"Nachhaltigkeit bedeutet auch Dauerhaftigkeit"
27.05.2024
Gottfried Baer. Foto: MehrWert GmbH
Das Thema Nachhaltigkeit ist oft weniger zielführend verwendet worden. Zudem beherrschten in den vergangenen beiden Jahren andere Themen das Geschehen an den Kapitalmärkten. Muss der ESG-Zug neu aufgesetzt werden? Gottfried Baer, Geschäftsführer
MehrWert GmbH, ist Kenner der Materie. finanzwelt sprach mit ihm ausführlich zur Nachhaltigkeit, dem USP seines Hauses, dem Ende 2022 aufgelegten Mischfonds und seiner Zusammenarbeit mit der BCA-Gruppe.
finanzwelt: Herr Baer, Sie sind Geschäftsführer der MehrWert GmbH. Für was steht Ihr Haus?
Gottfried Baer: Die MehrWert GmbH ist ein werteorientierter Finanzdienstleister (30 Personen), welcher sich mit seiner Gründung in 2010 auf das Thema Nachhaltigkeit spezialisiert hat. Neben der professionellen Finanzberatung ist es uns ein Anliegen darauf zu achten, wie und wo Geld bei Investmentfonds und Lebensversicherern tatsächlich nach ESG-Kriterien überzeugend angelegt und eingesetzt wird. Unsere Einstellung lässt sich dazu wie folgt beschreiben: Nur was den Menschen, der Gesellschaft und der Natur nutzt, wird dauerhaft Gewinn abwerfen.
Wir bieten bei MehrWert zwei Beratungsfelder im Markt an:
1. Privatmandate: wir beraten konzeptionell Einzelpersonen und Familien, entwickeln hierbei individuelle Finanzpläne und setzen diese mit ausgewählten nachhaltigen Finanzprodukten praktisch um.
2. Nachhaltige Unternehmen: mit einer eigenen Abteilung dafür beraten wir UnternehmerInnen strategisch in Sachen Benefitgestaltung für die Belegschaft.
Dabei gestalten wir Vorsorgestrategien in den Bereichen betriebliche Altersvorsorge, betriebliche Krankenversicherung und betriebliche Berufsuntähigkeitsabsicherung. Zur Umsetzung setzen wir hier wiederrum nachhaltige Versicherungslösungen ein, die zu der jeweiligen Werteorientierung der nachhaltigen Unternehmen passt.
Zu diesen beiden Bereichen bieten wir BeraterInnen neben entsprechenden Know-How, durch Fachleute in unserer Zentrale in Bamberg, ebenso Fach- und Beratungstransfer im Rahmen unserer Teambesprechungen. Wir verfügen über ein hervorragendes Netzwerk in der nachhaltigen Versicherungs- und Investmentbranche, liefern unsern BeraterInnen hochwertige praktische Unterstützung bei allen IT-Themen, viele überzeugende Marketinginstrumente und eine klare Positionierung mit Marke im Markt. Hervorzuheben ist, dass BeraterInnen bei uns keinen Handelsvertretervertrag erhalten, sondern einen echten Partnervertrag, bei dem Sie im Innen- wie auch im Außenverhältnis Handelsmakler sind. D.h. sie bauen ihren eigenen Unternehmenswert auf!
finanzwelt: Sie haben eine ausgesprochene Expertise im Bereich der nachhaltigen Geldanlage. Diese erlebte ein Hoch, bis Pandemie, Inflation und geopolitische Krisen prägend wurden. Wie steht es aktuell um das Thema Nachhaltigkeit?
Baer: Das Thema ist aktuell tatsächlich in den Hintergrund bei Kunden, Beratern und Produktanbietern geraten. Kriegsthemen, starke Preisanstiege und die politischen Diskussionen hier bei uns im Land haben dazu geführt, dass Nachhaltigkeit eher wieder zu einem Luxusthema wurde. Ich will damit sagen, dass Themen, die die Menschen eben nicht direkt betreffen, sprich indirekte Themen, die auf einen persönlich gefühlt keine unmittelbaren Auswirkungen haben, schnell vom Tisch sind.
Sicher kommt auch dazu, dass das Thema Nachhaltigkeit von Produktanbietern überstrapaziert wurde und bei vielen Menschen den Verdacht des Greenwashings hervorgerufen hat. Die Regulatorik mit Ihrer Nachhaltigkeitspräferenzenabfrage hat auf Beraterseite Ihres dazu beigetragen, dass letztendlich die Freude an dem Thema ziemlich in den Keller gerauscht ist. Hinzu kommt, dass viele überzeugende nachhaltige Fonds im Vergleich in den letzten 12 Monaten nicht gut performt haben und man als BeraterIn Kunden hierzu viel erklären muss. Interessant ist, dass sich aber die die Rahmenbedingungen auf der Welt nicht verändert haben: der Klimawandel schreitet voran (wir pusten weltweit kaum weniger CO² in die Luft), der Raubbau an der Natur und Umwelt durch den extrem hohen Ressourcenverbrauch geht weiter, die Biodiversität nimmt weltweit weiter ab, usw.. Ich bin davon überzeugt, dass bei der nächsten großen Klimaauswirkung (gewaltige Überschwemmung, extreme Trockenheit, hoher Wassermangel,….) das Thema wieder ganz schnell oben auf und damit ein Thema bei den Menschen ist.
Auch wir erleben derzeit in den Beratungen, dass Menschen nicht mehr so intensiv auf das Thema Nachhaltigkeit ausgerichtet sind. Wir selbst ändern aber deshalb unsere Ausrichtung nicht – denn Nachhaltigkeit bedeutet auch Dauerhaftigkeit.
finanzwelt: Vor kurzem war ich Gast einer Konferenz, bei der diverse Aspekte im Kontext der nachhaltigen Geldanlage thematisiert wurden. Sind Labels wie Artikel 8/9 zielführend oder sollte der Nachhaltigkeitszug neu aufgegleist werden?
Baer: Ich bin der Überzeugung, dass diese Begrifflichkeiten nicht richtig zielführend für Verbraucher sind. Zum einen sind die regulatorischen Inhalte hierbei für Kunden wirklich herausfordernd, sprich kaum zu verstehen, und zweitens werden Sie werblich von vielen Fondsgesellschaften so eingesetzt, dass diese irreführend zu verstehen sein könnten.
Es gibt Fonds, die als Artikel 8 eingestuft werden, weil Sie mehrere nachhaltige Ziele konsequent und überzeugend verfolgen und es gibt Artikel 9 Fonds, die eben nur ein nachhaltiges Ziel verfolgen dürfen und deshalb nicht unbedingt in ihrer Wirkung besser abschneiden. Dass es eine Kategorisierung geben muss, damit Verbraucher und BeraterInnen sehr eindeutig sehen können, wie ernst es ein Fonds mit der Thematik Nachhaltigkeit meint, darüber sind wir uns wahrscheinlich alle einig. Eine Überarbeitung der jetzigen Offenlegungsverordnung aufgrund der gemachten Erfahrungen im Markt halte ich für durchaus sinnvoll. Alternativ helfen aktuell Fondsauszeichnungen, wie die z.B. von FNG oder Ecoreporter. Diese sind inhaltlich sehr klar und eindeutig sowie für Außenstehende einfach und schnell nachvollziehbar.
finanzwelt: Ende 2022 haben Sie gemeinsam mit der Hansainvest den nachhaltigen Mischfonds Best of Green & Common Good gestartet. Welche Charakteristika weist der Fonds auf? Wie fällt die bisherige Bilanz aus?
Baer: Der Fonds investiert zu 70% in Aktien von nachhaltigen Unternehmen, zu 20% in Mikrofinanz und 10% in Cash. Er ist damit der einzige Mischfonds, der eine solche Zusammenstellung am Markt aufweist. Ein Vorteil: Mikrofinanz wird damit täglich handelbar! Wir reden bei diesem Fonds von Gemeinwohlimpact und nicht mehr vordergründig von Nachhaltigkeit. Wir wollen mit dem Fonds einen echten anfassbaren Gemeinwohlimpact erzeugen. Durch den Kauf von Aktien erzielt man in der Regel so gut wie keinen Impact, da es die Aktien schon alle gibt und nur ein Handel an der Börse stattfindet. Mit Mikrofinanz erzielt man allerdings einen sehr hohen messbaren sozialen Impact. Hier dürfen wir aber nur max. 20% in diesem Segment investieren.
Wir haben uns überlegt, wie wir einen echten anfassbaren positiven Impact für Mensch und Natur mit diesem Fonds generieren können. Wir kamen zu dem Entschluss, dass „Teilen das neue Haben ist“. Das bedeutet, dass wir in positiven Jahren 20% unserer Einnahmen aus dem Fonds und die AnlegerInnen 20% Anteil Ihrer Rendite in einen Topf legen, aus dem dann soziale und ökologische Projekte in Deutschland finanziell unterstützt werden. Dazu können sich Einzelpersonen, NGOs, Vereine, Start ups, Sozial-/Bildungseinrichtungen bei uns bewerben und ein vierköpfiges externes Expertengremium wählt unter den Bewerbungen aus. Damit schaffen wir mit unseren AnlegerInnen anfassbaren und wirksamen Impact. Zu diesen Projektunterstützungen werden wir regelmäßig berichten. Wir sind der Überzeugung, dass es sich gemeinsam lohnt, einen Teil der Einnahmen / Gewinne in positiven Jahren für Menschen einzusetzen, die sich in der Gesellschaft mit Herzblut für andere Menschen und oder für unsere Natur einsetzen. Das stiftet Sinn und Freude!
Die Bilanz bisher: 8 Mio. € Fondsvolumen und mittlerweile in zwei sehr guten Fondspolicen vertreten. Die Rendite im Jahr 2023 war negativ, da wir mit knapp 20% in erneuerbaren Energien Titel und mit 10% in Recyclingtiteln allokiert waren. Diese Segmente zogen die Performance, wie auch Anfang 2024 ins Negative. Im Januar 2024 haben wir einige andere gemeinwohlorientierte Branchen übergewichtet und die Performance hat ins Positive gedreht.
finanzwelt: Sie arbeiten bereits länger mit der Oberurseler BCA-Gruppe zusammen. Was schätzen Sie an dieser Kooperation?
Baer: Wir schätzen die Menschen und die Investmentkompetenz der BCA-Gruppe. Die Beratungs- und Informationstechnologie ist im Investmentsegment in unseren Augen führend. Wir verwalten rund 100 Mio. € an nachhaltigen Fonds bei der BCA Gruppe. Ein Highlight ist sicher unsere nachhaltige Vermögensverwaltung mit nachhaltigen Fonds, die wir als Advisor seit 2013 in Zusammenarbeit mit der Bank für Vermögen (Tochter der BCA AG) betreiben. Die Depoteröffnungen für die Vermögensverwaltungen, für unsere nachhaltigen Strategieportfolien und auch für Einzelfonds erfolgen komplett digital über unsere MehrWert-Investmentwelt. Die Technik dazu liefert uns die BCA. Damit können wir professionell in wenigen Minuten Depots digital mit unseren Kunden eröffnen, bzw. Kunden können dies genauso selbst tun. (ah)