M&M Rating: Lebensversicherer auf dem Prüfstand

18.10.2023

Foto: © nitiroj - stock.adobe.com

Trotz Inflation, höherer Kosten und einem rückläufigen Neugeschäft konnten die Lebensversicherer im Gesamt-Rating 2023 von Morgen & Morgen eine leichte Verbesserung erzielen. 19 Gesellschaften erhielten die Bestnote von fünf Sternen, vier mehr als im letzten Jahr. Eine Vier-Sterne-Bewertung erhalten mit 26 Unternehmen sechs Gesellschaften weniger als 2022. Die schlechteste Bewertung von nur zwei Sternen erhielten vier Versicherer und damit ein Unternehmen weniger als im Vorjahr.

Schwieriges Umfeld für die Branche

Die Situation der Lebensversicherer ist geprägt von dem Ukraine-Krieg sowie der Inflation. Das Jahr 2022 stellte die Gesellschaften vor die Herausforderungen eines rasanten Zinsanstiegs, nachdem der Kapitalmarkt eine jahrelange Talfahrt hingelegt hatte. Diese neue Situation zeigt sich deutlich in einem Einbruch des Neugeschäfts. Insbesondere gilt dies bei den Einmalbeiträgen, für die wieder andere Anlagemöglichkeiten attraktiv wurden. Gleichzeitig führten gestiegene Lebenshaltungskosten zu weniger privaten Investitionen.

„Die veränderten Marktgegebenheiten führten bei einigen Kennzahlen im Jahr 2022 zu starken Bewegungen. Was im Einzelnen extrem aussieht, relativiert sich im Zusammenspiel. Vor allem die Mechanismen der Zinszusatzreserve konnten die Marktbewegungen gut abfangen“, beschreibt Thorsten Saal, Bereichsleiter Mathematik bei Morgen & Morgen, die aktuelle Lage und ergänzt: „Im Teilrating Sicherheit zeigen sich die Lebensversicherer sehr stabil, sodass sich das Ratingergebnis im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht verbessert.“

Das aktuelle Morgen & Morgen Rating LV-Unternehmen betrachtet 13 Bilanzkennzahlen von 63 Lebensversicherungsgesellschaften über den vergangenen Fünfjahreszeitraum von 2018 bis 2022. Drei Teilratings bewerten differenziert die Unternehmenskenngrößen zu Erfolg, Bestand und Sicherheit.

Grafik: Morgen & Morgen<br>Grafik: Morgen & Morgen

Teilrating Erfolg: Anstieg der Kostenquoten

Im Teilrating Erfolg wird die Frage nach Geschäftserfolg und Anlageerfolg beleuchtet. Im Ergebnis zeigen sich 17 Gesellschaften besonders stark und erhalten fünf Sterne. Das sind vier Unternehmen mehr als im Vorjahr. Die Vier-Sterne-Riege hat um sechs Unternehmen abgenommen und ist mit 12 Gesellschaften belegt. 19 Versicherer erhalten drei Sterne, ein Versicherer mehr als im Vorjahr. Unverändert erhalten neun Versicherer zwei Sterne. Mit sechs Ein-Sterne-Bewertungen gibt es eine schlechte Bewertung mehr als im letzten Jahr.

Im Bereich der Erfolgskennzahlen zeigt sich aktuell durch einen Rückgang im Neugeschäft ein Anstieg der Kostenquoten, besonders bei den Abschlusskosten. Der Zinsanstieg führt insgesamt zu einem Rückgang der Bewertungsreserven, hauptsächlich sind im Saldo nur noch stille Lasten vorhanden. Das ist jedoch nicht weiter schlimm, da diese in der Regel nicht realisiert werden müssen. Jedoch kommt es stellenweise zu Abgangsverlusten oder Abschreibungen, die die Nettoverzinsung verringern.

Im Vergleich zum Vorjahr sinkt die Nettoverzinsung deutlich. Neben den Abgangsverlusten und Abschreibungen ist dafür vor allem das Ausbleiben der Realisation von Bewertungsreserven maßgeblich. Zunächst, weil kaum Bewertungsreserven mehr vorhanden sind, aber auch, weil die in den letzten Jahren aufgebaute Zinszusatzreserve in diesem Jahr dafür sorgt, dass weniger Zinserträge notwendig sind.

Aufgrund der gestiegenen Zinsen musste die Zinszusatzreserve im Jahr 2022 nicht weiter aufgebaut werden. Im Gegenteil: Bei fast allen Versicherern konnte sie wieder verringert werden. Daraus resultierten Erträge, die auch den Kunden zugutekommen. Nachdem im Vorjahr noch branchenweit rund 8,5 Milliarden Euro der Zinszusatzreserve zugeführt wurden, konnte die Zinszusatzreserve im Jahr 2022 um mehr als drei Milliarden Euro verringert werden. Im Rating zeigt sich das durch eine gestiegene Überschussquote.

„Trotz turbulentem Kapitalmarktumfeld besteht noch kein Grund zur Sorge, das zeigt die im Schnitt leicht angestiegene Zins-Überschussquote. Das Zusammenspiel von sinkenden Kapitalerträgen und verminderten Anforderungen aus Garantien und Zinszusatzreserve lässt die Versicherer also besser als im Vorjahr die Rechnungszinsanforderungen finanzieren“, bringt es Thorsten Saal auf den Punkt.

Teilrating Bestand: Rückgang des Neugeschäfts

Im Teilrating Bestand wird untersucht, inwieweit sich der Bestand eines Lebensversicherungsunternehmens entwickelt. Das Ergebnis zeigt mit 13 top bewerteten Gesellschaften zwei Gesellschaften weniger mit Bestbewertung. Auch die Vier-Sterne-Riege zeigt sich mit acht Unternehmen im Verglich zu 11 im Vorjahr leicht ausgedünnt. Das Mittelfeld der Drei-Sterner hat dafür um vier Gesellschaften zugenommen und ist auf 21 angestiegen. 16 Unternehmen erhalten zwei Sterne, das sind drei mehr als letztes Jahr. Die schlechteste Bewertung von einem Stern erhalten fünf Unternehmen, zwei weniger als im Vorjahr.

Das Teilrating Bestand weist für das Jahr 2022 einen negativen Trend aus. Der aktuelle Rückgang des Neugeschäfts zeigt sich im Rating an einer im Schnitt deutlich gesunkenen Wachstumsquote. Auch die leicht angestiegene Stornoquote ist sicherlich ein Spiegel der schwierigen Marktgegebenheiten für Verbraucher.

Insgesamt zeigt die Wachstumsquote über die Jahre hinweg große Schwankungen. Neben dem generellen Kaufverhalten der Kunden spielt hierbei das Einmalbeitragsgeschäft eine große Rolle. Es kann bei einigen Versicherern in manchen Jahren bis zu 70 Prozent des jährlichen Beitragsvolumens ausmachen. Diese Einmaleffekte führen zu besagten Schwankungen – im Jahr 2022 wird dies besonders deutlich. „Die anhaltende Inflation sowie die attraktiver werdende Situation am Kapitalmarkt sind eine Herausforderung für das Neugeschäft und die Bestandspflege der Versicherer“, resümiert Thorsten Saal.

Teilrating Sicherheit: Versicherer insgesamt gut aufgestellt

Das Teilrating Sicherheit bewertet die finanzielle Stabilität und die Eigenkapitalunterlegung eines Versicherers im Hinblick auf eine mögliche Krise. Neben den Eigenmitteln werden hier die Bedeckungsquoten nach Solvency II betrachtet. Mit 50 Fünf-Sterne-Gesellschaften erhalten drei Unternehmen mehr als im Vorjahr die Topbewertung. Acht Gesellschaften werden mit vier Sternen bewertet, das ist ein Unternehmen weniger als letztes Jahr. Die Drei-Sterne-Riege hat vier Gesellschaften verloren und besteht nur noch aus zwei Unternehmen. Ebenso die Zwei-Sterne-Riege, die jedoch nur um eine Gesellschaft kleiner wurde. Im Vergleich zum Vorjahr gibt es nun auch eine Ein-Sterne-Gesellschaft.

Im Bereich der Sicherheit sind die Versicherer gut aufgestellt. Auch wenn die Bewertungsreserven sich in stille Lasten umgewandelt haben, so bleibt die Eigenmittelquote stabil. Die Quote der Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB), die auch eine Pufferfunktion für die Überschussbeteiligung erfüllt, ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen. Unter anderem wegen des Abschmelzens der Zinszusatzreserve.

Ebenfalls angestiegen sind die SCR-Bedeckungsquoten nach Solvency II. Die meisten Versicherer schaffen die aufsichtsrechtlichen Hürden auch ohne Erleichterungen bei der Berechnung der Quote. Mit Hilfe der Erleichterungen sind alle im Rating bewerteten Versicherer deutlich über den Mindestanforderungen. „Im Bereich der Sicherheit und Solvabilität ist die Lage der Versicherer, den Kennzahlen nach zu urteilen, weiterhin als stabil zu bewerten“, betont Thorsten Saal. (mho)