Markus Schuller: Zentralbanken als Hedge Funds

27.02.2013

EU-Trilogie Teil 2. Im ersten Teil ging es um die Bankenunion, jetzt schaut sich Markus Schuller, Gründer von Panthera Solutions, das veränderte Verhalten der Zentralbanken an. Schlechtes Vorbild sei ausnahmsweise mal die Schweiz und deren Notenbank.

(fw/ah) Seit dem Beginn des modernen Investment Bankings sind Interessenskonflikte inhärenter Bestandteil des Geschäftsmodells. Als Napoleon 1803 Louisiana an die 13 Gründerstaaten der USA verkaufen wollte, um seinen Krieg gegen die Briten zu finanzieren, engagierten die USA die britische Bank Barings Brothers, um den Deal zu finanzieren. Gemeinsam mit der Amsterdamer Hope & Co. überzeugte Francis Barings den Käufer, Anleihen im Wert von etwa 12 Millionen US-Dollar zu emittieren. Napoleon verkaufte die Papiere zu einem diskontierten Kurs von 87,5 Dollar pro 100-Dollar-Nominale an Barings Brothers und Hope & Co. weiter. Die beiden Investment Banken machten einen ordentlichen Gewinn. Das internationale Investment Banking war geboren.

Die ersten Zentralbanken entstanden im Europa des 17. Jahrhunderts. Deren zentrale Aufgabe war es, den Regierungen/Monarchen Geld zu leihen, respektive deren Staatsschulden zu fi-nanzieren. Im 19. Jahrhundert lag das Hauptaugenmerk der Zentralbanken auf der restriktiveren Handhabe von Bankgeschäften und der Preisstabilisierung. Vor diesem Hintergrund ist die konzeptionelle Etablierung der Deckungspflicht zu verstehen, die Mitte des Jahrhunderts zur Einsetzung des Goldstandards führte. Zu dieser Zeit lebten die US-Investmentbanken noch in einem Eldorado. Im Zuge des Aufbruchs gen Westen der USA, etablierten sich nationale Champions wie Goldman Sachs, Salomon Brothers und Lehman Brothers durch die Finanzierungen von benötigter Infrastruktur.

Das Eldorado glich einer Hochschaubahn. Es fehlte die ordnende Kraft einer Notenbank. Zwar gab es Vorläufer zum derzeitigen Federal Reserve System, doch diese waren durch die Konflikte zwischen Demokraten und Republikanern stark geschwächte Institutionen und ohne Bedeutung. Erst Ende 1913 wurde der Federal Reserve Act von Präsident Woodrow Wilson unterzeichnet. Der Fed wurde ab Gründung ein hohes Maß an Unabhängigkeit ermöglicht, solange die im Federal Reserve Act definierten Ziele der Geldmarktpolitik – hoher Beschäfti-gungsstand, Preisniveaustabilität und moderate langfristige Zinsen – erreicht werden. In ihrer Unabhängigkeit war sie richtungsweisend für die künftige Ausrichtung anderer, bestehender Notenbanken.

In der Tat, die Banken sind Aktionäre der 12 regionalen Federal Reserve Banks (FRB). Doch sind deren Rechte nicht mit jenen einer regulären Aktiengesellschaft vergleichbar. Private Banken sind kraft Gesetzes Aktionäre der FRBs und haben keine freie Wahl, ob/wieviel sie investieren. Deren Aktien sind nicht übertragbar. Die Mitglieder der Gremien werden politisch benannt. In der Tat, die USA lebt das plutokratische Modell einer Demokratie, aber der Fed die Steuerungshoheit zuzuschreiben ist zu weit gegriffen. Die historische Einführung war notwendig, um die originäre Intention von Zentralbanken zu erkennen, nämlich als Stabilisie-rungswerkzeug für Regierungen/Regenten. Die Unabhängigkeit von Zentralbanken ist ein relativ junges Phänomen des 20. Jahrhunderts. Wir bewegen uns seit Ausbruch der Great Recession Ende der 1920er Jahre wieder in Richtung des ursprünglichen Verständnisses.

Nun ist der Titel „Zentralbanken als Hedgefonds" irreführend. So wie ein privater nicht mit einem öffentlichen Haushalt verglichen werden kann, ist es missverständlich eine geldschöpfende Institution mit einem Investmentprodukt zu vergleichen. Vergleichbar sind sie in einem Bereich, der so nicht vorgesehen war. Notenbanken agieren nicht mehr nur zur Verfolgung ihrer Zielbestimmungen, sondern verspüren plötzlich Veranlagungsdruck.

Nehmen wir als Beispiel die Schweizerische Notenbank (SNB). Als sich im Herbst 2011 der Wechselkurs zwischen Euro und Schweizer Franken der Parität näherte, fixierte die SNB die Marke 1,20 als Verteidigungslinie gegen die Aufwertung der eigenen Währung. Seither hält diese auch.

Als Konsequenz druckte die SNB Schweizer Franken um Euro zu kaufen. Ihr Portfolio an ausländischen Anlagen vervierfachte sich im Vergleich zum noch moderaten Programmstart Anfang 2010. Mit einem Bruttoinlandsprodukt 2012 von ungefähr 570 Milliarden Schweizer Franken (468 Milliarden Euro) und einer SNB-Bilanzsumme von 499,5 Milliarden Schweizer Franken (410 Milliarden Euro) sprechen wir von 87,7 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes.

Obwohl sich Fed, EZB, Bank of England (BoE) und Bank of Japan (BoJ) in ihrer expansiven Haltung redlich Mühe geben, kommen sie nicht an die SNB heran. Die Schweiz konkurriert derzeit mit China um die „Goldene Himbeere" als aggressivste Notenbank. Man darf gratulieren.

Interessanter Nebenaspekt: Durch die Koppelung der Währung ist die stolze, unabhängige Schweiz faktisch Teil der Eurozone. Um ihre große Euro-Position abzusichern, begann die SNB ihr Portfolio zu diversifizieren. So hält sie mehr als 10 Prozent in ausländischen Aktien. Auch tauschte sie Euro gegen US-Dollar, das britische Pfund, den südkoreanischen Won und den australischen Dollar, spielt also globale Makro-Währungstrends.

Allokationsseitig mündet der Veranlagungsdruck in der gehebelten Global-Macro-Strategie eines Hedgefonds. Interessant für die SNB Portfolio Manager, möchte man meinen. Hoffent-lich verhandelten sie sich eine 20 Prozent Performance-Gebühr. Ironie Ende.

Hier kommt das Problem: Gerüchteweise haben der SNB zwei ihrer Positionen im vierten Quartal 2012 massive Verluste eingebrachten. So sollen Shorts auf den Wechselkurs von Euro und japanischen Yen sowie Euro und US-Dollar Verluste in der Höhe von 16,5 Milliarden US-Dollar (12,6 Milliarden Euro) verursacht haben. Ob Buch‐ oder realisierte Verluste ist unbe-stätigt. Bei Reserven von 50 Milliarden Dollar sprechen wir von der Reduktion um ein Drittel binnen drei Monaten. Chapeau.

Nun ist die SNB eine kleine Notenbank. Und doch sollte sie als Warnsignal für die bestim-menden Notenbanken gelten, was passieren kann, wenn sie nicht zwecks Zielbestimmung, sondern aus der Not des Veranlagungsdrucks heraus, mit den Zwängen der Asset Allocation von nicht geldschöpfenden Marktteilnehmern konfrontiert sind.

Demokratische Legitimation: Soll eine Notenbank folglich nicht nur Dividenden an das Finanzministerium überweisen, sondern seinen Investoren, also den Bürgern, detailliert über ihre Veranlagungsstrategie berichten? Effektivität in Zielerreichung: Der Trend geht zum erweiterten Mandat (siehe Fed & BoE Economic Targeting). Kehren Notenbanken zurück an die ursprüngliche Gängelbank der Politik?

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