Marsh Report 2024: Nach harten Jahren Entspannung bei Industrieversicherern

03.04.2024

Foto: Jens Florian-Jansen, CEO und Chief Market Officer von Marsh Deutschland © Marsh

Das Versicherungsjahr 2023 verlief für den überwiegenden Teil der Industrieversicherer wie im Vorjahr profitabel. Das ist zentrales Ergebnis des Marsh Versicherungsmarktreports für Deutschland 2024. „Während 2022 noch gestörte Lieferketten, die hohe Inflation und das niedrige Zinsniveau Unsicherheitsfaktoren waren, die die Erneuerungsrunde maßgeblich beeinflussten, beruhigte sich die Situation 2023“, sagt Jens Florian-Jansen, CEO und Chief Market Officer von Marsh Deutschland.

Unruheherde nehmen zu

„Die Lieferströme sind nur noch gelegentlich gestört, die Inflation ist erheblich zurückgegangen und es gibt wieder Geld fürs Geld. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass die Unruheherde in der Welt zunehmen und die stark internationalisierte deutsche Wirtschaft sich mit den damit verbundenen Auswirkungen auseinandersetzen muss. Die Versicherer, insbesondere die Rückversicherer, hatten ein profitables Jahr; neue Versicherer sind in den deutschen Markt eingetreten und 2024 dürften weitere folgen. Die Zeichen deuten nach Jahren des harten Marktes auf eine allmähliche Entspannung hin. Das ist ein gutes Signal für die Kunden.“

Wieder Ruhe in der industriellen Sachversicherung

In der industriellen Sachversicherung kehrt nach Jahren harter Sanierungsverhandlungen etwas Ruhe ein. Lediglich Unternehmen mit erheblichem Optimierungspotenzial beim Brandschutz, schadenbelastete Risiken und Risiken, die Naturkatastrophen exponiert sind (hier vor allem gegen Überschwemmungs- und Sturm-/Hagel-Ereignisse), müssen auch weiterhin mit teilweise erheblichen Forderungen der Versicherer hinsichtlich der Selbstbehalte und Prämienrate rechnen.

Verstärkter Wettbewerb in der Haftpflichtversicherung

In der Haftpflichtversicherung ist schon im Jahr 2023 der Wettbewerb zurückgekehrt. Grundsätzlich lassen sich Prämienmehrforderungen der Versicherer durch den herrschenden Wettbewerb verhindern. Bei internationalen Haftpflicht-Versicherungsprogrammen mit großer US-Exponierung sind die Versicherer allerdings weniger offensiv. Sofern sie sich engagieren, fordern sie den Schadenerwartungen entsprechend höhere Prämien. Weitere Versicherer sind 2023 in den Markt eingetreten und auch für 2024 ist mit weiteren zusätzlichen Kapazitäten zu rechnen. Großes Thema in der Haftpflichtversicherung ist der Umgang mit Stoffen oder Stoffgruppen, die die Versicherer gerne vom Versicherungsschutz ausschließen würden, aktuell stehen PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) in der Diskussion. Hier müssen sich alle Marktteilnehmer auf langwierige Verhandlungen einstellen, um den passenden Versicherungsschutz zu erhalten.

Technische Versicherungen

Die Technischen Versicherungen müssen von zwei Seiten betrachtet werden. In der klassischen Maschinenbruchversicherung und deren Nebensparten gibt es keine Auffälligkeiten. Nachjustiert wird, wenn es die Schadensituation verlangt, ansonsten funktioniert der Markt. Anders sieht es im Bauleistungs- und Montagebereich aus. Die Transformation der deutschen Energiewirtschaft bietet enormes Geschäftspotenzial. Auch größte Projekte, die diesen Transformationsprozess unterstützen, sind bei den Versicherern heiß begehrt. Hier gibt es sowohl ausreichend führungsfähige Versicherer als auch genug Kapazität durch Beteiligungsmärkte. Große Bau- und Montageprojekte, die nicht in den Zusammenhang mit der Energiewende gebracht werden können, erleben ein wesentlich zurückhaltenderes Zeichnungsverhalten der Versicherer. Das macht sowohl die Suche nach einem Führungsversicherer als auch die Besorgung ausreichender Kapazitäten herausfordernd.

Transportversicherung: Wende zu weicherem Markt

In der Transportversicherung herrscht Wettbewerb. Die jahrelang guten Ergebnisse der Versicherer haben den Markt stabilisiert und lassen für typisches Transportversicherungsgeschäft („Kisten und Kasten“) perspektivisch eine Wende hin zu einem weicheren Markt erwarten. Lediglich großschadengeneigte Risiken werden von den Versicherern einer genaueren Prüfung unterzogen und dann ggfs. nur restriktiv gezeichnet.

Prämienmehrforderungen bei Kfz-Versicherern

Die Kfz-Versicherer werden sich noch geraume Zeit mit den Folgen der Pandemie befassen müssen. Die pandemiebedingt guten Schadenquoten fanden 2023 ein jähes Ende. Die hohe Inflation, gerade im Bereich der Kfz-Ersatzteilpreise, und die Schadenfrequenz sind wieder auf Vorpandemieniveau. Das führte 2023 zu hohen Verlusten bei den Versicherern. Nahezu ausnahmslos sahen sich die Kunden daher für das Jahr 2024 mit Prämienmehrforderungen konfrontiert. Da in der Kfz-Versicherung aufgrund des hohen Wettbewerbsdrucks nicht ein Jahr ausreicht, um ein wieder auskömmliches Niveau zu erreichen, ist bis auf weiteres keine Entspannung in Sicht.

Stabilisierung bei D&O-Versicherung

In der D&O-Versicherung haben sich die Prämien zum Jahreswechsel 2024 weiter stabilisiert. Die Mehrzahl der Versicherer haben ihren Fokus in der Sparte D&O wieder auf die Neugeschäftsgewinnung gelegt und teilweise sogar ihre Kapazitäten leicht angehoben. Unternehmen, die in der Vergangenheit trotz stabiler Finanzdaten und ohne sonstige negative Auffälligkeiten hohe Prämiensteigerungen akzeptieren mussten, konnten mit deutlichen Reduzierungen rechnen. Ansonsten verliefen die Vertragserneuerungen entspannt mit stabilen und manchmal sinkenden Prämienraten. Vertikal platzierte Kapazitäten konnten häufig durch günstigere ausgetauscht werden, was für die Kunden ebenfalls Einsparungen bedeutete. Die Fortsetzung der Marktaufweichung ist aufgrund der schlechten Aussichten der deutschen Wirtschaft, der immer noch bestehenden hohen Inflation und Zinsen, sowie den von Kreditversicherern vorausgesagten ansteigenden Insolvenzzahlen schwer zu prognostizieren – auch wenn es sich hier um Nachholeffekte nach der Coronakrise handelt. Eine abermalige Trendumkehr ist jedoch derzeit nicht in Sicht.

Mehr Wettbewerb bei Cyber-Versicherungen

Auch in der Cyber-Versicherung gibt es wieder Wettbewerb. Weitere Risikoträger sind in den Markt eingetreten und insbesondere bei Layer-Verträgen war dieser Effekt bereits spürbar. Die Anforderungen an die Informationssicherheit werden weiterhin an das dynamische Risikobild angepasst werden müssen, und die Versicherer erwarten auch in Zukunft von den Kunden eine stetige Weiterentwicklung der Informationssicherheit. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, können die Kunden 2024 mit verbesserten Konditionen rechnen. (mho)

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