeiter und potenziellen Bewerber anzupassen. Unternehmer erkennen im Prozess der Demografieberatung sehr schnell, welche genialen Maßnahmen es oftmals nicht bis in die Chefetage geschafft haben.

finanzwelt**: Wie waren aus Ihrer Sicht die Rückmeldungen der teilnehmenden Makler?

Schünemann: In zahlreichen Gesprächen während und auch nach der Veranstaltung habe ich nur gutes bis sehr gutes Feedback erhalten. Gelobt wurden vor allem die praxisnahen Ansatzpunkte in der Firmenkundenberatung.

Schindler: Sehr gut, wir haben verstanden, dass das Schulungskonzept genau zur richtigen Zeit kommt. Denn wie Herr Schünemann schon sagte, die Umsätze gehen zurück und Berater suchen neue Herausforderungen und Lösungen. Wir sind genauso überzeugt, wie viele Vorstände, dass der Weg der Demografieberatung endlich ein ganzheitlicher ist.

finanzwelt: Herr Schindler, welche Kernbotschaften konnten die teilnehmenden Makler dem Demografie Wissensforum entnehmen?

Schindler: Eine ganz Wesentliche: Endlich langfristig monatlich ein festes Einkommen aufbauen und dabei zusehen, wie bAV- und bKV-Beratung schon fast zum Standard einer Demografieberatung wird. Es geht letztendlich darum, die unternehmensspezifische Situation genau zu kennen und bei der Planung von Maßnahmen gemeinsam mit dem Unternehmer die betroffenen Führungskräfte und Mitarbeiter mit zu beteiligen. Allgemeine Rezepte oder die Vorstellung einer bAV helfen heute wenig, um einen langfristigen Nutzen für Unternehmen und für Mitarbeiter zu erreichen. Mit unternehmens- und regionalspezifischer Betrachtung kann der demografische Wandel die Chance der Zukunft für das Unternehmen sein. Und um das geht’s, wenn wir uns die Situation der Verschiebung der Lebensphasen und der weniger werdenden jüngeren ansehen.

finanzwelt: Was sind aus Ihrer Sicht die Herausforderungen und was sind die Chancen, die die demografische Veränderung an das Beratungsgeschäft der Makler stellt? Sehen Sie die Ausbildung zum Demografieberater als den neuen Vertriebsansatz und Vertriebsweg?

Schindler: Ganz einfach: der komplett neue Beratungsansatz. Nicht umsonst hatte Jan Hofer, ARD Nachrichten-Chefsprecher, gesagt, mit dem Demografieberater ist ein ganz neuer Berufszweig entstanden. Und unser Innenminister Dr. Thomas de Maizière bestätigte mir das auch im Gespräch. Dem Unternehmer geht’s heute noch zu gut, als dass er sich den lästigen Maßnahmen u. a. einer betrieblichen Versicherung gar nicht annehmen möchte. Doch was passiert, wenn sich die Situation in den nächsten 5 bis10 Jahren dramatisch ändert?

Schünemann: Die demografischen Veränderungen schaffen die Notwendigkeit, dass sich der Vermittler bei der ganzheitlichen Beratung seiner Firmenkunden mit neuen Themen auseinandersetzen muss. Dazu gehören beispielsweise Altersstrukturanalysen und das Heben von Kosteneinsparungspotenzialen genauso wie die Instrumente der Mitarbeiterbindung und -gewinnung. Nach unserer Einschätzung kann die Ausbildung zum Demografieberater einen wesentlichen Beitrag leisten.

finanzwelt: Das wäre ja ein ganz neuer Beratungsansatz für die Versicherungsbranche, auch im Hinblick auf die politische Arbeit in Berlin. Denn die Politik beschäftigt sich derzeit ebenso sehr stark mit dem Thema.

Schindler: Deshalb sind wir wie auch die Politik und die großen Verbände davon überzeugt, dass die Demografieberatung ein ganz neuer Beratungsweg darstellt, um den Versicherungs- und Finanzberater wieder auf eine ehrbare Stufe zu stellen. Weg vom Verkauf, hin zu einer langfristigen Betreuung. Weg vom reinen Provisionsverdienst, hin zu längerfristigen monatlichen Einkünften.

finanzwelt: Was können Makler von der stärkeren Befassung mit demografischen Themen an konkreten zusätzlichen vertrieblichen Aspekten für ihre Arbeit ableiten?

Schindler: Im Rahmen der Beratung soll die Qualität demografiebezogener Unterstützungsleistungen und Angebote für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) systematisch und langfristig abgesichert werden. Dabei hilft der Online Campus und unser Deutsches Demografie Berater Netzwerk, welches ab 2016 mehr als 20 Verbänden zugänglich sein wird. Zur Unterstützung einer demografieorientierten betrieblichen Personalarbeit existieren unterschiedlichste Maßnahmen. Zahlreiche Tools sind in Betrieben und Projekten bereits mit gutem Erfolg erprobt worden. Die Anwendung der zur Verfügung stehenden Maßnahmen bleibt jedoch in vielen Unternehmen, insbesondere in KMU, bisher noch aus. Demografieberatung ist ein wirksames Instrument, um Unternehmen bei der Bearbeitung der mit dem Thema demografischer Wandel im Betrieb verbundenen Fragestellungen zu unterstützen. Wirksame Unterstützung kann aber nur dann geleistet werden, wenn das Wissen und die Qualifikation des Beraters und die Güte der eingesetzten Instrumente von gleich bleibend hoher Qualität sind.

finanzwelt: Wo liegen die Chancen der demografischen Entwicklung für den Vermittler gerade im gewerblichen Kundenkreis?

Schünemann: Der Vermittler kann sich hier als ganzheitlicher Berater auf Augenhöhe mit dem Unternehmer positionieren. Das sehe ich als große Chance. Denn: So baut er eine für die Zukunft tragfähige Bindung zum Unternehmer und zum Unternehmen auf und erschließt sich über Honorare für zusätzliche Dienstleistungen weitere Einnahmen.

Schindler: Wenn Sie die bereits betreuten Unternehmen befragen, werden diese Ihnen einen wesentlichen Punkt bestätigen: Der Berater ist wieder gern gesehen und ist aus dem oftmals zwielichtigen Bereich draußen. Und zugleich freut sich der Unternehmer über die unterschiedlichen Themen und Maßnahmen, um sein Unternehmen wettbewerbsfähig zu machen und die Mitarbeiter zu binden. Und da der Berater fortlaufend Einkünfte hat, entspannt sich eh alles von alleine, da der Druck des Verdienens monatlich abfallen wird.

finanzwelt: Herr Schünemann, wie muss sich die Produktwelt eines Versicherers an die Anforderungen des demografischen Wandels anpassen?

Schünemann: Als Versicherer verfügen wir über ein einzigartiges System, das durch das Kollektiv und den Risikoausgleich über die Zeit getragen wird. Insofern haben wir hier heute schon die idealen Voraussetzungen und Lösungsansätze, die in zahlreiche Themen der Versorgungs- und Demografieberatung einzahlen.

finanzwelt: Trotz LVRG, schmelzendem Garantiezins und Nullzins-Landschaft: Welches sind die Leistungsmerkmale, die Versicherer in Zeiten langer Lebenserwartung ihren Kunden bieten können?

Schünemann: Sicherheit und Flexibilität bis ins hohe Alter sind sicherlich die zentralen Leistungsmerkmale. Wir bieten beispielsweise flexible Auszahlungsoptionen, mit denen der Kunde seinen Lebensabend ganz individuell gestalten kann. Bei schwerer Krankheit zum Beispiel oder bei Pflegebedürftigkeit passt sich die Rente an die neuen Herausforderungen an. Grundsätzlich hat jeder Mensch lebenslange Ausgaben. Ihnen müssen lebenslang garantierte Einnahmen entgegengesetzt werden. Nur die private Altersversorgung stellt sicher, dass wirklich ein Leben lang eine garantierte Rente gezahlt wird. Wir müssen die Rentenversicherung deshalb wieder als Absicherung für das Risiko der Langlebigkeit wahrnehmen. Weg vom Renditedenken, hin zum Kollektivgedanken. Das ist ein Paradigmenwechsel, den wir einläuten wollen. Denn: Was ist, wenn mein Geld weg ist, ich aber noch da bin?

finanzwelt: Was sind Ihre Pläne für die Zukunft? Werden Sie auf das Wissensforum auch in 2016 aufbauen?

Schünemann: Natürlich werden wir uns auch 2016 intensiv mit den Ableitungen aus der demografischen Entwicklung beschäftigen und in Veranstaltungen und in der Kommunikation gezielt darauf eingehen. _(cs)

_

Onlineausgabe 04/2015