Muss der Staat wegen Wirecard haften?
03.11.2020
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Die BaFin steht wegen dem Wirecard-Skandal in der Kritik. Ein Gutachten im Auftrag einer Rechtsanwaltskanzlei könnte für die Finanzdienstleistungsaufsicht Ungemach bedeuten: Demnach ist sowohl sie selbst als auch die BRD haftbar.
Prof. Dr. Matthias Lehmann von der Uni Bonn hat für die Kanzlei Leipold in einem Gutachten festgestellt, dass Anleger, die zwischen dem Erlass des Leerverkaufsverbots vom 18. Februar 2019 und der Ad-hoc-Mitteilung der Wirecard AG am 22. Juni 2020 Wirecard-Aktien erworben haben, Ansprüche für die erlittenen Schäden sowohl aus dem nationalen Amtshaftungsrechtsanspruch als auch aus dem unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch haben.
Für Pflichtverletzungen der BaFin haftet diese als Anstalt des öffentlichen Rechts. Für Pflichtverletzungen der DPR ist die BRD passivlegitimiert. Einer solchen Haftung steht § 4 Abs. 4 FinDAG nicht entgegen. Die Norm findet keine Anwendung auf den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch sowie auf Amtspflichtverletzungen seitens der DPR. Auch das Unionsrecht verlangt, insbesondere vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung des EuGH, eine restriktive Auslegung. Keine Anwendung findet die Norm überdies auf Fälle des Amtsmissbrauchs.
Laut der Kanzlei Leipold sind der BaFin verschiedene Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Aufsicht über die Wirecard AG vorzuwerfen. So sei die Ablehnung der Einstufung des Zahlungsdienstleisters als Finanzholdinggesellschaft durch die BaFin zumindest zweifelhaft. Zum anderen haben die BaFin die Unternehmensabschlüsse und -berichte von Wirecard fehlerhaft und unzureichend überprüft und dadurch ihre Pflichten verletzt. Die BaFin habe zudem ihre Pflicht unterlassen, die Anleger öffentlich zu warnen. Eine solche Warnung hätte insbesondere auf Grund des zuvor von der BaFin rechtswidrig erlassenen Leerverkaufsverbots ergehen müssen.
Auch die DPR habe durch die nicht ordnungsgemäße Durchführung der Prüfung der Unternehmensabschlüsse der Wirecard AG eine Pflichtverletzung begangen. Die DPR sei für die Prüfung nicht ausreichend personell aufgestellt gewesen und hat es dennoch unterlassen Erfüllungsgehilfen einzuschalten. Zudem bestehen erhebliche Interessenkonflikte, die auf eine generelle Ungeeignetheit der DPR hindeuten.
Mit dem Gutachten wird noch einmal die Rechtsauffassung von Rechtsanwalt Michael Leipold unterstrichen, der bereits im Juni zu Beginn des Skandals darauf hingewiesen hatte, dass die BaFin haftbar zu machen sei.
"Damit haben die geschädigten Anleger der Wirecard AG eine Chance ihren Schaden ersetzt zu erhalten", so Michael Leipold. (ahu)