Neue Regeln hat das Land
14.04.2016
Foto: © Ulia Koltyrina – Fotolia.com
Der Gesetzgeber implementiert sein neues Berufsbild des Immobilienkreditvermittlers und gibt Beratern dabei vergleichsweise wenig Dokumentationsverpflichtung mit auf den Weg. Zumindest auf den ersten Blick gesehen – oder ist dieses Bild trügerisch?
Zum 21. März 2016 ist die Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WIKR) in Kraft getreten. Baufinanzierungsvermittler, die künftig Verbraucherdarlehensverträge für Immobilien oder entsprechende entgeltliche Finanzierungshilfen anbieten möchten oder Dritte zu solchen Verträgen beraten wollen, benötigen fortan eine entsprechende Erlaubnis als Immobiliardarlehensvermittler gemäß dem neu geschaffenen Paragrafen 34i Gewerbeordnung (GewO). Hierbei dürften Beratern und Vermittlern die grundlegenden Erlaubnisvoraussetzungen aus dieser Regulierung bekannt sein, orientiert sich die WIKR doch weitgehend an Anforderungen aus den §§ 34d und 34f GewO. So benötigt ein Berater für einen „§ 34i-Fahrschein“ und Registrierung als Immobilienkreditvermittler die üblichen „Zutaten“: persönliche Zuverlässigkeit, geordnete Vermögensverhältnisse, Berufshaftpflichtversicherung, Hauptniederlassung / Hauptsitz und Ausübung der Tätigkeit im Inland und selbstverständlich einen entsprechenden Sachkundenachweis. Doch längst nicht ein jeder Vermittler muss künftig wieder die Schulbank drücken oder eine Prüfung bei den Industrie- und Handelskammern (IHK) abschließen. „Viele unserer Partner sind von den Anforderungen des § 34i GewO nicht betroffen, da sie unter die sogenannte Alte-Hasen-Regelung fallen“, so Dirk Günther, Geschäftsführer Prohyp GmbH, und erklärt weiter: „Hier reicht der Nachweis ihrer bisherigen Erfahrung – etwa durch Bescheinigung der langjährigen Prohyp-Partnerschaft – aus und es muss keine weitere Sachkundeprüfung erfolgen. Alle anderen Partner unterstützen wir selbstverständlich umfassend bei der Erfüllung der verschiedenen Vorgaben.“
Geduldiges Warten.
Nichtsdestotrotz sind wesentliche Details zu Inhalten der notwendigen Sachkundeprüfung oder zur notwendigen Vermögensschadenhaftpflichtversicherung trotz WIKR indes noch offen. Diese Feinjustierung wird im Folgenden über die zum Gesetz gehörenden Immobiliendarlehensvermittlungsverordnung (ImmVermV) bestimmt, welche jedoch erst am 22. April 2016 im Bundesrat verhandelt wird. Unter anderem eine bis zum Schluss unterschiedliche Sichtweise um die Behandlung des Punktes „Verjährung der fehlerhaften Widerrufsbelehrung“, bei denen sich schlussendlich die Banken durchsetzten, führte wohl zur verspäteten Einführung der WIKR und schlussendlich zur Verzögerung in Sachen ImmVermV. Im Resultat können Vermittler derzeit noch keine § 34i-Erlaubnis erhalten. Zusätzlich verschieben sich die ersten Sachkundeprüfungen auf voraussichtlich Ende Juni 2016. „Das ist letztlich ein Skandal, weil das Gesetz ja schon gilt. Ich möchte betonen, dass dies nicht Schuld der Industrie- und Handelskammern oder Gewerbeämter ist, sondern einzig dem Gesetzgeber anzulasten ist“, so Frank Rottenbacher, Vorstand der GOING PUBLIC! Akademie für Finanzberatung AG sowie des AfW Bundesverbandes Finanzdienstleistungen. Seiner Auffassung nach setze das Kammersystem alles daran, Vermittlern entsprechend prozessoptimiert Abhilfe zu verschaffen. Vor dem Hintergrund, dass auflagenfreie § 34i-Erlaubnis aller Voraussicht nach erst nach Inkrafttreten der ImmVermV, also ab Mitte Mai 2016, erteilt werden könnten, überlegen manche Kammern bereits intensiv, eine entsprechende Erlaubnis mit Auflagen vorab zu erteilen.
Übergangsfrist nutzen.
„Dennoch ist wichtig zu betonen, dass Inhaber einer § 34c Erlaubnis zur Darlehensvermittlung die Übergangszeit nutzen können und auch jetzt noch weiter Immobiliardarlehen vermitteln können. Sie sollten dann aber möglichst zeitnah ihre § 34i Erlaubnis beantragen, wenn es dann geht“, erklärt Rottenbacher. So berichten AfW-Mitglieder ihrerseits, dass Darlehensvermittler jüngst von einigen ihrer Geschäftspartner aufgefordert wurden, diesen bis zum 31.03.2016 eine § 34i-Erlaubnis vorzulegen, um weiter Geschäft einreichen zu können. Aus Sicht des AfW entbehrt diese Forderung jeglicher gesetzlichen Grundlage, da die Übergangsfrist für § 34c-Inhaber im § 160 GewO Abs. 1 bis zum 20.03.2017 festgelegt ist.
Geben Banken & Co. Verantwortung weiter?
Obgleich das Gesetz einerseits etliche neue Vorgaben hinsichtlich Beratung für den Vertrieb parat hält, fordert es andererseits speziell im Punkt Dokumentationspflicht generell nichts Unmenschliches vom Vertrieb: So muss dieser laut Gesetz eine Empfehlung oder Nicht-Empfehlung pflichtgemäß festhalten. Eine weiterführende Dokumentationsverpflichtung findet sich für den Vermittler im Gesetz indes nicht. So sind es schlussendlich die Darlehensgeber wie Banken und Versicherungen, die im Rahmen ihrer Kreditwürdigkeitsprüfung dokumentieren und archivieren müssen. Vor dem Hintergrund, dass Darlehensgeber mit einer gewaltig steigenden Belastungen rechnen dürften, wird laut Branchenkreisen in nicht unerheblichem Maße damit zu rechnen sein, dass Banken und Co. diese eigenen Verpflichtungen, zumindest teilweise, auf Vermittler „übertragen“ werden.
Die Spannung bleibt!
Spannend bleibt nämlich an dieser Stelle, wie die eigentliche Zusammenarbeit zwischen Vermittlern, Plattformen und Darlehensgeber in Zukunft aussehen wird. „Selbst die Banken sind noch im Umsetzungsprozess und sehr darauf bedacht, keinen Fehler – wie bei den fehlerhaften Widerrufsbelehrungen, die zum ewigen Widerrufsjoker führten – zu machen. Es kann also sein, dass sie etwas übers Ziel hinausschießen“, so Rottenbacher. Bereits jetzt verhalten sich die Darlehensgeber in der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie grundsätzlich sehr heterogen. „In der Bonitätsbewertung sind einige Institute seit dem 21.03.2016 restriktiver geworden. Die einzureichenden Unterlagen variieren ebenso von Bank zu Bank. Der Vermittler muss sich an unterschiedliche Kreditprozesse gewöhnen und am Ende mehr Komplexität händeln“, so Marcus Rex, Vorstand PLANET HOME AG, München. Infolgedessen bleibt am Ende dann doch mutmaßlich einmal mehr ein deutlicher Mehraufwand für den Vermittler: „Mit der Abfrage der Kundenpräferenzen, den vorvertraglichen Informationen, der Checkliste zur Risikoaufklärung, dem Europäischen Standardisierten Merkblatt (ESIS) und dem Darlehensvermittlungsvertrag droht die Beratungsdokumentation zu einer `Papierschlacht´ zu werden“, prognostiziert Michael Neumann, Geschäftsführer der Qualitypool GmbH. Weiter informiert der Poolchef: „Werden bei einer Finanzierung drei unterschiedliche Darlehenstranchen – wie zwei unterschiedliche Zinsbindungen und ein KfW-Darlehen – eingesetzt, potenziert sich der Papierberg. (…) Ob dem Kunden die Finanzierung transparenter und verständlicher wird, ist angesichts des Dokumentenwildwuchses fraglich.“
Die Zukunft des Vermittlers.
34i-Vermittler haben die große Chance, ein neues, werthaltiges Berufsbild zu etablieren. „Die Qualität der Vermittler wird stark zunehmen und das ist gut so. Profis haben eine rosige Zukunft vor sich, denn Qualität setzt sich immer durch“, äußert sich Rex zur Zukunft der Baufinanzierungsvermittler. Den neuen Spielregeln wie steigenden Anforderungen geschuldet wäre es nur die logische Konsequenz, dass Gelegenheitsvermittler in Zukunft deutlich weniger Baufinanzierungsvermittlungen vornehmen respektive künftig als Tippgeber fungieren. „Die Vermittler mit § 34i werden weniger als die heutigen Berater mit § 34c, und die Anzahl der Tippgeber wird steigen“, ist die Meinung von Stephan Gawarecki, Vorstandssprecher des Lübecker Finanzdienstleisters Dr. Klein & Co. AG, und belegt diese These mit seinen jüngsten Wahrnehmungen innerhalb eines Arbeitsmeetings mit einem Geschäftsführer eines Immobilienvertriebes und -maklers, bei dem über die Zukunft der 15 Verkäufer gesprochen wurde. „Der Trend geht hier klar zum Tippgeber“, so Gawarecki abschließend. (mo) (Wohnimmobilienkreditrichtlinie/ finanzwelt 02/2016)