Mehr Kreativität in der Produktberatung

09.04.2015

Das Vergleichen ist eine Leidenschaft des Menschen: Hat mein Auto mehr gekostet als das des Nachbarn? Ist der Fernseher im Geschäft A oder im Geschäft B billiger? Wo finde ich im Internet das günstigste Flugticket? Gerade in Geldfragen scheinen die Verbraucher wie elektrisiert von Vergleichslisten – ob in Finanzzeitschriften oder vermehrt im World Wide Web.

Der höchste Zins fürs Tagesgeld oder die günstigste Kfz-Versicherung sind mittlerweile nur noch einen Mausklick entfernt.

Kein Wunder, dass auch die Profis aus der Finanz- und Versicherungsbranche verstärkt die Anbieter von Vergleichssoftware und deren Datenbanken nutzen. Makler suchen sich beispielsweise anhand der einschlägigen Portale die billigsten Berufsunfähigkeitsversicherungen und Rentenversicherungen heraus, vielleicht noch selektiert nach Ratings. Diese Ergebnislisten dienen als Grundlage für das Kundengespräch. Nun erfüllen diese Anbieter ohne Zweifel eine wertvolle Funktion: Sie liefern einen schnellen Überblick, sie sparen Zeit und schaffen Transparenz. Aber umso wichtiger ist es, die Grenzen dieser Software zu sehen – das müsste sich eigentlich jeder Versicherungsmakler verinnerlichen wie das Zähneputzen. Sonst läuft der Berufsstand in Gefahr, sich auf Sicht selbst zu schaden. Denn Vergleichssoftware-Anbieter sind bei allen Stärken wie Planierraupen, die Unterschiede einebnen und so zu Uniformität in den Produkten führen. Die Zahl der Auswahlkriterien ist nämlich begrenzt. Die Nutzer sehen nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit. Das ist so, als würde man Filme noch mit einem Schwarz-Weiß-Fernseher schauen. Dabei ist die Welt farbig, wie jeder weiß.

Auch die Versicherungsunternehmen reagieren auf das Korsett der Vergleicher und passen ihre Tarife an. Das bedeutet, die Angebote werden sich immer ähnlicher – aber nicht zwingend besser. Eine Unfallversicherung etwa kann man online nach Prämienhöhe, Versicherungsleistungen oder eingeschlossenen Leistungen sortieren. Aber eine Unfallpolice mit Schadenersatz für alle finanziellen Einbußen? Solche innovativen Angebote gibt es – nur nicht bei den Vergleichssoftware-Anbietern. Das lässt deren Raster nicht zu. Das Beispiel zeigt zugleich die Chancen für Versicherungsvermittler auf: Wer auf Kreativität statt auf Uniformität setzt, wer sich die Mühe macht, Informationen über die optimalen Produkte jenseits der Vergleichssoftware zu sammeln, der kann die individuellen Bedürfnisse seiner Kunden besser erfüllen und wird damit erfolgreicher sein.

Maßgeschneiderte Lösungen statt Standardware heißt deshalb die Antwort zur eigenen Zukunftssicherung. Die Werkzeuge und Produkte sind vorhanden. Es braucht nur ein wenig Kreativität und Einsatzbereitschaft. Der Kunde wird es einem danken. Wer dagegen glaubt, allein mit den Computer-Listen arbeiten zu können, der wird sich auf kurz oder lang selbst überflüssig machen. Denn Vergleichsportale und die Software können die Kunden auch bedienen – wozu bräuchten sie dann künftig noch einen Vermittler?

Martin Gräfer, Vorstand Versicherungsgruppe die Bayerische

Printausgabe 02/2015